Claudia Roth: „Die Nationalmannschaft ist Spiegelbild unserer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft“

Claudia Roth Bundestagsvizepräsidentin und Grünen-Politikerin erklärt gegenüber dem "Tagesspiegel", dass man sich ruhig freuen darf, wenn Deutschland beim Fußball gut spielt und gewinnt. Doch gleichzeitig sagt sie: "Ich finde aber, dass es uns Deutschen gut zu Gesicht steht, wenn wir Zurückhaltung walten lassen mit der nationalen Selbstbeweihräucherung".
Epoch Times19. Juni 2018

Claudia Roth gab dem „Tagesspiegel“ ein Interview. Es ging um Fußball, Politik und Nationalbewusstsein.

Wenn es nach der Bundestagsvizepräsidentin geht, dürfen Deutsche sich natürlich freuen, wenn ihre Mannschaft gut spielt und gewinnt. Und auch ein Fähnchen darf aufgehängt werden, erklärt sie.

Ich finde aber, dass es uns Deutschen gut zu Gesicht steht, wenn wir Zurückhaltung walten lassen mit der nationalen Selbstbeweihräucherung“, so die Grünen-Politikerin.

Denn nun gäbe es mit der AfD eine Partei, die auch die deutsche Fahne instrumentalisiere, um Ausgrenzung gegenüber Menschen zu signalisieren, „die in ihren Augen nicht dazugehören.“ Deshalb sagt sie: „Feiern ja, Nationalismus nein“.

Roth: „Man kann auch ein guter Nationalspieler sein, ohne die Hymne zu singen und die Hand aufs Herz zu halten“

Auf die Frage, was die deutsche Nationalmannschaft für Deutschland verkörpert, antwortet Roth: „Die Nationalmannschaft ist Spiegelbild unserer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft.“

Und so erklärt die Politikerin weiter, dass auch Deutschland inzwischen „bunt und vielfältig ist“, mehr Regenbogen – mit Namen wie Kroos und Werner, aber eben auch Khedira und Boateng.

Dabei macht sie deutlich, dass man auch ein guter Nationalspieler sein kann, ohne die Hymne zu singen und die Hand aufs Herz zu halten.

Zu der Zerrissenheit bei Deutschtürken zwischen den Ländern Deutschland und Türkei und ihren verschiedenen Wertesystemen meint Roth: Zerrissenheit mag es schon bei vielen geben. Allerdings müsse „die deutsche Einwanderungsgesellschaft anerkennen, dass Menschen in einer globalisierten Welt mehr als eine Heimat haben können.“ Und: „Wir können von niemandem erwarten, einen Teil seiner Biografie, seiner Identität oder Familiengeschichte zu verleugnen.“ Deshalb sei es ihr wichtig mehr Menschen die Chance auf einen Doppelpass zu geben, so die Grünen-Politikerin.

Roth: „Heimat ist, wo du dazugehörst …“

Dann geht es in dem Interview um den Begriff Heimat. Heimat sei für Roth am ehesten das, was der Soziologe Wilhelm Heitmeyer dazu definiert. „Heimat ist, wo du dazu gehörst und wo du gebraucht wirst. Egal, wo du herkommst. Ob du Frau oder Mann bist, schwul, lesbisch, transgender oder hetero, Muslim, Jude, Christ oder säkular bist.“

Nach Roth vertritt der neue Heimatminister Horst Seehofer (CSU), ein „brandgefährliches, ein exklusives, ein ausgrenzendes“ Heimatbild. Seehofer glaube offensichtlich auch, sein Haus käme auf der Führungsebene auch ohne Frauen aus, so Roth. Für sie war Seehofers Satz, „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, der Versuch einer Ausbürgerung.

Roth: „Es hat noch keine Rentnerin in Deutschland einen Cent weniger erhalten, weil wir Geflüchtete aufgenommen haben“

Zur Flüchtlingspolitik meint die Bundestagsvizepräsidentin: „Es hat noch keine Rentnerin in Deutschland einen Cent weniger erhalten, weil wir Geflüchtete aufgenommen haben. Aber wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, entsteht natürlich dieser Eindruck – und wird geschürt.“

Zugleich sagt Claudia Roth, dass sie nicht verstehe, warum ausgerechnet die CSU von Anfang an die Stimmung verbreitet habe, dass wir den Zuzug von Geflüchteten nicht bewältigen könnten. „Gerade in Bayern war doch die Unterstützung groß, in der Bevölkerung, durch die Kirchen.“

Natürlich sei Integration keine einfache Aufgabe und brauche Zeit, koste Geld und fordere Geduld von allen Beteiligten, so Roth weiter. „Wir müssen jetzt endlich mit einer großen Integrationsoffensive vorangehen“.

Auf die Frage, ob ein Sieg der deutschen Fußballmannschaft die Stimmung im Land ein wenig verbessern würde, antwortet die Politikerin: „Wenn Özil das Spiel gut eröffnet, Khedira das entscheidende Tor schießt, Boateng am Ende des Turniers zum besten Spieler gewählt wird und Neuer und Müller im Gegensatz zur CSU zeigen, dass aus Bayern auch was richtig Gutes kommen kann, dann hilft das bestimmt. Und ich wedle frenetisch mit der Regenbogenflagge, versprochen!“ (er)



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