Das Osterpaket von Bundesminister Habeck

Wind, Solar, Biogas, Netzausbau. Das Osterpaket von Robert Habeck enthält acht Milliarden Euro zusätzliche Gewinne für die Windindustrie und soll den Steuerzahler „nur sehr wenig kosten“. Was steckt drin?
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bei einem Pressestatement in Berlin.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bei einem Pressestatement in Berlin.Foto: Fabian Sommer/dpa
Von 22. April 2022

Innerhalb der kommenden 13 Jahre soll Deutschland dazu gebracht werden, seinen Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Aktuell sind es zwischen 20 und 60 Prozent, der Anteil schwankt von Woche zu Woche, je nach Wind und Sonnenschein. Bis 2030, binnen acht Jahren, sollen es 80 Prozent des Stroms sein. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, wurde durch den Bundeswirtschaftsminister am 6. April das „Energiesofortmaßnahmenpaket“ vorgestellt.

Verpackt im als „Osterpaket“ betitelten Vorhaben ist die Anpassung dazu notwendiger Gesetze, allen voran das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Zudem werden Änderungen vorgeschlagen für das Windenergie-auf-See-Gesetz, das Energiewirtschaftsgesetz, das Bundesbedarfsplangesetz, das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz sowie weitere Gesetze und Verordnungen im Energierecht.

Robert Habeck sprach vom „größten energiepolitischen Projekt der letzten zwei Jahrzehnte“. Bis zum Sommer soll der Bundestag das 500-seitige „Osterpaket“ beschließen und ein „Sommerpaket“ mit weiteren Details folgen.

Wichtigster Inhalt ist, dass Wind- und Solarenergie künftig als „im überragenden öffentlichen Interesse“ gelten und bei Konflikten besonderen Status genießen.

Ausbau der Windindustrie, Solarenergie und Biogas

Für die Windenergie werden die Genehmigungsverfahren verändert. Künftig sollen auch windschwächere Standorte genutzt werden. Neue Windräder können nach Einzelfallprüfung auch in Naturschutzgebieten gebaut werden, Artenschutz soll den Aufbau der Windenergie nicht behindern. Die Offshore-Nutzung auf Nord- und Ostsee soll beschleunigt werden (auf See ging 2021 keine einzige Anlage neu ans Netz). 2030 soll eine Kapazität von 115 GW an Land erreicht werden, aktuell sind es 56 GW.

Der Ausbau der Solarflächen soll künftig zur Hälfte auf Dächern, zur anderen Hälfte auf Freiflächen erfolgen und die installierte Leistung bis 2030 auf 215 GW steigen (derzeit 59 GW). Anlagen der Photovoltaik können den Menschen künftig auch auf Randstreifen von Ackerflächen, auf Feldern (Agri-PV), Seen (Floating-PV) und Feuchtflächen (Moor-PV) begegnen. 

Biogas soll künftig in „hochflexiblen Spitzenlastkraftwerken“ eingesetzt werden, die Ausschreibungsmengen werden für Biomasse stufenweise reduziert und die für Biomethan ab 2023 auf 600 MW jährlich erhöht. Biomethan darf nur noch in Kraftwerken sowie in einigen Bereichen der Industrie und des Verkehrs eingesetzt werden – dort, wo keine Dekarbonisierung stattfinden kann.

Gleichzeitig wird der Netzausbau beschleunigt, was vor allem durch straffere Planung und Genehmigungsverfahren der Trassen erreicht werden soll. Die Unterstützung für „Bürgerenergieparks“ mit Windprojekten bis 18 MW und Solarprojekten bis 6 MW nimmt zu.

Wer bezahlt?

Den Steuerzahler soll das Osterpaket nach den Worten von Robert Habeck „nur sehr wenig“ kosten. Die Finanzierung für die Erneuerbaren soll über das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ gedeckt werden, zudem sollen private Investoren gewonnen werden. Die EEG-Umlage wird zum 1. Juli 2022 und damit ein halbes Jahr früher als geplant abgeschafft. Anschließend wird diese Umlage zur Förderung von Ökostrom aus dem Bundeshaushalt beglichen.

Habeck rechnet demnach damit, dass die Energiekosten dauerhaft hoch bleiben. Investieren werden Unternehmen oder Private nur, wenn ihr Gewinn größer ist als der Verlust. Das wird nur möglich, wenn die Energiepreise hoch bleiben und die allgemeine Inflationsrate ihre Vorhaben nicht auffrisst. Falls die Menschen mit den hohen Kosten nicht mithalten können, droht verstärkt Armut.

„Dieser insgesamt notwendige Umschwung wird nun in einer Zeit versucht, in der infolge der Coronapandemie und des Ukrainekriegs – mit sozialen wie militärischen Folgen in Deutschland – eigentlich nur sehr wenig bis gar kein Geld mehr im Etat übrig ist“, schreibt die „Wirtschaftswoche“. „Wenn der Staat nun weitere Mittel braucht und Schulden im großen Stil aufnimmt (die vielleicht nur anders heißen), dann belastet auch das die Menschen heute wie morgen.“

Ungelöste Probleme

Seit der Veröffentlichung der angestrebten Gesetzesänderungen wächst die Kritik. Christian Dürr, Fraktionschef der FDP, bezeichnete das Osterpaket als unsolide: Es wäre „wesentlich besser, das Ziel realistischer zu wählen und stattdessen die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass das Ziel auch tatsächlich erreicht wird.“

Viele Probleme blieben im Osterpaket weiterhin ungelöst. „Der Glaube, dass man mit Gesetzesänderungen zielgenaues Wachstum erreichen kann, geht eher in Richtung Planwirtschaft, bestenfalls folgt er dem Prinzip Hoffnung“, konstatiert der „Focus“. Beispielsweise sei fraglich, woher die zum Ausbau benötigten Arbeits- und Fachkräfte kommen sollen. Gleiches gilt für die ohnehin schon knappen Rohstoffe: „Woher die ganzen Solaranlagen alle kommen sollen – und zu welchem Preis – lässt Habeck offen“, schreibt der „Focus“.

Heikel sieht das Nachrichtenmagazin auch die Windindustrie. Vor allem die Betreiber von Windkraftanlagen können große Profite aus dem Osterpaket ziehen. Geschätzt wird auf 8 Milliarden Euro zusätzlichen Gewinn in der Branche auf Kosten der Verbraucher. Denn: „Gegen Verluste ist die Branche per Gesetz durch den Stromverbraucher abgesichert“.

Milch oder Energie?

Massive Kritik kommt vom Deutschen Bauernverband, der landwirtschaftliche Flächen in Gefahr sieht. Der Ausbau der Solarflächen sollte daher vor allem auf Dächern erfolgen, um den Flächenverbrauch zu verhindern. Nach Maßgabe des Osterpakets soll zudem künftig dort, wo jetzt Kühe weiden oder ihr Futter wächst, also auf Grünland, Freiflächen-Photovoltaik nutzbar sein.

Ob und welche Grünlandflächen die Länder für die Energienutzung freigeben, sollen laut Habeck die Bundesländer selbst entscheiden.

Das sei ein Trick, bemängelt „Agrarheute“, ein Fachmedium der Landwirtschaft. Damit reiche der Wirtschaftsminister den Schwarzen Peter an die Bundesländer weiter. Habeck sei der Vorwurf einer „Verspiegelung“ der Landschaft bekannt und handle ganz nach dem Motto: „Wer von Euch den Müll rausbringt, ist egal, solange ich es nicht machen muss.“ Tierhaltung sei „derzeit politisch nicht gewollt“ und mancher Tierhalter werde sich überlegen, ob er auf Energie umsteigt. 

Für die Menschen im Land befürchten landwirtschaftliche Fachleute daher eine geringere Nahrungsmittelproduktion, höhere Lebensmittelkosten und für die Bauern noch höhere Preise für landwirtschaftliche Flächen.

Anreize für Solarflächen für private Hausbesitzer und Mieter?

Wesentliche Anreize zur Installation von PV-Anlagen auf privaten Dächern gibt es im Osterpaket nicht. Neue Betreiber von neuen Anlagen erhalten nur dann mehr Geld, wenn sie den Strom komplett ins öffentliche Stromnetz einspeisen – und nichts davon selbst verbrauchen. 

Carsten König, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarindustrie, warnt: „Diese Rechnung geht nicht auf. Der anteilige Eigenverbrauch von Solarstrom zählt zu den wichtigsten Investitionsgründen von privaten und gewerblichen Verbrauchern zur Errichtung von Solardächern. Verbraucher und Unternehmen wollen Solarstrom vom eigenen Gebäudedach zum Beispiel für das Laden eines E-Autos oder den Betrieb einer Wärmepumpe anteilig selbst verbrauchen.“

Gleichzeitig gibt es keine Verbesserungen für Mieter, die Solaranlagen beispielsweise an ihrem Balkon anbringen möchten. „Die Umsetzung der Mieterstrom-Modelle bleibt im aktuellen Förderrahmen aufwändig und komplex, auch wenn mit dem Wegfall der EEG-Umlage in Kundenanlagen ein wesentlicher Baustein für die Vereinfachung gelegt ist, wenn es neben Mieterstrom auch Eigenversorgungskonzepte gab“, so der Bundesverband Solarindustrie.

BUND: Es gibt zu viele Leerstellen im Entwurf

Auch Umweltverbände üben Kritik – ihnen geht es zu langsam. Für Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, gibt es zu viele Leerstellen im Osterpaket. Es sei schon lange überfällig, die Energiewende zu beschleunigen und ambitionierte Ziele vorzugeben. „Aber angesichts der Klimakrise, der drohenden Versorgungskrise und des immer kleiner werdenden Zeitfensters ist es nötig, in den kommenden Monaten einen wirklich großen Wurf zu schaffen. Es braucht einen Marathonlauf für die Energiewende.“

Der BUND plädiert für die Intensivierung der Aktivitäten der Bundesregierung auch in anderen Ressorts, beispielsweise im Verkehr und bei Gebäuden. Es seien „konkrete und schnell wirksame, ordnungsrechtliche Maßnahmen“ notwendig, beispielsweise ein Tempolimit auf Autobahnen und die Solarpflicht für Dächer und Parkplätze. Was der BUND positiv findet: „Immerhin sollen den pauschalen Abstandregeln von Windenergie zu Wohnsiedlungen ein Riegel vorgeschoben werden“, erklärt Bandt.

Die Deutsche Umwelthilfe bemängelt, dass ein Einbauverbot von Gas-Heizungen für Neubauten im Osterpaket fehlt. „Wir fordern den sofortigen Einbaustopp für fossile Heizungen im Neubau, im Gebäudebestand ab 2025“, erklärt Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. Die Sanierung der Gebäude muss dringend erfolgen, Robert Habeck soll Mindesteffizienzstandards vorlegen und festlegen, „damit die schlechtesten Gebäude zuerst saniert werden“.



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