De Masi: Wirecard-U-Ausschuss soll Reihe von Fragen klären

Wirecard galt als deutsche Hoffnung für die digitale Finanzindustrie. Nach der spektakulären Insolvenz des Zahlungsdienstleisters ist der Fall wegen Fragen nach der Aufsicht zu einem gravierenden Problem für den Finanzstandort Deutschland geworden - und für die Bundesregierung. Am Donnerstag nimmt zu dem Skandal ein Untersuchungsausschuss des Bundestags seine Arbeit auf.
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Der Schriftzug von Wirecard ist an der Firmenzentrale zu sehen.Foto: Sven Hoppe/dpa/Symbolbild/dpa
Epoch Times8. Oktober 2020

Der Untersuchungsausschuss zum Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard soll nach den Worten des Linken-Politikers Fabio de Masi eine Reihe von Fragen klären. „Wir wollen ausleuchten, warum die Bundesregierung sich für dieses Unternehmen in China eingesetzt hat, obwohl es heftige Vorwürfe gab“, sagte de Masi am Donnerstag (8. Oktober) im ZDF-„Morgenmagazin“.

Auch Verbindungen zu den Nachrichtendiensten solle das Gremium klären und „wie es sein kann, dass in Deutschland 1,9 Milliarden Euro aus einer Bilanz eines Unternehmens verschwinden, ohne dass die Finanzaufsicht etwas mitbekommt“.

Mit Blick auf neue digitale Geschäftsmodelle müsse verhindert werden, „dass sich so etwas in Zukunft wieder ereignet“, forderte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken. Nach der Anhörung von Sachverständigen werde sich der Untersuchungsausschuss „Stück für Stück an der Zeugenliste vorarbeiten“, sagte de Masi. Der Ausschuss nimmt am Nachmittag seine Arbeit auf.

Die Linken-Fraktion hatte das Gremium gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP beantragt. In der konstituierenden Sitzung geht es unter anderem um den Ausschussvorsitz. Dieser steht turnusmäßig der AfD zu, dagegen gibt es jedoch Vorbehalte.

Wirecard soll jahrelang seine Bilanzen gefälscht haben. Insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die auf Konten in Asien liegen sollten, sind nicht auffindbar. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet.

Vom Börsen-Liebling zum Thema eines Untersuchungsausschusses

1999

Wirecard wird in München gegründet und konzentriert sich schnell auf den Zahlungsverkehr im Internet. Zu den ersten Kunden gehören vor allem Kasinos und Porno-Seiten, weil die früh auf den Onlinehandel setzten.

2015

Wirecard legt zumindest nach außen ein spektakuläres Wachstum hin. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft München I macht das Unternehmen aber spätestens ab Ende 2015 Verluste. Deshalb hätten Gründer und Vorstandschef Markus Braun sowie zwei weitere Manager Bilanzsumme und Umsatzvolumen durch Vortäuschen von Einnahmen aufgebläht.

SEPTEMBER 2018

Wirecard wird in den Deutschen Aktienindex (Dax) aufgenommen und ersetzt dort die traditionsreiche Commerzbank.

JANUAR 2019

Die „Financial Times“ veröffentlicht binnen mehrerer Wochen drei Artikel, in denen sie Wirecard der Bilanzfälschung beschuldigt. Das Unternehmen habe in Asien seine Bilanzen künstlich aufgeblasen. Die Konzernführung weist die Vorwürfe als haltlos zurück. Der Kurs der Wirecard-Aktie bricht dennoch ein.

FEBRUAR 2019

Die Finanzaufsicht Bafin veranlasst eine Sonderprüfung zu Wirecard. Damit beauftragt sie die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Medienberichten zufolge war dort aber nur ein einziger Mitarbeiter für den komplexen Fall zuständig. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wird über die Ermittlungen informiert.

SEPTEMBER 2019

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt sich auf einer China-Reise für den Markteintritt von Wirecard ein.

OKTOBER 2019

Die „Financial Times“ berichtet erneut über Auffälligkeiten bei der Buchhaltung von Wirecard, diesmal im Zusammenhang mit Geschäften in der Golfregion.

NOVEMBER 2019

Die Prüfgesellschaft EY verweigert der Wirecard-Tochter in Singapur das Testat für die Richtigkeit der Jahresbilanz 2017.

APRIL

Die Prüfgesellschaft KMPG veröffentlicht ihren Bericht über die Wirecard-Bilanzen der Jahre 2016 bis 2018. Die Prüfer beklagen, der Konzern habe ihnen zentrale Dokumente vorenthalten.

5. JUNI

Die Bafin teilt mit, dass sie bei der Staatsanwaltschaft München I Strafanzeige gegen Wirecard wegen des Verdachts der Marktmanipulation gestellt hat. Die Staatsanwaltschaft durchsucht den Firmensitz in Aschheim.

18. JUNI

Wirecard muss seinen Jahresabschluss erneut verschieben, weil die Abschlussprüfer Nachweise für die Existenz von Bankguthaben über 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten bei zwei asiatischen Banken vermissen.

19. JUNI

Wirecard-Chef Braun tritt zurück. Die Wirecard-Aktie stürzt erneut um mehr als 30 Prozent ab.

22. JUNI

Wirecard räumt nun ein, dass die fehlenden 1,9 Milliarden Euro wohl nicht existieren. Ex-Chef Braun wird wegen des Verdachts der Marktmanipulation verhaftet, kommt aber gegen eine Millionenkaution wieder frei. Nach Wirecard-Vorstand Jan Marsalek wird gefahndet.

25. JUNI

Wirecard stellt Insolvenzantrag beim Amtsgericht München.

1. JULI

Die Staatsanwaltschaft durchsucht fünf Gebäude von Wirecard in Deutschland und Österreich.

22. JULI

Braun wird erneut festgenommen, außerdem zwei weitere Ex-Vorstände. Grund ist laut Staatsanwaltschaft der nun „ganz erheblich“ erweiterte Tatvorwurf der Bilanz- und Umsatzfälschung seit 2015.

23. JULI

Das Bundesfinanzministerium reagiert auf den Skandal mit einem 16-Punkte-Plan für eine Reform der Finanzaufsicht.

29. JULI

Der Finanzausschuss hört über vier Stunden Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) an. Fazit: Es besteht mehr Aufklärungsbedarf.

24. AUGUST

Der Essenslieferdienst Delivery Hero ersetzt Wirecard im Dax.

10. SEPTEMBER

Grüne, FDP und Linkspartei stellen ihren Antrag auf einen Wirecard-Untersuchungsausschuss vor. Sie wollen insbesondere den Umgang der Bundesregierung und ihrer Behörden mit dem Fall aufklären lassen und fordern umfassende Akteneinsicht.

1. OKTOBER

Der Bundestag beschließt die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. (afp/dts/sza)



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