Der NSU-Komplex ist auch ein Jahr nach dem Urteil weiterhin nicht aufgearbeitet

Das Urteil im NSU-Prozess jährt sich Donnerstag zum ersten Mal – die Aufarbeitung in dem Komplex ist indes nicht abgeschlossen.
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Proteste beim NSU-Prozess vor dem Strafjustizzentrum MünchenFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times9. Juli 2019

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gerät auch der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) wieder in den Fokus: Politiker fordern zu prüfen, ob eine Verbindung des Tatverdächtigen Stephan E. zu dem Terrortrio bestand. Wie beim NSU steht zudem der hessische Verfassungsschutz in der Kritik. Das Urteil im NSU-Prozess jährt sich Donnerstag zum ersten Mal – die Aufarbeitung in dem Komplex ist indes nicht abgeschlossen.

IST DAS NSU-URTEIL RECHTSKRÄFTIG?

Nur in einem Fall. Der wegen der Beschaffung der Tatwaffe für neun der zehn NSU-Morde zu drei Jahren Jugendhaft verurteilte Carsten S. akzeptierte das Urteil. Ob auch andere der vier weiteren Verurteilten oder die Bundesanwaltschaft das Urteil akzeptieren, dürfte sich erst nach dem Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung zeigen.

WANN IST DIE SCHRIFTLICHE URTEILSBEGRÜNDUNG ZU ERWARTEN?

Wegen der langen Prozessdauer von mehr als fünf Jahren hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl dafür 93 Wochen Zeit. Ob er dies ausschöpft, ist offen. Laut einem Gerichtssprecher ist bisher zumindest nicht absehbar, wann Götzl fertig wird. Götzl wurde zwischenzeitlich zum Vizepräsidenten des Bayerischen Obersten Landesgerichts befördert, einen Großteil seiner Arbeitszeit kann er aber weiter für die Urteilsformulierung nutzen.

WAS IST MIT BEATE ZSCHÄPE?

Die einzige Überlebende der Terrorzelle – Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos starben 2011 mutmaßlich durch Suizid – bekam eine lebenslange Haftstrafe, das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Zschäpe dürfte in jedem Fall Revision einlegen, weil der 44-Jährigen eine Inhaftierung bis ins Rentenalter droht. Zschäpe wurde inzwischen aus dem Gefängnis in München nach Chemnitz verlegt, weil sie vor ihrem Untertauchen mit Böhnhardt und Mundlos in der Nähe gelebt hatte.

SIND WEITERE VERURTEILTE IN HAFT?

Carsten S. trat mit der Rechtskraft seine Jugendhaft an. Die drei anderen Helfer Ralf Wohlleben, André E. und Holger G. sind frei. Wohlleben wurde zwar zu zehn Jahren Haft verurteilt, er saß aber bis zum Urteil bereits mehr als sechseinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Das Gericht sah bei ihm keine Fluchtgefahr.

GIBT ES EIN BESONDERS STRITTIGES URTEIL?

Mit Spannung wird erwartet, ob das Urteil gegen E. in einer Revision Bestand hat: Der Neonazi wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Bundesanwaltschaft hatte für den bekennenden Neonazi aber zwölf Jahre Haft gefordert, die zweitschärfste Strafe nach Zschäpe. Anders als die Anklage sah das Gericht aber keine Beihilfe zum Mord. Rechtsextreme bejubelten vor einem Jahr den milden Urteilsspruch gegen E. und seine Freilassung.

GIBT ES WEITERE VERFAHREN?

Der mit der großen Zahl an Angeklagten und Nebenklägern äußerst komplexe NSU-Komplex ist das bisher einzige Verfahren zu der Sache. Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit Jahren gegen weitere mögliche Helfer des Trios. Bisher wurde noch keine Anklage erhoben.

IST DIE POLITISCHE AUFARBEITUNG BEENDET?

Nein. Im Bund und in acht Bundesländern wurden bisher parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt, um eigene Erkenntnisse zu der Terrorserie zu gewinnen. Dabei wurde unter anderem auch das Versagen des Verfassungsschutzes thematisiert. Die Aufarbeitung der Parlamente dauert noch an – in Mecklenburg-Vorpommern tagte der Ausschuss in diesem Jahr zum ersten Mal.

WELCHE FOLGEN BRACHTE DER MORDFALL LÜBCKE?

Seit der Ermordung Lübckes gibt es wieder neue Forderungen, alle Akten der Geheimdienste zum NSU zu öffnen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) begründete diese Forderung damit, dass die Aufklärung der NSU-Morde „noch lange nicht“ zu Ende sei. (afp)



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