Deutsche Bank: Sigmar Gabriel wird „Katar die verlangte Gefolgschaft liefern müssen“

Ex-Vizekanzler Gabriel soll schon bald mit Sitz und Stimme im Aufsichtsrat die Geschicke des Deutsche-Bank-Konzerns mitbestimmen. Er soll, so der „Spiegel“, dort im Interesse des einflussreichen Golfemirats Katar ein Auge auf die Entwicklung des Konzernumbaus werfen.
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Sigmar GabrielFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 24. Januar 2020

Der bevorstehende Wechsel des früheren Vizekanzlers und Bundesaußenministers Sigmar Gabriel in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. So ordnet die „Financial Times“ die Ankündigung als Signal für eine Optimierung der Geschäftstätigkeit des Geldinstituts in den USA ein.

Sie weist darauf hin, dass Gabriel im Vorjahr den Vorsitz der „Atlantik-Brücke“ übernommen hat. Dieser Think-Tank hatte sich einer Vertiefung der deutsch-amerikanischen Beziehungen in Politik und Wirtschaft verschrieben, ehe die Wahl des erklärten Souveränisten Donald Trump zum US-Präsidenten das dem Multilateralismus verpflichtete Gremium in eine gewisse Identitätskrise stürzte.

Strategische Tiefe oder Verzweiflung?

Nun plädiert Gabriel dafür, dass Deutschland und Europa angesichts der vermeintlichen Selbstrücknahme der USA von einer globalen Führungsrolle „die Courage und den Willen, Verantwortung für unsere strategische Interessen zu übernehmen“, entwickeln sollten. Europa, so schrieb er, solle sich „keinen Hoffnungen hingeben, dass alles von allein gut ausgehen“ werde.

Weniger eine Entscheidung von strategischer Tiefe als eine von „Verzweiflung“ wittert hingegen „Welt“-Wirtschaftsredakteurin Anne Kunz. Dies nicht einmal deshalb, weil Gabriel bereits im Vorjahr von seiner Ankündigung zurückgerudert war, sich um den Vorsitz des Automobilverbandes VDA zu bewerben. Sie verweist darauf, dass Gabriel für die Deutsche Bank selbst nicht die erste Wahl für den Posten gewesen war.

Eigentlich wollte die Deutsche Bank, wie sie in einem Statement am Freitag (24.1.) erklärte, den früheren UBS-Vorstand Jürg Zeltner in den Aufsichtsrat entsenden. Nominiert wurde dieser bereits im August des Vorjahres. Die Finanzaufsicht witterte jedoch Interessenskonflikte und sperrte sich gegen die Bestellung.

Der Grund für die Bedenken der Aufsichtsbehörde war, dass Zeltner im Vorjahr den Vorsitz über die Privatbankengruppe Quintet übernommen hatte. Hinter dieser stehen Geldgeber aus dem Golfemirat Katar. Da Quintet ein direkter Konkurrent der Deutschen Bank ist, hatten die Finanzaufseher abgewunken.

Rückzug aus Investmentgeschäft als folgenschwerer Fehler

Die Deutsche Bank hatte im Jahr 2019 eines der schwierigsten seiner Geschichte zu bewältigen. Dann scheiterte die geplante Fusion mit der Commerzbank, für die sich sogar Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit aller Autorität seines Amtes stark gemacht hatte. Um dem freien Fall der eigenen Aktie an der Börse gegenzusteuern, gab CEO Christian Sewing bekannt, 18 000 Jobs zu streichen, die globale Beteiligungsgesellschaft des Geldhauses zu schließen und eine „Bad Bank“ für notleidende Bestände im Umfang von 288 Milliarden Euro ins Leben zu rufen, um die Bilanz aufzuhübschen.

Markus Schön betrachtete den Ausstieg aus dem Investmentgeschäft in einem Kommentar für das „Manager-Magazin“ schon damals als entscheidenden strategischen Fehler. Er schrieb:

„Im Rückblick zu bereitwillig hat die Deutsche Bank die Augen vor den Risiken hoch komplexer Investmentgeschäfte verschlossen. Als Ex-Chef Josef Ackermann strategisch umsteuerte, kam die Finanzkrise, durch die er die Deutsche Bank sicher gebracht hat, während damalige Wettbewerber wie Goldman Sachs Börsen-Chart zeigen oder JP Morgan teilweise existenziell bedroht waren und andere Wettbewerber verschwunden sind. Die Stärke der US-Banken ist aber auch deren Mut geschuldet, weiter Investmentbanken bleiben zu wollen, während die Deutsche Bank – sichtlich beeindruckt durch die Skandale und den politischen Druck – nun auch Investmentbanking quasi zum ‚Teufelszeug‘ erklärt. So endet man dort, wo man heute steht – in der internationalen Bedeutungslosigkeit.“

Entscheidung am Rande des WEF in Davos

Das wenig erfolgsträchtige Gebaren der Deutschen Bank weckte jedoch auch Bedenken in der katarischen Königsfamilie, die mit acht Prozent der Aktien nicht nur den größten Anteil eines Einzelaktionärs am Finanzdienstleistungskonzern halten, sondern auch an VW in bedeutendem Umfang beteiligt sind – wo man mit Gabriel noch aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen vertraut ist.

Wie der „Spiegel“ schreibt, soll nicht nur Katar, sondern auch die deutsche Bundesregierung im Vorfeld in den Wechsel Gabriels eingeweiht gewesen sein. Am Dienstagabend (21.1.) hätten VW-Chef Herbert Diess und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) mit etwa 50 Investoren, vornehmlich aus dem arabischen Raum, bei einem exklusiven Abendessen in Davos über mögliche Zukunftsstrategien für die Konzerne beraten. Zudem habe es ein Gespräch zwischen Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, Aufsichtsratschef Paul Achleitner und Sewing gegeben.

Sowohl Diess als auch die Investoren sollen ihre Bedenken bezüglich der Erfolgsaussichten des Umbaus des Deutsche-Bank-Konzerns durch Sewing zum Ausdruck gebracht haben. Gabriel, der das Vertrauen Katars genießt, soll nun ein Auge auf dessen Fortgang werfen. Den entsprechenden Antrag habe die Deutsche Bank am heutigen Freitag beim Amtsgericht Frankfurt eingereicht.

Achleitner äußerte seine Freude, „mit Sigmar Gabriel einen überzeugten Europäer und Transatlantiker für den Aufsichtsrat der Deutschen Bank gewinnen zu können“. In „geopolitisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich herausfordernde[n] Zeiten, in denen sich eine globale Bank ganz neuen Erwartungen und Anforderungen stellen“ müsse, wolle man von Gabriels großem Erfahrungsschatz profitieren.

„Gabriel wird kaum sein Herz für die Arbeitnehmer wiederentdecken“

„Welt“-Redakteurin Kunz argwöhnt, dass Gabriel für die Aktionärsvertreter im Aufsichtsgremium ein Fremdkörper sein werde und sich die Frage stelle, ob er „nicht vielmehr der Arbeitnehmerseite angehört“.

Der „Spiegel“ geht nicht davon aus. Dort wird auf die enge politische Verflechtung mit Ex-ver.di-Chef Frank Bsirske hingewiesen, der ebenfalls im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt und mit dem Gabriel bereits im Vorfeld allfälliger Reibungspunkte Konsens auf dem kurzen Dienstweg herstellen könnte.

Zwar könne Gabriel theoretisch auch mit den Arbeitnehmern die Kapitalseite überstimmen. „Als Vertreter des größten Aktionärs ist die Chance freilich gering, dass Gabriel im Aufsichtsrat der Deutschen Bank plötzlich sein Herz für die Arbeitnehmer wiederentdeckt“, meint „Spiegel“-Redakteur Tim Bartz. „Wer die Katarer kennt, der weiß, dass sie Gefolgschaft verlangen. Gabriel wird sie ab sofort liefern müssen.“ (Mit Material von dts)



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