Deutsche Umwelthilfe wirft Autoindustrie Heuchelei vor – „radikaler“ 12-Punkte-Plan im Wortlaut

Die Deutsche Umwelthilfe wirft den deutschen Herstellern eine verfehlte Modellpolitik vor und bezweifelt die Ernsthaftigkeit der Aussage, sich auf E-Autos zu konzentrieren. Nur eine "Radikalkur" einschließlich Tempolimits und weitreichenden Einschränkungen der Mobilität könne die Industrie vor der "Betonmauer", auf die sie zurast, retten.
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Die Autoindustrie rase auf eine Betonmauer zu, so die Deutsche Umwelthilfe. Nur eine "Radikalkur" könne sie noch retten - Tempolimits, Verkaufsverbote und Einschränkung der Mobilität inklusive.Foto: iStock
Epoch Times21. August 2019

„Monster-SUVs“ statt E-Autos, so beschreibt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Modellpolitik der deutschen Autoindustrie. DUH-Geschäftsführer, Jürgen Resch fordert ein radikales Umdenken – notfalls per Gesetz.

Es gebe derzeit nur wenige rein elektrische Fahrzeuge auf dem Markt. Die deutschen Hersteller hätten im internationalen Vergleich einen großen Rückstand, sagte Resch in Berlin und nannte es ein „industriepolitisches Desaster“. Er bezweifelt, dass die Automobilindustrie sich an ihre zahlreichen Ankündigungen, neue E-Modelle auf den Markt zu bringen, hält.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wies die Vorwürfe zurück. „Jedes zweite Elektroauto, das in den ersten sieben Monaten in Deutschland neu zugelassen wurde, trägt ein deutsches Konzernmarkenzeichen.“ Auch auf der bevorstehenden Automobilmesse IAA würden fast alle Hersteller neue E-Modelle vorstellen, so der VDA.

Weniger CO2 ist immer noch zu viel

Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte vom CAR-Forschungszentrum, sieht die Forderungen der DUH ebenfalls skeptisch und bestätigte, „dass die deutsche Automobilindustrie die Elektromobilität vernachlässigen soll, ist falsch.“

Gegenüber Welt fügte er hinzu: „Die großen SUVs machen lediglich drei oder vier Prozent der zugelassen Fahrzeuge aus.“ Dass andere, viel häufiger gekaufte Fahrzeugklassen ebenfalls große Motoren haben, scheint die Deutsche Umwelthilfe nicht zu stören. Dudenhöffer ergänzte: „Niemand würde beispielsweise auf die Idee kommen einen klassischen Kompakt-Van, wie den VW Touran oder Opel Zafira, zu verbieten.“

Des Weiteren verwies der VDA darauf, dass die deutschen Hersteller ihren CO2-Ausstoß im beim Kunden beliebten SUV-Segment, verglichen mit allen anderen Segmenten, in den vergangenen Jahren am stärksten reduziert hätten – und zwar um 35 Prozent. Im Kleinwagensegment habe die Reduktion 24 Prozent betragen.

Deutsche Umwelthilfe: „Autohersteller müssen ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen“

Die Deutsche Umwelthilfe sieht die Deutsche Autoindustrie auf „eine Betonmauer zurasen“ und nur eine „Radikalkur“ könnte sie noch retten. Da die Hersteller nicht von selbst auf E-Mobilität setzten, müsse die Bundesregierung die Rahmenbedingungen ändern und die Hersteller zwingen.

Dafür hat die DUH einen Zwölf-Punkte-Plan entworfen (siehe unten), der sowohl Politik und Hersteller zum Handeln aufruft, als auch die deutschen Autofahrer drastisch einschränken soll.

So fordert die Deutsche Umwelthilfe in vier Punkten die Hersteller auf, sämtliche Abschalteinrichtungen und Messprotokolle der realen Abgasmessung offenzulegen. Zudem sollen alle Euro 5+6 Diesel kostenfrei nachgerüstet und auf sämtliche Entwicklungen im SUV-Bereich verzichtet sowie deren Verkauf umgehend gestoppt werden.

Von der Politik fordert die DUH „ein klares Signal an die Autokonzerne“ und unter anderem die Rückübertragung der „Kontrollen zur Einhaltung von CO2- oder Abgasvorschriften im realen Betrieb auf der Straße an das Umweltbundesamt.“ Darüber hinaus sollen 5.000 Euro Strafe pro „Betrugsdiesel“ verhängt und die Dieselkraftstoff-Subventionierung beendet werden.

Einschränkung der individuellen Mobilität

Neben bundesweiten Tempolimits auf Autobahnen (120 km/h), außerorts (80 km/h) und innerorts (30 km/h) fordert die Deutsche Umwelthilfe ein Verkaufsverbot sämtlicher Verbrenner-PKWs ab 2025 sowie eine Neubewertung von Plug-In-Hybriden „mit leerer Batterie“.

„Eine nachhaltige Mobilität“, wie die DUH auf ihrer Webseite fordert, kann demzufolge nur elektrisch erfolgen. Solange der Ladestrom jedoch aus konventionellen Kraftwerken kommt, ist kein E-Auto sauber oder nachhaltig, von der Herstellung der Batterie ganz zu schweigen.

Obwohl nur ein einziger Punkt direkt an die Verbraucher gerichtet ist, ist diese Forderung nur bedingt umsetzbar. Unter Punkt 12 heißt es: „Idealerweise Verzicht auf einen Pkw und Nutzung von Bahn, Bus, Straßenbahn und Fahrrad.“ Jenseits von Ballungszentren mit kurzen Wegen und funktionierendem Nahverkehr ist das nahezu undenkbar.

Katrin van Randenborgh, Sprecherin des ADACs, sagte diesbezüglich zu Welt: „Es macht keinen Sinn, den Verbrenner auf Kosten der individuellen Mobilität und von Arbeitsplätzen […] zu verbieten. Wir müssen uns breit aufstellen und alternative Antriebe parallel zum Verbrenner klimafreundlich weiterentwickeln. Das können durchaus verschiedene Antriebsformen leisten.“

Gleichzeitig widerspricht sich die DUH im weiteren Verlauf, indem sie allen Autokäufern rät, notfalls „den Neukauf so lange herauszögern, bis ein geeignetes Fahrzeug mit alternativem Antrieb“ angeboten wird. Mit anderen Worten: Fahr deinen dreckigen Diesel, bis du dir ein E-Auto leisten kannst. Bis es land- oder forstwirtschaftlich geeignete „Fahrzeug[e] mit alternativem Antrieb“ im Sinne der DUH gibt, wird noch eine Menge CO2 durch die Auspuffanlagen geblasen. (ts)

Die Forderungen der Deutschen Umwelthilfe im Wortlaut: „12-Punkte-Plan für Klimaschutz und eine zukunftsfähige Automobilindustrie“

Wie die deutsche Automobilindustrie ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen muss

1. Die deutschen Automobilhersteller legen noch vor der Eröffnung der IAA im September 2019 gegenüber der Öffentlichkeit und den 11 Millionen betroffenen Besitzern von Diesel-Pkw alle verbauten Abschalteinrichtungen (defeat devices entsprechend der EU-Verordnung 715/2007) offen, und zwar unabhängig davon, ob sie diese für legal halten oder bereits von Gerichten oder Behörden als illegal eingestuft wurden.

2. Die Automobilkonzerne erklären vor der Eröffnung der IAA ihr Einverständnis, dass das Bundesverkehrsministerium (BMVI) und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) alle relevanten Diesel-Akten und vor allem alle Messprotokolle der realen Abgas- wie CO2-Emissionen der vom Diesel-Abgasbetrug betroffenen Fahrzeuge veröffentlicht werden. Die DUH klagt seit fast vier Jahren auf deren Offenlegung und hat in allen Instanzen die Verfahren gewonnen. Das BMVI und KBA weigern sich jedoch unter Hinweis auf die Dieselkonzerne, die Urteile umzusetzen.

3. Die deutschen Autokonzerne verpflichten sich noch vor Eröffnung der IAA, an allen 11 Millionen Diesel-Pkw der Abgasstufe Euro 5+6 eine für die Besitzer kostenfreie Hardware-Nachrüstung durchzuführen. Diese Fahrzeuge sind von Diesel-Fahrverboten im In- wie Ausland befreit.

4. Die Autokonzerne verpflichten sich zur Einstellung der Entwicklung bzw. einem Verkaufsstopp von besonders klimaschädigenden SUV-Modellen.

Was die Bundesregierung im September im Klimakabinett beschließen muss

5. Klares Signal an die Autokonzerne und Sicherstellung einer ausreichenden Nachfrage: Keine Neuzulassung von reinen Verbrenner-Pkws in Deutschland ab dem 1.1.2025.

6. Umstrukturierung des Kraftfahrt-Bundesamts: (Rück-)Übertragung der Zuständigkeit für die Kontrollen zur Einhaltung von CO2- oder Abgasvorschriften im realen Betrieb auf der Straße an das Umweltbundesamt.

7. Verhängung von 5.000 Euro Ordnungsstrafe pro Betrugsdiesel gegenüber allen in- wie ausländischen Herstellern bzw. Importeuren und damit einhergehend auch Beendigung eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU.

8. Beendigung der Täuschung von aktuell über 3 Millionen Fahrzeugkäufern, denen die CO2-Emissionen erst nach der Zulassung mit dem Kfz-Steuerbescheid mitgeteilt werden.

9. Unmittelbar wirksame Anreize für die Automobilindustrie, effiziente und attraktive batterieelektrische Fahrzeuge zu entwickeln: Beendigung der Dieselkraftstoff-Subventionierung sowie eine Änderung der Kfz-Steuer mit einer Bonus-Malus-Regelung entsprechend der realen CO2-Emissionen.

10. Einführung eines Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen, Tempo 80 außerorts und Regelgeschwindigkeit von 30 km/h in der Stadt, um die Wettbewerbsfähigkeit von E-Fahrzeugen zu verbessern, aber auch, um die Digitalisierung bezüglich teilautonomer Fahrassistenzsysteme überhaupt erst zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.

11. Angesichts 60 Prozent gewerblicher Neuzulassungen in Deutschland: Keine Absetzbarkeit von Dienstwagen, deren CO2-Ausstoß höher ist als der jeweilige EU-Jahreszielwert. Bewertung insbesondere der Plug-In-Hybride an ihrem CO2-Ausstoß mit leerer Batterie.

Was der Verbraucher tun kann

12. Um ein klares Signal an die Industrie zu senden und die Automobilkonzerne zu unterstützen, die effiziente Elektrofahrzeuge anbieten: Die DUH ruft Verbraucher zu einem ‚Verbrenner-Fasten‘ auf, d.h. keine neuen Fahrzeuge mit reinem Verbrennungsmotors mehr zu kaufen. Idealerweise Verzicht auf einen Pkw und Nutzung von Bahn, Bus, Straßenbahn und Fahrrad. Falls dennoch ein Pkw angeschafft werden soll: Beschränkung auf Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb und niedrigem Stromverbrauch oder den Neukauf so lange herauszögern, bis ein geeignetes Fahrzeug mit alternativem Antrieb angeboten wird.



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