„Die Aufrüster halten sich für moralisch überlegen“

Nuhr und weitere prominente Unterzeichner des offenen Briefes zur Waffenhilfe an die Ukraine, gerichtet an Bundeskanzler Olaf Scholz, wehren sich gegen die teils heftige Kritik und untermauern ihren Standpunkt. „Die Aufrüster halten sich heute für moralisch überlegen. (...) [Sie] blenden dabei völlig aus, dass eskalierendes Verhalten bis in einen Weltkrieg führen kann", so der Kabarettist.
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Dieter Nuhr erregt immer wieder Kritik von verschiedenen Seiten.Foto: Marcel Kusch/dpa/dpa
Epoch Times5. Mai 2022


In einem offenen Brief kritisierte Kabarettist Dieter Nuhr gemeinsam mit 27 anderen Prominenten die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Daraufhin gab es scharfe Kritik.

Der Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, meldet sich auf Twitter zu Wort. „Diese Prominenten, die der Ukraine schwere Waffen verwehren wollen und damit dem Mörder Putin nur in die Hand spielen, damit er [ukrainische] Frauen und Kinder zerbomben kann, haben das Prinzip ‚Nie wieder‘ mit Füßen getreten. Nichts aus der Geschichte gelernt. Traurig“. An Alice Schwarzer gewandt äußert der Botschafter weiterhin:


Harsche Kritik äußerte auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

 

Appell an die zivilisierte Welt

Jetzt verteidigen Dieter Nuhr und weitere Unterzeichner ihre Position. So bezeichnete Nuhr die Berichterstattung über den offenen Brief an den Bundeskanzler als „unangemessen, irrational und teilweise leider auch verlogen“ und „[s]ie schreit förmlich nach einer Klarstellung“. Denn das in dem offenen Brief Geschriebene sei leider „allzu häufig bis zur Unkenntlichkeit verdreht“, schreibt Nuhr auf Facebook.

In diesem Zusammenhang bemängelt Nuhr die Berichterstattung der Medien: „Es passiert leider immer öfter, dass selbst in ehemals seriösen Medien Beleidigungen mit Argumenten verwechselt werden.“ Er stellt klar: „Weder wurde im Brief gefordert, dass sich die Ukraine widerstandslos ergeben sollte, wie den Unterzeichnern, also auch mir vorgeworfen wurde, noch stand im Brief irgendetwas davon, dass die Unterzeichner die russische Kriegsschuld anzweifeln oder irgendwelche Sympathien für Putin hätten.“

Die Forderung beschränke sich darauf, „alles zu unterlassen, was eine Ausweitung des Konflikts auslösen könnte. Dies habe ich unterschrieben.“ Dieser Meinung seien laut Umfragen die Hälfte der Bevölkerung der Bundesrepublik, führt Nuhr weiter aus. Er plädiere für Vorsicht und Abwägung.

„Wer gestern noch radikaler Pazifist war, blendet heute selbst atomare Gefahren einfach aus, weil er die Moral auf seiner Seite weiß, das ist gefährlich. Aus Friedensbewegten werden Kriegstaktiker.“ Weitere Waffenlieferungen würden „den Krieg auf eine neue Stufe heben und die Zahl der Toten in die Höhe treiben“. Die zivilisierte Welt solle den Dialog mit Russland suchen, um einen Atomkrieg unbedingt zu verhindern.

Sorgen um Eskalation

„Es ist nicht das erste Mal, dass der ukrainische Botschafter Ungeheuerliches sagt“, kritisiert Alice Schwarzer Botschafter Melnyks Reaktion auf ihren offenen Brief an Olaf Scholz.

Sie wies die Kritik an dem offenen Brief zurück, mit dem sie und andere Prominente vor einem dritten Weltkrieg infolge der Waffenhilfe für die Ukraine warnen. Aus Sorge vor einer Eskalation habe sie den Brief unterzeichnet.

„Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich ernsthaft von der Gefahr eines neuen Weltkriegs überzeugt“, sagte die Publizistin am Sonntagabend in der Bild-Talksendung „Die richtigen Fragen“. Zwar sei Hilfe für die Ukrainer bei der Selbstverteidigung richtig, doch gehe es „um die sehr schwierige Grenzziehung zwischen Unterstützung zur Verteidigung und Lieferung von Waffen, die von Herrn Putin als Angriffswaffen verstanden werden können“.

Der einzige Profiteur: die Rüstungsindustrie

Die Schriftstellerin Juli Zeh rechtfertigte das Schreiben in einem Interview mit der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ).

„Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir Putin mit Waffenlieferungen ‚stoppen‘ können.“ Zurückliegende Konflikte hätten immer wieder gezeigt, „dass Waffenlieferungen das Leid der Zivilbevölkerung häufig nicht mindern, sondern Kriege verlängern, intensivieren und ausdehnen können“.

Schauspieler Edgar Selge wies im Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ auf seine Sorge hin, dass bei fortgesetzten Waffenlieferungen die Ukraine schwersten Zerstörungen entgegensehe.

„Schwere Waffen zu liefern, hat (…) eine Alibifunktion, es beruhigt unser Gewissen und heizt zudem die Rüstungsspirale auf der ganzen Welt an, mit unübersehbaren Folgen für die Ukrainer und irgendwann auch für uns alle.“ Unzählige Menschenleben, der massive Druck der Industrie und Wirtschaft stehen auf dem Spiel. Und: „Die Einzigen, die davon wirklich profitieren, sind die Rüstungsproduzenten.“

Eine Petition, die sich ebenfalls an die Adresse von Bundeskanzler Olaf Scholz wendet, hat am Mittwoch auf Change.org bereits mehr als 210.000 Unterzeichner erreicht. (bs)



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