„Die Bürger haben sich nicht mit Schlagworten abspeisen lassen“

Nach der Wahlniederlage seiner Partei fordert CDU-Außenexperte Norbert Röttgen einen umfassenden Erneuerungsprozess. Armin Laschet habe die Akzeptanz als Kanzlerkandidat gefehlt - das wisse er selbst.
Titelbild
Norbert Röttgen.Foto: Andreas Gora - Pool/Getty Images
Epoch Times2. Oktober 2021

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen hat nach dem Zustandekommen einer neuen Bundesregierung eine Aufarbeitung der schweren Niederlage der Union bei der Bundestagswahl angemahnt.

Dieser Prozess müsse stattfinden, egal ob die Union an der Regierung beteiligt sein werde oder in die Opposition gehe, sagte Röttgen dem „Tagesspiegel“. „Wenn das klar ist, müssen wir auch über eine personelle Neuaufstellung sprechen.“

„Partei, Fraktion, Inhalte, Kommunikation, Personal“

Man müsse jetzt ehrlich das aussprechen, was ohnehin jeder wisse: „Die fehlende Akzeptanz des Kandidaten war der Hauptgesprächsgegenstand im Wahlkampf. Das weiß auch Armin Laschet.“ Röttgen betonte demnach mit Blick auf den CDU-Vorsitzenden, es reiche jetzt aber nicht, „nur eine Person auszuwechseln“. Der Erneuerungsprozess müsse umfassend sein: „Partei, Fraktion, Inhalte, Kommunikation, Personal.“

Die CDU/CSU war bei der Bundestagswahl am Sonntag auf den Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Die SPD wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft. Beide streben nun jeweils ein Bündnis mit Grünen und FDP an.

Röttgen machte klar, dass Laschet aus seiner Sicht die anstehenden Gespräche führen solle: „Zum jetzigen Zeitpunkt geht es darum, dass wir gesprächsbereit und gesprächsfähig sein müssen. Das tun wir in der personellen Ausgangslage, die die Partei gewählt hat.“ Aber: „Das Prä der Regierungsbildung liegt bei der SPD als stärkster Kraft.“

„Bürger nicht abspeisen“

Mit Blick auf den Wahlkampf kritisierte Röttgen: „Uns muss klar sein, dass wir die Bürgerinnen und Bürger nicht mit Schlagworten abspeisen können, die keine inhaltliche Idee erkennen lassen. Wir müssen weg von der Schlagwortebene, von „Modernisierung“ und „Entfesselung“ und „Ökonomie plus Ökologie“, hin zu einer konkreten Ebene. Denn die Menschen spüren ja ihre Ängste und Erwartungen ebenfalls konkret.“

Röttgen fügte zudem an, Laschet habe auf das falsche Team gesetzt. „Das ist ein Teil der Tragödie.“ Röttgen: „Grundsätzlich ist es gut, wenn wir Expertise von außen dazu holen, aber im Wahlkampf müssen Politiker der Union für christdemokratische Kernthemen wie innere und äußere Sicherheit stehen – und nicht ein Professor aus London“, sagte er mit Blick auf Laschets Wahl, den Terrorismusexperten Peter Neumann in sein Zukunftsteam zu holen. Vor Röttgen war bereits der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz hart mit seiner Partei ins Gericht gegangen.

Merz hält sich Kandidatur für CDU-Chefposten offen

Merz hält sich einem Bericht zufolge unter bestimmten Bedingungen nun auch eine erneute Kandidatur für den Vorsitz seiner Partei offen.

Bei einer Mitgliederbefragung oder Basiswahl werde er wieder antreten, da die Unterstützung an der Basis weiterhin sehr hoch sei, berichtete die „Bild“ unter Berufung auf das Umfeld von Merz. Dass bei der nächsten Vorsitzendenwahl die Basis befragt werden müsse, stehe für Merz fest. Auf keinen Fall dürfe erneut ein Parteitag gegen die Mitglieder stimmen, hieß es.

Merz selbst twitterte: „Wir haben einen gewählten Vorsitzenden und ich unterstütze ihn bei seinen Bemühungen, eine Koalition mit FDP und Grünen aufzustellen. Alle anderen Fragen stellen sich derzeit nicht, sie sind rein spekulativ.“

Der Funke Mediengruppe hatte Merz zuvor gesagt, er richte sich jetzt darauf ein, „ein normaler und hoffentlich guter Abgeordneter zu sein“. „Ich habe mich zweimal um den Parteivorsitz beworben, jeweils mit Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der CDU-Mitglieder, die auch weiterhin ungebrochen ist. Trotzdem hat der Parteitag zweimal anders entschieden“, sagte Merz den Funke-Zeitungen. „Mein Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment ist gedeckt.“

Derweil wird der Ruf nach mehr Mitgliederbeteiligung in der Union lauter. „Um die Einbindung der Mitglieder werden wir bei der nächsten Entscheidung über den Vorsitz nicht herumkommen“, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) der „Bild“. Das sieht Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß auch so: „Die nächsten Personalentscheidungen müssen unbedingt unter stärkerer Einbeziehung der CDU-Mitglieder erfolgen.“

Merz hat im Ringen um den Parteivorsitz bereits zwei Niederlagen erlitten. 2018 war er in einer Stichwahl Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen, Anfang des Jahres Armin Laschet. (dpa/oz)



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