Die Quittung: Menetekel für Merkel – Ein Jahr nach „Wir schaffen das“ und der Grenzöffnung

Genau vor einem Jahr, in der Nacht vom 4. auf den 5. September 2015, hatte Merkel Tausende in Ungarn festsitzende Flüchtlinge unbürokratisch und ohne große Kontrollen nach Deutschland einreisen lassen. Heute gab es die Quittung.
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Merkel verfolgt die Landtagswahl beim G20-Gipfel im ostchinesischen Hangzhou.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Epoch Times4. September 2016

Es ist ganz still im Konrad-Adenauer-Haus. Kein Raunen, kein Stöhnen. Wie immer an einem Wahlsonntagabend klettern die Balken für die Ergebnisprognosen von ARD und ZDF um Punkt 18.00 Uhr in die Höhe.

Doch diesmal ist es anders. Schlimmer. Auch wenn sich die Christdemokraten längst an schrumpfende Prozentzahlen gewöhnt haben dürften – dass die rechtspopulistische AfD an der CDU vorbeizieht, hat man in der CDU-Zentrale noch nicht gesehen. Ein Jahr vor der Bundestagswahl. Ausgerechnet im Nordosten, wo Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel ihre politische Heimat und ihren Bundestagswahlkreis hat.

Tiefschlag von Bedeutung: Ältere CDU-ler sind frustriert

Es ist ein Tiefschlag von bundespolitischer Bedeutung, den die Partei jetzt zu verarbeiten hat. Doch auch wenn die CDU-Anhänger in der Parteizentrale leise leiden: Eine Runde älterer Parteimitglieder, alle seit Jahrzehnten in der CDU, lässt den Frust raus. Von einem „Schlag ins Kontor“ ist die Rede.

Und davon, dass Merkel nicht mehr ihre Kanzlerkandidatin sei. Sie habe sich nicht überlegt, welche Nachwirkungen ihre Flüchtlingsentscheidung von vor einem Jahr haben könnte, klagt eine ältere Dame. Es sei schlicht „traurig, dass kein Parteivorsitzender mal an einen Nachfolgekandidaten denkt“.

Auch wenn der komplette Dammbruch ausgeblieben ist – dass die AfD mit ihren Anti-Flüchtlingsparolen vor der Kanzlerinnenpartei liegt, ist ein erneutes Warnzeichen für Merkel, sozusagen ein Menetekel.

Und das ausgerechnet an einem solch symbolhaften Datum: Genau vor einem Jahr, in der Nacht vom 4. auf den 5. September 2015, hatte Merkel Tausende in Ungarn festsitzende Flüchtlinge unbürokratisch und ohne große Kontrollen nach Deutschland einreisen lassen. Seither wächst die Kritik an Merkel, ihre Beliebtheitswerte brechen ein.

Dass die AfD im Bund nun auch noch im Emnid-Sonntagstrend für die „Bild am Sonntag“ mit 12 Prozent hinter der Union und der SPD auf Platz drei liegt, dürfte den Skeptikern in den eigenen Reihen weiter Auftrieb geben. Ganz zu schweigen von CSU-Chef Horst Seehofer.

Da hilft nichts, dass die in Mecklenburg-Vorpommern regierende SPD an diesem Sonntag noch etwas stärker verloren hat als die CDU. In der CDU setzen sie nun darauf, dass die SPD unter Ministerpräsident Erwin Sellering die rot-schwarze Koalition geräuschlos fortsetzen möchte.

Kein Versuch, die Lage schön zu reden

CDU-Generalsekretär Peter Tauber versucht erst gar nicht, die Lage schön zu reden. Die Menschen hätten Angst und das Gefühl, abgehängt zu sein. „Es ist uns nicht gelungen, diese Angst zu zerstreuen.“ Zwar habe man Asylpakete und Integrationsgesetze verabschiedet, und weniger Flüchtlinge kämen außerdem. Wahr sei aber auch, dass es Zeit brauche, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Die Partei müsse nun stärker ihre Politik erklären und deutlich machen, dass man bei der Problemlösung vorankomme. Ob das reicht?

Merkel ereilen die miesen Zahlen beim G20-Gipfel in Ostchina. In Hangzhou, einer der schönsten Städte des Landes. Die Chinesen sagen, hier sei das Paradies auf Erden – nicht für Merkel an diesem Abend. Als sie die Prognosen von 18.00 Uhr sieht, ist es im 8500 Kilometer entfernten Hangzhou Mitternacht.

Eigentlich müsste sich die Kanzlerin an diesem Sonntag klonen können, um beides zu leisten: sicher auf dem rutschigen Weltparkett aufzutreten, und stark dem in Mecklenburg-Vorpommern so gebeutelten CDU-Landesverband und der Parteizentrale in Berlin zur Seite zu stehen. Merkel steht zwar den ganzen Sonntag über in Kontakt zum Adenauer-Haus in Berlin und zur Spitze der Nordost-CDU.

Doch vor allem ringt sie um Lösungen für Krieg und Krisen, während die CDU-Hiobsbotschaften von der Ostsee auf ihrem Handy in China aufploppen. An diesem Abend kommt quasi ein ganz persönlicher Regionalkonflikt dazu: Mecklenburg-Vorpommern.

Schlappe für Merkel – die nächste Wahl ist in Berlin, in zwei Wochen

Für Merkel ist der Ausgang der Landtagswahl eine Schlappe. Zwar kann das schlechte Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur bei ihr verortet werden, denn immerhin steht sie selbst dort nicht zur Wahl. Aber es ist ihr Heimatverband, und die Landes-CDU hat im Wahlkampf mit Merkels Flüchtlingspolitik schwer zu kämpfen gehabt.

So stellt sich auch nun wieder die Frage nach Merkels Zukunft. Tritt sie bei der Bundestagswahl 2017 das vierte Mal als Kanzlerkandidatin an, wenn sie erlebt, wie ihr Rückhalt in der Bevölkerung schwindet? Der nächste Test ist schon in zwei Wochen, wenn in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wird. Die Entscheidung über ihre Kandidatur dürfte zum CDU-Bundesparteitag in Essen im Dezember fallen.

Wenn sie dort nach gut 16 Jahren als Parteichefin für weitere zwei Jahre kandidiert, wird sie das mit der Kanzlerkandidatur verbinden. Es gibt nur wenige, die darauf wetten, dass sie aufhören will. Denn sie wolle sich nicht nachsagen lassen, dass sie das Land ungeordnet zurückgelassen hat, heißt es intern. Doch manche, die Merkel sehr gut kennen, sagen, dass man sich nicht täuschen solle. Wenn sie das Gefühl habe, für das Land und die Partei nicht mehr die Richtige zu sein, werde sie verzichten. (dpa)



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