Koalition setzt Union-Wahlrechtsreform gegen den Widerstand der gesamten Opposition durch

Harsche Kritik fand die, mit den Stimmen der Regierungskoalition, durchgebrachte Wahlrechtsreform der CDU/CSU bei den Oppositionsparteien. 2025 soll dann eine größere Reform folgen.
Titelbild
Blick in den Bundestag in Berlin.Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Epoch Times9. Oktober 2020

Nach jahrelangen ergebnislosen Debatten über eine Verkleinerung des Bundestags hat die große Koalition gegen den Widerstand der Opposition eine Wahlrechtsreform durchgesetzt.

FDP, Linke und Grüne lehnten den Entwurf von CDU/CSU und SPD strikt ab, weil er aus ihrer Sicht völlig untauglich ist, um die angestrebte Verkleinerung des auf 709 Abgeordnete angewachsenen Parlaments zu erreichen. Die Koalitionsfraktionen brachen mit ihrem Vorgehen auch mit der Tradition, Änderungen am Wahlrecht möglichst mit breiter Mehrheit zu verabschieden.

FDP-Innenpolitiker: „Wahlrechtsänderung wirft verfassungsrechtliche Fragen auf“

„Es wird keinen Dämpfungseffekt geben“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, voraus. Sie sprach von „Flickschusterei“. Die Koalition sei „kläglich gescheitert“, sagte sie. „Der Entwurf ist objektiv ungeeignet, den Bundestag zu verkleinern. Er wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, die völlig ungeklärt sind“, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Der entscheidende Hebel, eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise, fehle zunächst.

Dagegen betonte Philipp Amthor von der CDU: „Wir haben ein faires, ein verfassungskonformes Modell gefunden.“ Und: „Wir sehen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung entspannt entgegen.“ Der SPD-Abgeordnete Mahmut Özdemir nannte das Gesetz eine „ehrliche Lösung, weil sie den wenigsten Schaden anrichtet, weil sie wirksam ist, weil sie verbindlich ist, weil sie verständlich ist“.

Linken-Politiker: „Sechs von sieben Fachleuten erklärten Gesetzentwurf für wirkungslos“

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wurde mit 362 Ja- und 281 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. CDU/CSU und SPD haben zusammen 398 Sitze im Bundestag. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken fand ebenso keine Mehrheit wie ein AfD-Entwurf.

In der Debatte wies der Linken-Politiker Friedrich Straetmanns darauf hin, dass bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags sechs von sieben Fachleuten den Gesetzentwurf für wirkungslos erklärt hätten. „Der Bundestag wird nach Ihrem Wahlrechtsreförmchen und mit der Zahlengrundlage aller aktuellen Umfragen noch deutlich weiter wachsen, auf über 800 Abgeordnete.“

AfD-Politiker: „Zusammengenageltes Stückwerk ist keine Reform“

Albrecht Glaser von der AfD meinte, einen „Totalverriss“ wie in der Anhörung habe er noch nicht gehört. Drei Jahre habe die Koalition jede Reform verhindert. „Und das jetzt zusammengenagelte Stückwerk ist keine Reform.“

FDP, Linke, Grüne und AfD konnten sich auch durch ein am Donnerstag bekannt gewordenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bestätigt fühlen. Es bescheinigt dem Modell von CDU/CSU und SPD eine nur geringe Wirkung. Bezogen auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wäre damit eine Absenkung der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen, heißt es darin. Die Regelungen hätten also „eine Ersparnis von bis zu 27 Abgeordneten gebracht“. Die Normgröße des Bundestags beträgt 598 Sitze. Auch warf das Gutachten verfassungsrechtliche Unsicherheiten beim Wahlrechtsreform-Entwurf der Union auf.

Größere Reform soll 2025 folgen

Nach dem Koalitionsentwurf soll es bei der Wahl in einem Jahr bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleiben. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Und beim Überschreiten der Regelgröße von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.

Eine größere Reform – dann auch mit einer Reduzierung der Wahlkreise – soll es nach dem Willen der Koalition erst für die Wahl 2025 geben. Dazu soll eine Reformkommission aus Wissenschaftlern, Abgeordneten und weiteren Mitgliedern eingesetzt werden, die spätestens bis zum 30. Juni 2023 ein Ergebnis vorlegen soll. (dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion