Digital baden gehen

Mit der App an den Badesee. Ein Erlebnisbericht aus der Warteschlange.
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Ohne digitale App kein Eintritt?Foto: iStock
Epoch Times4. Juni 2022

Die Sonne scheint von einem fast wolkenlosen Himmel und taucht den Badesee im Herzen Hessens in eine vorsommerliche Atmosphäre. An der Kasse hat sich an diesem Sonntag eine Schlange gebildet, noch übersichtlich, vielleicht 30 Menschen vom Säugling bis zum Senior reihen sich hintereinander, um eine Eintrittskarte zu kaufen.

Im Hochsommer sind das schon mal locker dreimal so viele. Wer sich dann im kühlen Nass erfrischen will, muss Geduld mitbringen. Drei Euro kassiert die Stadtverwaltung, zu der der See gehört.

Bis zur Corona-Krise war der Abrechnungsmodus ein seit vielen Jahren bewährter. Gegen Bares gab es Eintrittskarten aller Art, vom Tagesticket über das Familienbillett bis hin zur Besuchsberechtigung für die ganze Saison.

Umständliches Hantieren am Computer

Doch seit zwei Jahren ist das anders. Auch an der Kasse am See hat das bargeldlose Bezahlen Einzug gehalten.

Wer seine Karte über Paypal kauft und die Transaktion über sein Handy abschließt, erhält einen QR-Code, den ein Angestellter eines Sicherheitsdienstes scannt und den Inhaber passieren lässt. Die städtischen Bediensteten sind verschwunden, stattdessen hat die Stadtverwaltung die Arbeit extern vergeben.

An der Kasse sitzt ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und hantiert an einem Computer herum. Das Ganze wirkt umständlich, der Mann ist genervt. Irgendwie erweckt es den Eindruck, dass die Verzögerungen gewollt sind, um zu zeigen, wie überholt der klassische Ticketkauf ist. 

„Wer noch keine Karte hat, wartet hier mindestens 20 Minuten“, ruft der Mann in die Runde der Wartenden. Einzelne Badegäste scheren aus der Schlange aus und entschließen sich kurzerhand zum Kauf eines Online-Tickets. Das scheint tatsächlich ruckzuck zu gehen – solange man ausreichend mobile Daten hat.

Schon nach drei, vier Minuten passieren zwei junge Frauen und ein Mann die Kontrolle, während sich die Warteschlange langsam weiterbewegt. Die in Aussicht gestellten 20 Minuten Wartezeit sind stark übertrieben. Obwohl der Mann an der Kasse unbeholfen den Computer bedient und sein Tun mit gelegentlichen leisen Flüchen kommentiert, gehts doch wesentlich flotter. 

Stadtverwaltung schafft klassischen Kartenverkauf ab

Dann ist eine Familie an der Reihe und möchte eine Saisonkarte. Der Mann vom Sicherheitsdienst kommt sichtlich an seine Grenzen. „Das dauert mindestens zehn Minuten“, presst er genervt hervor.

Ein Blick auf die Reihe hinter der Familie soll den Kaufwilligen wohl ein schlechtes Gewissen vermitteln. „Können Sie das nicht über Paypal kaufen?“, fragt er. „Wir haben keine Handys mit“, antwortet der Vater von zwei Knirpsen schulterzuckend.

Eine kurze Diskussion beginnt, man einigt sich auf den Kartenkauf, wenn an der Kasse nichts mehr los ist. Die Familie darf passieren. Nun bin ich an der Reihe. Ein Einzelticket geht flott, ich darf sogar noch bar bezahlen.

Ein Ticket bekomme ich allerdings nicht mehr. Offen bleibt auch meine Frage, warum das mit dem Familienticket angeblich so lange dauert. Meinen Rat, zum alten System mit den Abreißkärtchen zurückzukehren, kommentiert der Mann wie folgt: „Das ist von der Verwaltung nicht mehr gewollt.“ (os)



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