Digitalisierung: Videoaufzeichnungen von Strafprozessen werden Pflicht

Die Digitalisierung ist bei der Justiz angekommen. Strafgerichtliche Hauptverhandlungen müssen künftig digital dokumentiert werden. Doch erst bis 2030 müssen die Gerichtssäle mit Kameras ausgestattet sein.
Titelbild
Fernsehkameras hinter der Anklagebank vor einer Pressekonferenz in einem Gerichtssaal des Landgerichts in Magdeburg. Symbolbild.Foto: RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images
Epoch Times24. November 2022

Videoaufzeichnungen in Gerichtssälen sollen künftig Standard werden. Ab dem 1. Januar 2030 sollen erstinstanzliche Hauptverhandlungen, die vor dem Oberlandesgericht oder Landgericht stattfinden, in Bild und Ton dokumentiert werden. Das sieht ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vor.

Die Aufzeichnungen ersetzen weder das formale Protokoll noch sind sie mit einer Live-Sendung zu verwechseln, betont das Ministerium. Vielmehr dienen sie als zusätzliches Arbeitsmaterial für Richter und Anwälte und stehen nur den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung. Die Aufnahmen sind „zu löschen, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder sonst beendet ist“, so das Justizministerium.

Das Problem bisher

Bisher besteht das Problem, dass nicht alle Inhalte der Hauptverhandlungen im schriftlichen Protokoll festgehalten werden können. Meist greifen Richter und Anwälte deshalb selbst zum Stift, um sich eigene Notizen zu machen. Diese Gedächtnisstütze gilt als weder objektiv noch zuverlässig.

Nicht auszuschließen ist bisher, dass der Richter eine Aussage schlicht überhört oder wesentliche Punkte nicht notiert. Auch könnten sich die Verfahrensbeteiligten durch die Mitschrift nicht vollständig auf das Geschehen in der Verhandlung konzentrieren. Die Videoaufzeichnung soll dem entgegenwirken und eine zuverlässigere Dokumentation ermöglichen, heißt es im Referentenentwurf.

Damit gezielte Inhalte schneller gefunden werden können, soll die Tonaufzeichnung außerdem automatisch in ein Textdokument umgewandelt werden. Dies geschieht mittels einer Transkriptionssoftware. Problematisch wird es nur bei Personen mit starkem Dialekt.

Technik und ihre Tücken

Techniken, wie hilfreich sie auch sein können, haben doch ihre Tücken. So werden zahlreiche Bedenken laut, insbesondere wenn es um Persönlichkeitsrechte der Beteiligten geht. Das Justizministerium betont, dass diese Rechte bei dem Verfahren gewahrt bleiben und verwies auf verfahrensrechtliche und materiell-strafrechtliche Regelungen.

Es gebe zudem technische Maßnahmen, wie etwa die Wahl der Aufnahmeperspektive oder die Verpixelung von Personen, die nicht identifiziert werden sollen, heißt es in dem Entwurf weiter. Gerade bei Sexualstraftaten und Gewaltverbrechen könnten Videoaufzeichnungen für die Opfer belastend sein.

Und was, wenn die Technik einmal streikt? In diesem Fall sieht der Entwurf vor, dass die Fortsetzung der Verhandlung Vorrang hat, damit der gesamte Strafprozess nicht in die Länge gezogen wird.

Kritischer ist die Frage nach den Kosten. Die Ausstattung der rund 600 Gerichtssäle mit der notwendigen Technik, das zusätzliche Personal sowie weitere Sachkosten – das alles wird nicht billig. Allein für die technische Ausstattung rechnet das Bundesjustizministerium mit einer Gesamtsumme von bis zu 18,9 Millionen Euro. Hinzu kommen jährliche Wartungs- und Entwicklungskosten von rund 6,24 Millionen Euro.

Justizminister Marco Buschmann hatte den Ländern für die kommenden Jahre 200 Millionen Euro für sämtliche Digitalisierungsvorhaben ihrer Justizbehörden in Aussicht gestellt. Nicht ausreichend, kritisierten die Länder. (dl)



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