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Greift Reform zu kurz?

DKG fordert Soforthilfe für Kliniken – Bertelsmann Stiftung warnt vor Hausarzt-Engpässen

Die Versorgungslage im deutschen Gesundheitssystem spitzt sich zu. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt vor einem flächendeckenden Kliniksterben – besonders in ländlichen Regionen. Gleichzeitig macht eine Studie der Bertelsmann Stiftung deutlich: Auch die Hausarztversorgung steht vor dem Kollaps.

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Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt vor einem Aus für zahlreiche Kliniken.

Foto: Ole Spata/dpa

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Lesedauer: 6 Min.

Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, hat vor massiven Versorgungsproblemen im Gesundheitsbereich gewarnt. Die stationäre Versorgung sei insbesondere in ländlichen Gebieten gefährdet. Er mahnt die zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag verankerten Soforthilfe für Kliniken an. Gleichzeitig schlägt die Bertelsmann Stiftung Alarm und weist auf immer größere Lücken bei der Hausarztversorgung hin.

Chef der DKG mahnt Soforthilfe noch vor der Sommerpause an

Im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ weist Gaß am Mittwoch, 11. Juni, darauf hin, dass seit Anfang 2022 nicht weniger als 80 Kliniken Insolvenz angemeldet hätten. Betroffen davon sind Standorte im gesamten Bundesgebiet, schwerpunktmäßig jedoch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern.
Dabei betreffen die Insolvenzen sowohl städtische als auch ländliche Regionen. Letztgenannte gelten jedoch als besonders stark gefährdet, weil dort regelmäßig weniger alternative Versorgungsstrukturen existieren. Gaß zufolge würden derzeit 80 Prozent aller bundesweiten Kliniken rote Zahlen schreiben. Der Verbandschef ruft die Koalitionspartner dazu auf, ihre Ankündigungen bezüglich einer Soforthilfe zügig umzusetzen:
„Die Kliniken brauchen eine Soforthilfe von vier Milliarden Euro, um die Kostensteigerungen seit 2022 aufzufangen. Vor allem Energie- und Personalkosten sind gestiegen.“
Der Vorsitzende der DKG unterstreicht, dass ein Beschluss zur Unterstützung noch vor der Sommerpause erforderlich sei. Andernfalls drohe bereits kurzfristig ein Wegfall von Versorgungsangeboten.

Kommunale Kliniken in ihrem Bestand sicherer

Gaß weist darauf hin, dass es regelmäßig externe Wirtschaftsprüfer seien, die derzeit an den Abschlüssen der Krankenanstalten von 2024 arbeiteten. Auf deren Einschätzungen komme es an, wenn es darum gehe, diesen eine Fortführungsperspektive zu bescheinigen. Sei dies nicht der Fall, sei das wirtschaftliche Aus vorgezeichnet:
„Wenn Banken dann ihre Kredite stoppen, wird es noch mehr Insolvenzen geben. Banken geben sich nicht mit einem Koalitionsvertrag als Sicherheit zufrieden.“
Kommunale Einrichtungen stünden dabei noch besser da als Kliniken privater oder freigemeinnütziger Träger. Die Städte und Landkreise seien häufig in der Lage, Verluste aufzufangen. Kleine oder mittlere Krankenanstalten, insbesondere auf dem Land, seien hingegen häufig akut bedroht.

DKG sieht in Lauterbach-Reform keine substanzielle Hilfe

Nach Auffassung der DKG stelle die von Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg gebrachte Krankenhausreform keine Erleichterung dar. Sie würde bei vielen Kliniken die Lage noch verschärfen. Die sogenannte Vorhaltefinanzierung reiche bei weitem nicht aus, um die anfallenden Kosten zu decken. Außerdem verfehle sie ihr definiertes Ziel der Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung.
Die Erlöse der Krankenanstalten hingen nach wie vor stark von der Anzahl der behandelten Patienten ab, gab die DKG bereits im Vorjahr zu bedenken. Auch für eine Sicherung der Existenz der Grundversorgung auf dem flachen Land reiche sie nicht aus. Sie gleiche den Erlösrückgang aufgrund sinkender Patientenzahlen und Verlust von Leistungsgruppen nicht aus.

Sechs Milliarden Euro Gesamtdefizit erwartet

Gleichzeitig helfe sie auch einer Spezialisierung nicht weiter. Wachsende Standorte hätten im Vergleich zum vorhergehenden Finanzierungssystem sogar Erlösnachteile. Für größere Krankenanstalten bringe die Vorhaltefinanzierung keine relevanten Impulse. Insgesamt sei für 2025 ein Gesamtdefizit der deutschen Kliniken in Höhe von sechs Milliarden Euro zu erwarten.
Der Verband zitiert eine Umfrage, der zufolge 60 Prozent der Regel- und Schwerpunktkliniken und sogar 80 Prozent der Grundversorger nicht damit rechneten, die Vorgaben erfüllen zu können. Nach Einschätzung von DKG-Chef Gaß drohten schon bald Wartelisten, das Aus für Behandlungsangebote, Versorgungslücken und sogar weitere Schließungen von Klinikstandorten, sollte eine nachhaltige Finanzierung nicht gesichert sein.

Bertelsmann Stiftung warnt vor Versorgungsengpässen bei Hausärzten

Aus Sicht der Krankenhausgesellschaft verschärfe die wachsende Zahl hochbetagter Behandlungsbedürftiger die Lage. Diese benötigten oft hochkomplexe Behandlungen und intensive Betreuung, während das Personal knapp sei. Die DKG fordert eine gezielte Ausweitung ambulanter Leistungen und effizientere Versorgungsstrukturen, um nach Möglichkeit Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.
Außerdem benötigten die Kliniken Unterstützung bei der Vorbereitung auf klimabedingte Unwägbarkeiten wie Hitzewellen oder Starkregen. Der Verband vertritt die Interessen von derzeit 1.887 Kliniken in Deutschland. Pro Jahr finden in diesen stationäre Behandlungen von etwa 17 Millionen Menschen statt.
Zunehmend prekär stellt sich jedoch auch die Situation bei den Hausärzten dar. Die Bertelsmann Stiftung präsentierte jüngst eine Umfrage, der zufolge sich jeder vierte Hausarzt in Deutschland bis 2030 zur Ruhe setzen wolle. Außerdem wollen zahlreiche weitere Hausärzte ihre Wochenarbeitszeit im Schnitt um zweieinhalb Stunden verringern.

Bürokratie statt Kontakt zu Patienten

Die Stiftung geht davon aus, dass sich die Zahl der unbesetzten Hausarztstellen von derzeit 5.000 in dieser Zeit verdoppeln wird. Die Mediziner nennen Arbeitsbelastung und Bürokratie als Hauptgründe für ihre Rückzugsgedanken. Nur etwa 80 Prozent ihrer Arbeitszeit hätten tatsächlich mit Sprechstunden und Hausbesuchen zu tun, so das Ergebnis der Erhebung. Der Rest bestehe aus Verwaltungstätigkeiten, Fortbildung oder Berichtswesen.
Die Bertelsmann Stiftung mahnt eine bessere Steuerung der Patientenströme an – auch durch eine stärkere Einbindung bei der Eröffnung des Zugangs zu Fachärzten. Dazu müsse es Verbesserungen in Bereichen wie der Digitalisierung der Diagnostik und Behandlungsabläufe geben. Etwa ein Viertel der Befragten klagte über tägliche Probleme mit der Software in den Praxen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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