Drohender XXL-Bundestag – knapp 1000 Abgeordnete möglich

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Deutscher Bundestag.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Epoch Times11. September 2021

Der Bundestag wächst von Wahl zu Wahl. Beim letzten Urnengang kamen 78 Abgeordnete hinzu, wodurch das Parlament auf 709 Mandatsträgerinnen und -träger anwuchs. Auch bei dieser Wahl dürfte das Parlament nach Einschätzung von Experten nochmals größer werden – womöglich sogar deutlich. Verlässliche Vorhersagen sind aber wegen des komplizierten Wahlrechts vor dem 26. September kaum möglich.

Wie werden die Sitze auf die Parteien verteilt?

Die Bundesrepublik ist in 299 fast gleich große Wahlkreise eingeteilt, aus denen ein direkt gewählter Abgeordneter nach Berlin geschickt wird. Ausschlaggebend für die Stärke der Parteien im Parlament sind allerdings die Zweitstimmen. Vor der Wahl stellen die Parteien dafür in allen Bundesländern Listen mit Kandidaten auf. Über diese werden entsprechend der Zweitstimmenergebnisse weitere 299 Sitze des Bundestags besetzt.

Warum sind dann mehr als 598 Abgeordnete im Bundestag?

Dass der Bundestag seine Sollgröße überschreitet, hängt mit den sogenannten Überhangmandaten zusammen. Sie entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen. Diese zusätzlichen Mandate gab es bereits bei der ersten Bundestagswahl 1949, seit der Wiedervereinigung stieg die Zahl vor dem Hintergrund der Veränderungen in der Parteienlandschaft aber deutlich an.

Warum gibt es auch noch Ausgleichsmandate?

Von den Überhangmandaten profitierte zuletzt vor allem die Union (2017: 43 von 46 Überhangmandaten), während kleinere Parteien durch die Verzerrung des Zweitstimmenergebnisses einen Nachteil hatten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das geltende Wahlrecht deshalb für verfassungswidrig.

Als Lösung führte eine 2013 verabschiedete Reform einen Ausgleichsmechanismus ein: Dabei wird die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag solange erhöht, bis das Größenverhältnis der Fraktionen trotz der Überhangmandate wieder dem Zweitstimmenergebnis entspricht. Das führt aber zu einer nochmals höheren Zahl von Abgeordneten. 2017 gab es 65 Ausgleichsmandate.

Gab es vergangenes Jahr nicht eine Reform?

Ja, aber nur eine kleine. Sie wurde im Herbst 2000 mit den Stimmen von Union und SPD beschlossen. Dadurch werden drei Überhangmandate künftig nicht mehr ausgeglichen. Zudem sollen weitere Überhangmandate in begrenztem Umfang mit Listenmandaten derselben Partei in anderen Bundesländern verrechnet werden. Erst ab dem Jahr 2024 soll auch die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert werden, was die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate verringern dürfte.

Wie groß wird also der neue Bundestag?

Das hängt vom tatsächlichen Wahlverhalten ab – auch davon, ob viele Bürger ihre Erst- und Zweistimmen auf unterschiedliche Parteien verteilen. Diese Woche kam das Meinungsforschungsinstiut Forsa bei seiner aktuellen Wahlumfrage auf 796 Sitze – das wären nochmals 87 mehr bisher.

Die Bertelsmann-Stiftung hat extra einen Mandaterechner mit unterschiedlichen Szenarien auf Basis aktueller Umfragetrends ins Netz gestellt. Demnach ist auch ein „XXL-Bundestag“ mit 935 Abgeordneten „derzeit nicht auszuschließen“. Andere Szenarien gehen von 717 oder 822 Mandaten aus.

Wird es genügend Platz für die Abgeordneten geben?

Die Bundestagsverwaltung hält sich zu möglichen Plänen zur Unterbringung zusätzlicher Mandatsträger bedeckt. Ein großer Erweiterungsbau wird aber erst 2022 fertig. Ein genaues Datum gibt es nicht. Ein weiteres Gebäude aus vorgefertigten Holzmodulen soll immerhin im Dezember diesen Jahres fertig sein. Doch eigentlich würden die Büros schon Wochen vorher gebraucht, weil der neue Bundestag spätestens am 26. Oktober erstmals zusammentreten muss.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte schon 2019 vor der Wahlrechtsreform gesagt, zur Sicherheit habe seine Verwaltung „ein Genehmigungsverfahren für den Bau von Bürocontainern beantragt“. So sollten notfalls auch mehr als 800 Abgeordnete samt Mitarbeitern untergebracht werden können. Hierzu will sich die Bundestagsverwaltung vor der Wahl aber nicht mehr äußern. (afp/oz)



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