E-Scooter auf Busspur? Scheuers Vorschläge sind „lebensfremd“

"Chaotische Zustände auf den Busspuren" prophezeit FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung. Busse auf E-Scooter losfahren zu lassen, sei keine gute Idee.
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Die Freigabe von Busspuren für Pkw mit Fahrgemeinschaften und E-Tretroller sollte eigentlich Staus reduzieren. Ganz ungefährlich ist diese Maßnahme jedoch nicht.Foto: Arno Burgi/dpa
Epoch Times16. August 2019

Die geplanten Änderungen im Straßenverkehr stoßen bei vielen Experten auf Zustimmung – ein Punkt ruft allerdings weiter Kritik hervor: Die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgeschlagene Freigabe von Busspuren für Pkw mit Fahrgemeinschaften und E-Tretroller.

Die Vorschläge zur Nutzung von Busspuren für Pkws mit drei und mehr Insassen sind lebensfremd. Das lehnen wir ab“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, der Zeitung.

Auf den Busspuren sei „kein Platz für zusätzliche Pkws“.

Der FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung prophezeite in der Zeitung „chaotische Zustände auf den Busspuren“. Busse auf E-Scooter losfahren zu lassen, sei keine gute Idee. Die geplanten Strafen für Gaffer, die Rettungsgassen blockieren, hält Jung hingegen sogar noch für zu niedrig. Statt 320 Euro Bußgeld wäre ein „mehrmonatiges Fahrverbot“ effektiver, sagte er.

Auch Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther lehnt eine Öffnung von Busspuren für Autos ab. Pkw auf Busspuren seien nicht sinnvoll, sagte die Grünen-Politikerin der dpa. Busspuren sollen dem ÖPNV und den schon bestehenden wenigen Ausnahmen wie Fahrrädern, Taxis oder Krankenwagen vorbehalten bleiben. Eine Belastung durch Autos konterkariere ihren eigentlichen Zweck, den ÖPNV zu beschleunigen.

Gesteigerte Unfallgefahr

Auch Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, kritisierte die vorgesehene Freigabe der Busspur für Auto-Fahrgemeinschaften. „Die Unfallgefahr für Radfahrer und auch Nutzer von E-Scootern wird steigen. Durch die Änderung werden mehr Pkw die Busspur nutzen, obwohl sie es nicht dürfen“, sagte Brockmann der „Bild“.

Verantwortlich dafür seien sogenannte Nachzieheffekte. „Ein Autofahrer beobachtet, dass ein anderer die Busspur nimmt und weicht dann zum Beispiel im Stau selber auf sie aus.“ Um das zu vermeiden, müsste man auch die Strafen für die widerrechtliche Nutzung deutlich erhöhen und den Missbrauch auch ahnden, sagte Brockmann weiter.

„Wir sehen es kritisch, dass Autos mit Fahrgemeinschaften künftig auf Busspuren fahren sollen“, sagte die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Um das zu kontrollieren, wären viele Kameras nötig. Wir wollen aber kein dichtes Netz von Kameras. Das ist eine publikumswirksame Forderung, die nichts bringt.“

Kontrollen erforderlich

Ulrich Syberg, Chef des Deutschen Fahrradclubs ADFC, warnte: „Hohe Bußgelder nützen gar nichts, wenn nicht kontrolliert wird.“ Nötig seien im Ernstfall auch mehr Abschleppwagen, so Syberg.

Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Saarlands Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), begrüßte in der „Bild“ hingegen generell die geplanten Anhebungen der Bußgelder: „Härtere Strafen für Verkehrssünder sind nicht alles, aber ohne klare gesetzliche Regeln ist alles nichts. Natürlich müssen Falschparker und Verkehrsrowdys auch sanktioniert werden. Das macht die Polizei auch. Aber über das bisherige Bußgeldniveau lachen doch einige Wiederholungstäter.“

100 Euro Bußgeld für Falschparker

Wer unerlaubt in zweiter Reihe parkt oder auf Geh- und Radwegen, soll statt 15 Euro künftig bis zu 100 Euro zahlen. Der „grüne Pfeil“ beim Rechtsabbiegen soll künftig auch für Radfahrer gelten. Analog zu Tempo-30-Zonen für Autos sollen in Zukunft auch Fahrradzonen angeordnet werden können.

Scheuer hatte die Maßnahme mit mehr klimafreundlicher Mobilität begründet.

Die Deutsche Verkehrswacht begrüßt die geplanten Änderungen im Straßenverkehr – spricht sich aber zugleich für eine grundlegende Reform aus. „Dafür sollten Maßnahmen und Bußgelder unter Verkehrssicherheitsaspekten wissenschaftlich ausgewertet und priorisiert werden“, sagte ein Sprecher der dpa.

Sinnvolle Einzelmaßnahmen lösten nicht das Problem. Allerdings seien Scheuers Pläne ein Schritt in die richtige Richtung, weil sie die Sicherheit von Radfahrern in den Fokus rückten.

Besonders in Städten sind Radfahrer stark gefährdet durch hohes Verkehrsaufkommen, Fehlverhalten von Pkw- und Lkw-Fahrern und oft schlechter Infrastruktur“, so der Sprecher.

Er begrüßte es zugleich, dass „das Problem Rettungsgasse weiter angegangen wird“.

Radfahren als Mutprobe?

Lob für Scheuers Pläne gab es vom Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Bundestag, Cem Özdemir. „Höhere Bußgelder für Falschparker auf Radwegen und in zweiter Reihe sind längst überfällig – gut, dass Verkehrsminister Scheuer hier etwas tun möchte“, sagte der Grünen-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Jetzt muss er den Ankündigungen Taten folgen lassen und einen Verordnungsentwurf für die Reform der Straßenverkehrsordnung vorlegen.“

Bis die Straßenverkehrsordnung 100 Prozent rad- und klimafreundlich sei müsse aber noch viel mehr passieren, ergänzte Özdemir. „Radfahren darf keine Mutprobe sein.“

Scheuer hatte am Donnerstag eine Reihe von Vorschlägen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr vorgelegt. Er plant zum Beispiel, dass Fahrern, die eine Rettungsgasse unerlaubt nutzen, künftig ein Bußgeld von bis zu 320 Euro und ein Monat Fahrverbot droht – das gilt bisher schon, wenn man keine solche Gasse für Rettungsfahrzeuge bildet.

(dpa/dts/sua)



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