
Ein deutsches „Bonus-System“ nach Chinas Vorbild? – Wo werden Sie eingestuft?
Wie könnte die Zukunft Deutschlands aussehen? Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kam zu sechs möglichen Varianten – und eine ähnelt dem chinesischen Sozialkreditsystem. Epoch Times fragte den Ökonomen Markus Krall danach, wie wahrscheinlich es ist, dass so ein System in Deutschland eingeführt wird.

Die Technologien nicht nur zur Verkehrsüberwachung sind schon ziemlich weit entwickelt.
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Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gab eine Studie in Auftrag, wie die Zukunft Deutschlands aussehen könnte. Das Ergebnis sind sechs verschiedene Zukünfte, die zugespitzt aufgeschrieben wurden. Die Vorlagen sollen helfen, sich mit unterschiedlichen denkbaren Welten auseinanderzusetzen und zu prüfen: Wollen wir so leben? Was bedeuten diese Konstellationen für uns?
Insgesamt einigten sich die Autoren auf sechs Szenarien: der „Europäische Weg“, der „Wettbewerbsmodus“, die „Rückkehr der Blöcke“, „Tempounterschiede“, das „Bonus-System“ und die „Ökologische Regionalisierung“.
Erfahrungen aus China: D-Rating kann zu Jobverlust führen
Insbesondere das „Bonus-System“ sorgt für negative Presse. In einem Satz durch die Autoren zusammengefasst lautet es:
„Neue Zahlenfixierung: In den 2030er Jahren übernimmt ein digitales, partizipativ ausverhandeltes Punktesystem eine zentrale politisch-gesellschaftliche Steuerungsfunktion.“
In den 2030er-Jahren könnte ein staatliches Punktesystem – nach dem Vorbild des als erfolgreich angesehenen Sozialkreditsystems Chinas – auch in Deutschland das Verhalten der Bürger steuern.
In der Corona-Krise habe sich in China schließlich gezeigt, wie effizient ein auf Big Data beruhender Autoritarismus sei, um die Bewegungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung zu steuern, lautet eine These von Ivan Krastev, welcher die Studie als Signal für ein mögliches Eintreffen aufführt.
Die Millionenstädte Chinas handhaben das Sozialkreditsystem unterschiedlich. Eine Stadt teilte seinen Bürgern beispielsweise Punkte zu, ähnlich einer Ratingagentur. Beim Erreichen von über 1.300 Punkten bekommt man eine AAA-Bewertung, wer unter einen Wert von 600 Punkten fällt, landet in der Kategorie D – mit entsprechenden Auswirkungen bis hin zum Jobverlust. Das Verhalten im Internet (Kritik an der Regierung oder langes Computerspielen ergibt Punkteverlust) wird ebenso einbezogen wie das Benehmen beim Anstehen an der Supermarktkasse.
Gerichte und Regierungsbehörden richteten zudem auf nationaler und lokaler Ebene eine Fülle von Schwarzen Listen in China ein. Rote Listen sind eine Belohnung für regelkonformes Verhalten. Steht ein Bürger auf einer Schwarzen Liste, wird das Überleben ziemlich schwierig.
Eiserne Kontrolle über das Volk
Das fünfte Szenarium, das „Bonus-System“, geht aktuell in China in eine neue Phase über. Das Staatsziel Pekings ist aktuell, dass die Nichteinhaltung der politischen Vorgaben nicht mehr akzeptiert wird. Persönliche Ratings prägen in 28 „Modellstädten der 2. Generation“ das Bild. Der Hauptzweck scheint sich jedoch schon zu erfüllen: eine generelle Abschreckungswirkung.
Kommt das Sozialkreditsystem für Deutschland? Wir fragten unter anderem Markus Krall danach. Der Unternehmensberater, Ökonom und Buchautor sagt im Interview:
„Das, was die Kommunistische Partei Chinas gewaltsam umgesetzt hat und kontinuierlich in neue Höhen treibt, um die eiserne Kontrolle über das Volk zu erhalten, wird hier auf leisen Sohlen, auf Samtpfoten angesteuert.“ Zudem sei diese Studie nicht die einzige lobende Erwähnung von eigentlich totalitärem Gedankengut durch die Bundesregierung. Auch in der „Smart City Charta“ des Ministeriums für Umwelt- und Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit wurde freimütig über eine „post-choice“, „post-ownership“ und „post-voting“-Gesellschaft schwadroniert, sagt Krall.
Ein „logischer Puzzlestein“
„Die Idee des Sozialbonussystems, die nicht anderes ist als ein zwangsweises soziales Rating jeder Person zur Erzwingung von Konformität und Integration in die anonyme, beherrschbare Masse, ist der logische Puzzlestein, der diese Ideen ergänzt“, so Krall. „Damit es beim Lesen nicht sofort auffällt, dass es hier um nicht weniger geht als das Design eines techno-diktatorischen Zwangsstaates, der für 95 Prozent seiner Bürger Nudging und Framing als im Vergleich zur Gewalt kostengünstigeres Steuerungssystem etablieren will, verteilt man diese als ‚Trend‘ verkleidete Programmatik über verschiedene ‚Studien‘ bei unterschiedlichen Ministerien.“
Allesamt seien sie Teil eines größeren, sozialistisch orientierten Gesellschaftsdesigns. Die fünf Prozent Unbotigen, die sich nicht unterordnen wollen, sollten sich nicht täuschen – am Ende der Anreizkette stehe die Gewalt, erklärt der Ökonom.
„Das soziale Bonus-System dehnt diese Mechanik auf alle Bereiche unseres Lebens aus.“
Das Bonus-System sei ein Spinnennetz der Tyrannei, das immer dichter geflochten werde, bis die Freiheit vollständig erstickt und in einem stalinistischen Zwangsstaat aufgegangen sei. Krall ergänzt: „Wenn wir das ablehnen, müssen wir uns jetzt wehren und das nicht zu zaghaft.“
Die Deutschen – staatsgläubig
Die Menschen in Deutschland seien durch diese Entwicklung nicht weniger gefährdet als die Menschen in China, erklärt Markus Krall auf die Frage, ob auch in Deutschland ein derartiges System drohe.
Der Unterschied sei, dass die chinesische Bevölkerung aus ihrer historischen Kenntnis der Verbrechen der kommunistischen Partei seit ihrer Machtergreifung 1949 heraus wisse, was sie vor sich habe. Ihre Passivität resultiere nicht aus Naivität, sondern aus Repression. In Deutschland sei es – noch – umgekehrt.
„Die Mehrheit der Deutschen war schon immer staatsgläubig und hat noch jede heraufziehende Diktatur mehrheitlich unterstützt und bejubelt. Man darf befürchten, dass es auch dieses Mal nicht anders sein wird.“
Krall sieht als einzige Chance, um eine hinreichende Zahl Menschen in Deutschland so weit aufzurütteln, dass sie Widerstand gegen eine solche schleichende und im Gewand des Fortschritts und des Sozialstaats daherkommende neue Form des Totalitarismus leisten würde, in einer epochalen wirtschaftlichen und damit gesellschaftlichen Großkrise.
Diese nahe mit hohem Tempo und mit hoher Wahrscheinlichkeit. Es sei jedoch keinesfalls sicher, dass sie als Weckruf für die Verteidigung der Freiheit verstanden werde. Sie könnte auch in einen beschleunigten Marsch in die Diktatur stalinistischen oder maoistischen Zuschnitts führen, falls die Kräfte der Freiheit nicht hinreichend organisiert seien, diese zu verteidigen, sagt Krall.
Die Gefahr, dass dies so umgesetzt wird, schätzt Markus Krall als hoch ein. Es gebe Dutzende unterschiedliche gesellschaftliche Trends, die als Ergebnis kulturmarxistischer Wühlarbeit und Indoktrination die Gesellschaft in diese Richtung trieben.
SPD: Studie „ganz interessant“
Aus Sicht des Auftraggebers der Studie, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, sei ein „Bonus-System“ oder „Deutsches Sozialkreditsystem“ eine „keineswegs anzustrebende Ausprägung“ der Zukunft, wie die „Welt am Sonntag“ schrieb.
Der FDP-Forschungspolitiker Thomas Sattelberger moniert, dass das Ministerium nicht einfach Zukunftsszenarien, „die unsere Grundwerte mit Füßen treten“, „wertneutral durchreichen“ könne.
Die SPD nennt die Studie „ganz interessant“ und vermisst ein Statement des Ministeriums, zu welcher Bewertung des Szenariums es nun kommt. Jeder Demokrat müsse ein derartiges System „von Herzen“ ablehnen.
Kai Gehring, forschungspolitischer Sprecher der Grünen, ist ebenfalls unklar, welche Schlussfolgerungen Bildungsminsterin Karliczek daraus zieht.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beauftragte das Zukunftsbüro des „Foresight-Prozesses (Foresight III)“ mit der Studienerstellung. Geschrieben wurde das Papier von der Prognos AG und der Z_punkt GmbH. Für den Inhalt sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.
Das vollständige Interview finden Sie in dieser Printausgabe.

Kathrin Sumpf schreibt für Epoch Times seit über zehn Jahren über aktuelle Themen, darunter Politik und Ausland. Sie hat einen facettenreichen Hintergrund in der Erwachsenenbildung und als Supervisorin.
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