Ein ungewöhnlicher Fall: Ein Friedhofsgärtner als möglicher Serienmörder

Eine gediegene Wohngegend am Stadtrand von Lüneburg, das Einfamilienhaus steht am Ende einer Sackgasse. Der einstige Besitzer des Grundstücks war schon früh in den Fokus der Ermittler gerückt. Doch der Friedhofsgärtner nahm sich 1993 das Leben. Könnte er ein Serienmörder gewesen sein?
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Polizisten suchen nach Spuren auf dem Grundstück eines mutmaßlichen Serienmörders.Foto: Philipp Schulze/dpa
Epoch Times28. September 2018

Eine gediegene Wohngegend am Stadtrand von Lüneburg, das Einfamilienhaus steht am Ende einer Sackgasse. Ein Rotklinkerbau mit Hecke und Wintergarten, dahinter eine kleine Anhöhe mit Bäumen. Unter der Garage des Hauses ist vor einem Jahr die Leiche der seit 1989 vermissten Birgit Meier gefunden worden. Ihr Bruder hat die Suche nie aufgegeben, es ist der ehemalige Leiter des Landeskriminalamts Hamburg, Wolfgang Sielaff.

Privat hat er weiter ermittelt. Am Mittag des 29. September 2017 machen er und sein Team den grauenvollen Fund, der nach Jahrzehnten Gewissheit bringt. Mit Erlaubnis der Eigentümer hat Sielaff das Haus erneut untersucht und den Betonboden der Garage aufgestemmt. Er will sich nach dem Fund nicht in der Öffentlichkeit äußern.

Der einstige Besitzer des Grundstücks war schon früh in den Fokus der Ermittler gerückt. Doch der Friedhofsgärtner nahm sich 1993 das Leben, da saß der 40-Jährige wegen anderer Vorwürfe in Haft. Bereits damals hatte die Polizei das Haus durchsucht und war auf Waffen, Fesseln und anderes verdächtiges Material gestoßen.

„Derzeit werden mögliche Verbindungen zu rund 100 ungeklärten Taten überprüft“, sagt Mathias Fossenberger, Sprecher der für den Fall zuständigen Polizeidirektion Lüneburg. Die operative Fallanalyse des Landeskriminalamtes Niedersachsen hatte zunächst zwei Dutzend Fälle in Betracht gezogen. „Wir schließen nichts aus und beschränken uns nicht auf diese Taten“, betont Fossenberger. „Bislang haben sich 42 Dienststellen gemeldet, die ungefähr 100 verschiedene interessante Fälle geliefert haben.“ Darunter seien auch Vermisstenfälle.

Hintergrund: Die Polizei hat in Lüneburg eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet, dort laufen die Fäden zusammen. „So sollen andere Dienstellen im In- und Ausland in die Lage versetzt werden, ihre Fälle anhand der sogenannten Göhrdemorde abzugleichen“, sagt Fossenberger. Die Polizei hat ein Bewegungsbild des Gärtners erstellt, der längere Zeit auch in Karlsruhe gelebt hat. Alle denkbaren Verbindungen zu nicht aufgeklärten Morden sollen nun untersucht werden. „Aufgrund des aktuellen Ermittlungsstandes müssen wir von der Möglichkeit einer Vielzahl von Taten in Deutschland und vielleicht auch darüber hinaus ausgehen“, sagt Lüneburgs Polizeipräsident Robert Kruse.

„Sollte er wirklich für so viele Tötungen verantwortlich sein, dann gibt es zumindest in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Fälle, die daran hereinreichen“, sagt Kriminalist Stephan Harbort, Experte für Serienmorde. „Nur wenn man serielle Patiententötungen mit betrachtet, kommt man auf ähnliche Opferzahlen.“ So muss sich der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel ab Ende Oktober wegen Mordes an 98 Patienten vor dem Landgericht Oldenburg verantworten. Wegen sechs Taten wurde er bereits verurteilt und sitzt lebenslang in Haft.

Im Fall von Birgit Meier hat ein Blutstropfen an einer Handschelle aus dem Haus des Gärtners im Herbst 2016 die Ermittler erneut auf die Spur gebracht. DNA-Treffer weisen auch auf den Friedhofsgärtner als Verantwortlichen für die sogenannten Göhrdemorde hin, die 1989 bundesweit für Schlagzeilen sorgten. In dem Waldgebiet östlich von Lüneburg wurden damals zwei Paare ermordet. Sie wurden erschossen, erschlagen und stranguliert.

Im vergangenen April hat die Polizei in dem ehemaligen Haus des Mannes eine wochenlange Suche gestartet, auch Bagger und Hunde kamen dabei zum Einsatz. „Es wurden etwa 400 Spuren und Gegenstände sichergestellt“, sagt Fossenberger. Davon sei ungefähr die Hälfte als untersuchungsrelevant eingestuft und dem Landeskriminalamt Niedersachsen zur weiteren Untersuchung zugesandt worden. „Zu einigen dieser Spuren liegen bereits Gutachten vor“, sagt Fossenberger. „Hier sind jedoch in mehreren Fällen Anschlussuntersuchungen erforderlich.“ Geprüft wird, ob darunter möglicherweise auch Gegenstände der Opfer der Göhrdemorde sind.

An dem Fall werden die Ermittler weiter arbeiten, möglicherweise Jahre. „Angesichts der Rückmeldungen der anderen Dienststellen wird der Fall die Polizei nüchtern betrachtet noch eine lange Zeit beschäftigen“, sagt Fossenberger. Auch andere Fragen müssen die Ermittler noch klären: Bisher sind die Motive des Verdächtigen offen geblieben. Dabei könnte der Mann zumindest in einigen Fällen von einem als Beschuldigten geführten möglichen Komplizen unterstützt worden sein. (dpa)



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