Ein Handelskrieg wird Deutschland schwer treffen – Merkels „Fake News“ zur Bilanz mit den USA

Die EU und Deutschland sollten die Binnennachfrage stärken und die einseitige Abhängigkeit vom amerikanischen und chinesischen Markt reduzieren. Ein globaler Handelskrieg wird Deutschland ähnlich schwer wie China treffen, allerdings ohne die von China in Europa erhofften Ersatzmärkte. Eine Analyse von Joachim Jahnke.
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Ein Straßenmarkt in der Fa Yuen Street im Gebiet Mong Koko in Kowloon, Hongkong.Foto: iStock
Von 10. Juli 2018

1. China, Europa und besonders Deutschland haben keine guten Karten

Der internationale Handel ist in den letzten Jahrzehnten schwer aus dem Gleichgewicht geraten. Einerseits haben vor allem China und einige andere ost- und südostasiatische Schwellenländer, aber auch Deutschland, hohe Überschüsse aufgebaut.

Andererseits verzeichnen vor allem die USA hohe Defizite. Seit dem Jahr 2000 sind für die USA Defizite aus dem Warenhandel im Gesamtvolumen von etwas über 12 Billionen US$ zusammengekommen.

Das entspricht etwa 2/3 der amerikanischen Wirtschaftsleistung in 2017 (Abb. 20021).

Vor allem das Defizit mit China und der EU macht den USA schon seit Jahren erhebliche Sorgen. Es lag zuletzt im Jahr 2017 bei über 500 Mrd. US$, hat sich damit über die letzten acht Jahre fast verdoppelt und entspricht nun fast 3 % der jährlichen amerikanischen Wirtschaftsleistung (Abb. 20022).

Der handelspolitische Konflikt zwischen den USA und China schwelt schon seit vielen Jahren. China hat seit 2000 mehr als doppelt so viel Überschuß zu Lasten der USA akkumuliert wie die EU.

Dabei ist China seit Aufnahme in die WTO zu einem immer aggressiveren Handelspartner geworden, bei dem staatliche Einflußnahme sowie soziales und ökologisches Dumping eine immer größere Rolle spielen. Die USA werfen China außerdem eine Manipulation des Wechselkurses vor.

Nicht überraschend ist auch der Handel Chinas mit der EU und Deutschland seit vielen Jahren total ungleichgewichtig geworden.

China steigerte dabei seinen Anteil an den Investitionsgüterimporten der EU (ohne Transportmittel) auf fast 45 % und den Gesamtanteil auf über 21 % (Abb. 19329). Der seit 2002 kumulierte Handelsbilanzüberschuß mit der EU wuchs auf mehr als 2 Billionen Euro (Abb. 18493).

Damit ließen sich die 30 größten deutschen aktienmarktnotierten Unternehmen zweimal aufkaufen. Ähnlich steil stiegen und stiegen die chinesischen Bilanzüberschüsse mit Deutschland (Abb. 19076).

Tatsächlich setzt China Teile der riesigen Überschüsse zum Aufkauf von deutschen Unternehmen ein. Gerade hat Chinas Ministerpräsident Li Keqiang von Deutschland mehr Offenheit für chinesische Investitionen gefordert (erstaunlich, wenn man an die vielen chinesischen Beschränkungen für ausländische Investitionen denkt).

Nach Zollbelastung ist der amerikanische Markt erheblich offener als der europäische oder gar der chinesische. 2016 betrug der Zoll im Durchschnitt aller Importgüter in den USA 3,48 %, in der EU 5,16 % und in China 9,92 %. Auf Kraftfahrzeuge aus den USA erhebt die EU einen Einfuhrzoll von 10 %, umgekehrt gelten nur 2,5 %.

Die Europäische Union und vor allem „unser Freihandels-Freund China“ liegen demnach mit ihren Zöllen erheblich über dem US-Zoll. Die Marktoffenheit der USA wurde in den vergangenen Jahrzehnten sowohl von der EU wie vor allem von China einseitig und ziemlich schamlos ausgenutzt.

Früher oder später musste es zu einem offenen Konflikt der USA mit China und der EU (und einigen anderen Handelspartnern) kommen. Das ist nun unter Trump passiert und droht mit immer neuen Gegenmaßnahmen aller Seiten unberechenbar zu eskalieren.

2. Deutschland besonders exponiert

Deutschland ist in diesem Konflikt besonders exponiert. Es hat unter dem Druck der Hartz-Gesetze einen riesigen Niedriglohn- und Leiharbeitssektor aufgebaut. Der Mindestlohn liegt im Westeuropavergleich relativ niedrig (Abb. 19989) und wird auch mit den für 2019 und 2020 vorgesehenen erstmaligen Erhöhungen weiterhin niedrig sein.

Mit deutschem Druck auf die Europartner wurden auch dort die Sozialverhältnisse und damit die Kosten der Exportunternehmen im internationalen Wettbewerb abgesenkt.

Zudem verbaut die deutsche Industrie in sehr großem Umfang Teile, die vorher billigst aus den Niedriglohnländern Osteuropas und vor allem aus China eingeführt werden. So hat sich der Import von Vorerzeugnissen aus Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn seit 2010 etwa verdoppelt (Abb. 20030).

Dabei lag der Anteil ausländischer Wertschöpfung am deutschen Export schon 2012 bei 41 %. Neuere Daten stellt das Statistische Bundesamt nicht zur Verfügung, jedoch dürfte der Anteil seit 2012 gegen 50 % gestiegen sein.

Besonders stark stieg mit einer Verdoppelung seit Beginn der 90er Jahre der Automobilexport (Abb. 20023), wobei Zulieferungen aus Osteuropa eine größere Rolle spielen. 12,4 % davon gingen 2016 in die USA.

Die wegen der Lohnabsenkungen ebenfalls abgesenkte EU-Binnennachfrage kombiniert mit der Niedrigzinspolitik der EZB hat den Außenkurs des Euros gegenüber dem US$ abgesenkt und damit Deutschland einen weiteren Exportvorteil beschert und gleichzeitig die Importe, auch aus USA, gebremst (Abb. 20026).

Gemessen an den hohen deutschen Exportüberschüssen müsste der Eurokurs für Deutschland weit höher liegen.

So hat Deutschland seit dem Jahr 2000 mit den USA insgesamt mehr als 556 Mrd. Euro an Überschüssen angesammelt (Abb. 20005) und muss nun bei Trump um gut Wetter betteln, um seine wichtigen Auto-Exporte zu retten.

Denn Trump hat nach den bereits geltenden Zöllen auf Stahl und Aluminium der EU mit Einfuhrzöllen auf Autos und Autoteile von 20 % gedroht.

Dabei steht die deutsche Autoindustrie in den USA wegen der betrügerischen Dieselmanipulation ohnehin schon in einem schlechten Licht. Zu allem Überfluss will nun BMW auch noch aus Mexiko dort zu niedrigen Arbeitskosten gefertigte Fahrzeuge nach USA exportieren. So sollen ab 2019 in einem neuen Werk bei San Luis Potosí bis zu 150.000 Einheiten der 3er-Serie für den gesamten Nafta-Raum gefertigt werden.

Soweit die deutsche Automobilindustrie Autos in USA herstellt, exportiert sie von dort auch und wird daher von Gegenzöllen der amerikanischen Partner mitbetroffen. Von dem Volumen, das alle EU-Konzerne in den USA fertigen, wird nach Berechnung der EU-Kommission 60 % in Drittstaaten exportiert.

China hat bereits angekündigt, als Gegenmaßnahme die Importzölle für Autos aus den USA auf 40 % hochzusetzen. Für Kunden in China werden der hochwertige BMW X5 oder Mercedes-Benz GLE 450 Coupe damit teurer. Der Daimler-Konzern hat daher bereits eine Gewinnwarnung für das laufende Jahr herausgegeben.

3. Merkels „Fake News“ zur Bilanz mit den USA

Das derzeit aufgetischte deutsche Gegenargument gegen Trump, unter Einbeziehung von Dienstleistungs- und Kapitalerträgen, verwandele sich der EU-Überschuss in ein Defizit wird bei Trump nicht verfangen. Denn das gleicht die Abwanderung von Arbeitsplätzen aus den USA nicht aus.

Und die Gewinne amerikanischer Unternehmen aus Unternehmens- und Kapitalerträgen sind teilweise geradezu die Folge ihrer jobschaffenden Investitionen in Europa. Wer in Ohio, Michigan oder Indiana seinen Arbeitsplatz verloren hat und deshalb Trump wählt, kann nicht damit getröstet werden, dass stattdessen zwar Arbeitsplätze in Deutschland entstanden sind, aber andererseits US-Multis hohe Profite eingefahren haben.

Es hilft auch nicht, wenn Merkel Trump im Bundestag vorwirft, er betrachte die Handelsbilanz einseitig. Es sei „sozusagen fast altmodisch, nur die Waren zu rechnen“.

Und es hilft schon gar nicht, weil der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz mit den USA, der alle relevanten Posten umfasst, sogar noch höher ist als der in der Warenbilanz! (Abb. 20027).

Das gilt auch für die Leistungsbilanz der EU mit den USA, die über die letzten drei Jahre hohe Überschüsse aufweist. (Abb. 20028). Andere Bezüge sind einfach volkswirtschaftlicher Quatsch oder „Fake News“. Das sollte auch eine Bundeskanzlerin wissen. Und die deutschen Medien machen die Sache nicht besser, wenn beispielsweise die „ZEIT“ in ihrem Kommentar meint, „die (von Trump angestoßene) Entwicklung sei noch eins: vollkommen irre“.

4. Der chinesische Bumerang nach Europa

Die chinesische Wirtschaftsentwicklung ist seit vielen Jahren einseitig exportgetrieben. Noch immer trägt der Export zu 18 % der gesamten Wirtschaftsleistung bei. China hat sich damit in hohem Umfang von den Märkten der USA und Europas abhängig gemacht. Gleichzeitig beruht das Monopol der KPC auf dem wirtschaftlichen Erfolg. Derzeit nimmt die EU 16,4 % des chinesischen Exports auf, für die USA sind es 19 % (Abb. 19542).

Nun verbreitet sich in Chinas Finanzwelt und bei den Börsenanlegern die Angst vor einem Handelskrieg mit den USA. Am Freitag traten amerikanische Sonderzölle auf chinesische Importe im Wert von 34 Milliarden Dollar in Kraft. China hat nun seinerseits Sonderzölle in gleicher Höhe verhängt.

Für diesen Fall hat Trump mit zusätzlichen Sonderzöllen auf Waren aus China in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar gedroht. Der Leitindex der Börse in Shanghai hat seit Beginn des Jahres schon an die 23 % verloren auf den tiefsten Stand von vor zweieinhalb Jahren, als eine gewaltige Spekulationsblase platzte (Abb. 20025).

Dazu trägt bei, dass Aktienkäufe auf Pump wieder das Niveau von 2015 erreicht haben. Auch platzen Kredite, insbesondere weil bei vielen Unternehmen die Verschuldung in den vergangenen Jahren enorm gestiegen ist und kaum regulierte Schattenbanken Kredite vergeben haben.

Es ist abzusehen, dass sich chinesische Exporteure im Falle eines immer wahrscheinlicheren Handelskrieges mit den USA in einer verzweifelten Suche nach Ersatzmärkten auf Europa konzentrieren werden. Sie werden dabei auf billige Preise setzen und ihren meist unfairen Konkurrenzdruck entsprechend noch weiter hochfahren. Europa ist darauf in keiner Weise vorbereitet.

Es ist höchste Zeit, in der EU und vor allem in Deutschland die Binnennachfrage zu stärken und die einseitige Abhängigkeit vom amerikanischen und chinesischen Markt zu reduzieren.

Ein globaler Handelskrieg wird Deutschland ähnlich schwer wie China treffen, allerdings ohne die von China in Europa erhofften Ersatzmärkte und dann noch mit einer verschärften Konkurrenz aus China. Auch der deutsche Leitindex DAX hat über die letzten drei Monate schon etwa 7 % verloren, da auch bei uns die Angst vor einem Handelskrieg steigt.

 

Der Artikel erschien zuerst auf dem Informationsportal Deutschland & Globalisierung von Joachim Jahnke. Aktueller Rundbrief: kostenlos bestellen. Zum Weiterlesen: Webseite jjahnke.net



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