Behauptungen des Ministeriums über Glyphosat-Honig sind „inhaltlich falsch und unverantwortlich“

Die Imkerei Seusing und der Honig auf den Treppen des Landwirtschaftsministeriums: Das Ministerium rede "das Problem lieber klein und lenkt vom eigenen politischen Versagen ab", erklärt die Stiftung Aurelia. Auch der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund ist unzufrieden.
Epoch Times21. Januar 2020

Am vergangenen Mittwoch landete ein Teil des glyphotsathaltiger Bienenhonigs der Imkerei Seusing auf den Treppen des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Davon hatte das Ehepaar insgesamt vier Tonnen. Angefangen hatte alles im vergangenen Jahr, als das Imkerehepaar aus Brandenburg  Ende April feststellte, dass der benachbarte Landwirt in der Nähe ihrer Bienenstandorte ohne Vorwarnung glyphosathaltige Herbizide auf den blühenden Löwenzahn gespritzt hatte.  In einer Erklärung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hieß es dazu:

„Nach Aussage des Bundesinstituts für Risikobewertung gehen von den bei der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Brandenburg gemessenen Gehalten an Glyphosat in Honig keine Gefahren für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher aus. Honig aus Deutschland ist und bleibt ein qualitativ hochwertiges und gesundes Produkt.

Bei den bislang aus Brandenburg bekannten Höchstgehaltsüberschreitungen von Glyphosat in Honig, die über den geltenden EU-Grenzwert hinausgehen, handelt es sich um Einzelfälle, von denen unter anderem ein Biolandimkerpaar betroffen ist. Der betroffene Honig ist nachweislich nicht verkehrsfähig. Als Ministerium bedauern wir das sehr.“

Dieser Aussage widerspricht die Aurelia Stiftung vehement. Gemeinsam mit dem „Bündnis zum Schutz der Bienen“ hat die Stiftung, die sich für die Interessen der Imker einsetzt und als Sprachrohr der Bienen versteht, festgestellt, dass die beleuchteten Schadensfälle durch Glyphosatverunreinigungen von Honig dezidiert keine „Einzelfälle“ sind, sondern der Regelfall. Es handele sich um ein „systemisches Problem“. Von der Aurelia Stiftung heißt es:

Aus unserer Sicht sind die Behauptungen des BMEL nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch unverantwortlich gegenüber den Betroffenen und der deutschen Öffentlichkeit.“

Statt endlich Konsequenze aus den bisher bekannten Fällen zu ziehen, rede das BMEL „das Problem lieber klein und lenkt vom eigenen politischen Versagen ab“.

Flächendeckende Glyphosatverseuchung

Bei der bestehenden flächendeckenden Bienenhaltung in Deutschland sei davon auszugehen, dass jegliche blühenden Pflanzenbestände von Honigbienen und wilden bestäubenden Insekten beflogen werden, so die Stiftung Aurelia. Das bedeute auch: Wo Glyphosat in blühende Pflanzen gespritzt wird, wird es von Bienen und anderen Bestäubern im Flugradius aufgenommen. Das führe zwangsläufig und regelmäßig zu hohen Belastungen der Bienen und ihres Honigs.

Den Bundes- sowie Landesbehörden müssten spätestens seit 2016, als die Aurelia Stiftung dieses Problem erstmalig in mehreren Bundesländern aufdeckte und dokumentierte, bewusst sein, dass Glyphosatanwendungen in blühenden Pflanzenbeständen die Verkehrsfähigkeit von Honig grundsätzlich gefährden.

Bei einer Untersuchung von Honig kam Stiftung Warentest zu folgendem Ergebnis:

„Honig ist ein Spiegel­bild unserer land­wirt­schaftlichen Praktiken und bei weitem nicht immer so naturbelassen und gesund, wie viele glauben. Die Bienen sammeln auch unerwünschte Stoffe mit ein. In jedem dritten Honig wiesen wir geringe Gehalte des umstrittenen Pflanzen­schutz­mittels Glyphosat nach. Ein Misch­blütenhonig – mit Siegel des Deutschen Imker­bundes – schöpfte den Glyphosat-Grenz­wert für Honig zur Hälfte aus. Pollen gentech­nisch veränderter Pflanzen fanden wir in zehn Produkten – jedoch nur in Spuren. Mehrere Wald­honige waren deutlich mit giftigen Substanzen belastet, die manche Wild­pflanzen bilden: Pyrrolizidinalkaloide (PA).“

Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit habe 2016 in über drei Prozent des Honigs Glyphosatgrenzwertüberschreitungen nachgewiesen, teilte die Aurelia Stiftung mit.

Ein Rechenbeispiel der Stiftung Aurelia: In Brandenburg wurden 2017 im Rahmen der Bienenseuchenverordnung 52.585 Bienenvölker erfasst. Bei einem rechnerisch gering angesetztem Durchschnittshonigertrag von 20 Kilogramm je Bienenvolk werden allein in Brandenburg jedes Jahr über 1.000.000 Kilogramm Honig erzeugt. Statistische drei Prozent Honig mit Glyphosatgrenzwertüberschreitungen ergeben nach der Kalkulation allein in Brandenburg jährlich mehr als 30.000 kg Honig, die über den zulässigen Glyphosatgrenzwert hinaus belastet seien.

Seit 2016 habe das BMEL trotz wiederholter Nachfrage nicht auf die Forderung der Stiftung Aurelia nach einem Glyphosatanwendungsverbot in blühenden Pflanzenbeständen reagiert. Offensichtlich sehe das Ministerium keinen Handlungsbedarf, kritisiert die Stiftung. Dies gehe zulasten der Imker – wie im aktuellen Fall der Imkerei Seusing aus Brandenburg – aber auch von Landwirten und insbesondere zulasten der bestäubenden Insekten und Umwelt.

Glyphosat-Zulassung ist nicht im Sinn des Gemeinwohls

In Anbetracht dessen, dass die Anwendungsbeschränkung von Glyphosat auf nicht-blühende Pflanzenbestände vom größten Teil des landwirtschaftlichen Berufsstands akzeptiert werden würde oder gar als zwingend notwendig betrachtet wird, sei es nicht nachvollziehbar, warum das BMEL diese Anwendungsbeschränkung nicht bereits für die bevorstehende Anbausaison vornehme.

In der Gebrauchsanleitung des für die Totspritzung des Luzerne-Gras-Löwenzahnbestandes verwendeten glyphosathaltigen Pestizids (Durano TF, Hersteller: Bayer Agrar Deutschland GmbH) heißt es unter „Informationen zur sachgerechten Anwendung“:

„Zur nachhaltigen Bekämpfung von hartnäckigen, breitblättrigen Unkräutern wird die Anwendung im Blühstadium empfohlen. Bei anhaltender Trockenheit oder bei hohen Temperaturen, verbunden mit extrem niedriger Luftfeuchtigkeit, können Wirkstoffaufnahme und -ableitung beeinträchtigt werden. Bei diesen, wie auch anderen nicht optimalen Anwendungsbedingungen sind Verringerungen der empfohlenen Aufwandmenge nicht angeraten. Anwendungen nach Regen oder Tau auf feuchtem, aber nicht tropfnassem Unkrautbestand möglich! Abdrift auf benachbarte Kulturen und andere Pflanzenbestände unbedingt vermeiden!“

Dass Pestizidhersteller solche Anwendungsempfehlungen im Blühstadium nach wie vor herausgeben dürfen, schade am Ende den Landwirten, die diese Mittel nach solchen Empfehlungen anwenden und damit Schäden verursachen. Vor allem schade es aber den betroffenen Imkerei-Betrieben und der Gesundheit von Bienen und wildlebenden Bestäubern, hebt die Stiftung hervor.

Schaden für die Imkerei beläuft sich auf 60.000 Euro – und ist am Ende

Nachdem die Imkerei Seusing über vier Tonnen glyphosathaltigen Honig, den sie durch selbständige Prüfung ermittelt hat, entsorgen musste, sah sich das betroffene Ehepaar außerstande, den Betrieb weiterzuführen. Der Schaden für die Imkerei beläuft sich auf 60.000 Euro. Ob der Landwirt, der entsprechend der Richtlinien des Pestizidherstellers das Glyphosat ausgebracht hat, schadenersatzpflichtig ist, wird jetzt vor Gericht geklärt.

Johann Lütke Schwienhorst, Agrarreferent der Aurelia Stiftung, führte aus, dass der Großteil der Landwirte in Deutschland ebenfalls „ein ehrliches Interesse am Schutz bestäubender Insekten habe und Glyphosatanwendungen in blühenden Pflanzenbeständen nicht gutheiße“. Sie seien nicht vereinbar mit der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft. Dennoch duldet Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und das BMEL derartige Anwendungen und erlaube sogar explizite Produktempfehlungen von Bayer, die die Anwendung glyphosathaltiger Mittel in der Blüte empfehlen. „Wir müssen uns fragen, welche Interessen das BMEL mit dieser Politik bedient? Die des Gemeinwohls sicherlich nicht“, sagt Lütke Schwienhorst.

„Dass das BMEL das von uns aufgezeigte Glyphosat-Problem zu einem „Einzelfall“ kleinredet, empfinden wir als respektlos gegenüber der existenzbedrohten Imkerfamilie wie auch der gesamten deutschen Imkerschaft“, sagte Vize-Präsidentin des Deutschen Berufs und Erwerbsimkerbundes Annette Seehaus-Arnold. Das in der Presseerklärung geäußerte Bedauern über diesen Fall sei „leider gar nichts wert“, wenn sich das BMEL mit keinem Wort zu der eigenen Verantwortung oder zu den von uns gestellten Forderungen äußere.

Auch die Empfehlung, die wir unter anderem von der EU-Kommission erhalten haben, dass Imker ihre Bienen halt woanders hinstellen sollen, ist inakzeptabel. Bedenkt man, dass der Flugradius von Bienen bis zu drei Kilometer beträgt, bleibt kaum ein Standort in Deutschland übrig, an dem man als Imker vor Glyphosat und anderen Pestizidbelastungen sicher ist.“

Saskia Richartz, Sprecherin des „Wir haben es satt!“-Bündnisses, sagt: „Dass Agrarministerin Klöckner versucht vier Tonnen Glyphosat-Honig als ‚Einzelfall‘ abzutun, ist ein Schlag ins Gesicht der Seusings und aller anderen Imkereien, die wegen der Pestizid-Politik der Bundesregierung um die Existenz fürchten müssen. Statt Kritik mit Begriffen wie ‚Bullerbü-Mentalität‘ ins Lächerliche zu ziehen, sollte Julia Klöckner den Pestizid-Ausstieg anpacken. Unsere Nachbarländer Österreich, Frankreich und Luxemburg zeigen mit den Glyphosat-Verboten – wer will, der kann.“

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