Eklat beim DFB: Ethikkommission löst sich nach Wahl des Vorsitzenden auf

Nach der Wahl eines neuen Vorsitzenden für die Ethikkommission gab es den Super-Gau: Alle restlichen Mitglieder verließen das Gremium. Hat der DFB-Chef die Auflösung provoziert?
Titelbild
Der Kommissarische DFB-Präsident Rainer Koch.Foto: Thomas Boecker-DFB/Handout/Getty Images)
Epoch Times20. Juni 2021

Die Wahl von Irina Kummert zur neuen Vorsitzenden der DFB-Ethikkommission durch das DFB-Präsidium löste den Rücktritt aller Kommissions-Mitglieder aus.

Damit ist die Kommission, die gerade gegen den kommissarisch eingesetzten DFB-Präsidenten Rainer Koch ermittelt, arbeitsunfähig. War dies ein taktischer Schachzug von Koch?

DFB-Präsidium wählte in geheimer Wahl

Nach dem unerwarteten Tod des Vorsitzenden der Ethikkommission, dem SPD-Politiker Thomas Oppermann, im vergangenen Oktober hatte die DFB-Ethikkommission keinen Vorsitzenden. Kommissarisch wurde sie bisher vom Kommissions-Mitglied Bernd Knobloch geleitet.

Knobloch war bis vor kurzem von seiner Berufung zum ordentlichen Vorsitzenden ausgegangen. Er selbst hatte Interesse bekundet, diesen Posten auch übernehmen zu wollen. Bernd Knobloch wird Nähe zum zurückgetretenen DFB-Chef Fritz Keller nachgesagt.

Doch das DFB-Präsidium um Koch und Peters wählte in einer geheimen Wahl mit 7:5 Stimmen Irina Kummert zur neuen Vorsitzenden der Ethikkommission. Sie ist seit 2019 Mitglied in der DFB-Ethikkommission und gleichzeitig Präsidentin des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft.

Knobloch erklärte daraufhin wie die weiteren Mitglieder – der Theologe Nikolaus Schneider und die Korruptionsexpertin Birgit Galley – seinen Rücktritt. Er sah die Wahl Kummerts als „Gipfel einer seit Monaten laufenden Kampagne“ gegen ihn als Vorsitzenden, zitiert ihn die „Süddeutsche Zeitung“.

Laut „SZ“ sollen Knobloch und Galley ihre Rücktritte bereits intern angekündigt haben, falls Kummert gewählt werde.

Koch wird Einflussnahme auf Ermittlungen gegen sich vorgeworfen

Was die Sache nun zusätzlich brisant macht, ist der im Raum stehende Vorwurf, dass das Präsidium um Koch bewusst die Auflösung der Kommission durch die Wahl Kummerts provoziert hat. Damit, so der Vorwurf, hätte er Einfluss nehmen wollen auf laufende Ermittlungen der Ethikkommission gegen ihn.

Diese Ermittlungen stehen im Zusammenhang mit der Initiative „Fußball kann mehr“. Die Initiative „Fußball kann mehr“ ist ein Zusammenschluss von Frauen rund um Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb aus dem Fußball, die sich für Reformen beim DFB einsetzen. Dazu gehört zum Beispiel eine 30 Prozent Frauenquote in den Führungspositionen beim DFB.

DFB-Präsidiumsmitglied Koch wurde von der ehemaligen Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb angezeigt. Zuvor soll Steinhaus-Webb von Koch zu Zurückhaltung gedrängt worden sein. Die frühere Schiedsrichterin pochte auf personelle Reformen beim DFB. Koch bestreitet dies. Die Ethikkommission nahm daraufhin die Ermittlungen auf.

Einen Zusammenhang der umstrittenen Wahl mit den Untersuchungen gegen Koch wollte das zurückgetretene Mitglied der DFB-Ethikkommission Nikolaus Schneider im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) nicht ziehen – doch er merkte an, dass es gewiss eine „zeitliche Koinzidenz“ gebe.

Und auch Knobloch, der in dem DFB-internen Dauerzwist zwischen Amateuren und Profis dem Profilager zuzuordnen ist, wollte sich nicht konkret dazu äußern: „Ich kann dazu nichts sagen. Ich würde es aber nicht dementieren“, zitiert ihn der „Stern“.

Koch weist Vorwürfe zurück

Interimspräsident Rainer Koch weist die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Führungswechsel und den Rücktritten fast aller Mitglieder der Ethikkommission zurück.

„Das war ein völlig korrekter Vorgang, eine absolut korrekte Wahl. Weder haben wir als DFB-Präsidium noch ich persönlich dafür gesorgt, dass über bestimmte Personen nicht abgestimmt werden soll“, sagte Koch dpa.

Und weiter: „Es war eine geheime Wahl des höchsten DFB-Gremiums, in dem auch ein Rainer Koch nur eine Stimme von zwölf besitzt.“

Die Initiative „Fußball kann mehr“ hingegen bezeichnete die Vorgänge rund um die Ethikkommission als einen weiteren Beleg interessengeleiteter Machtausübung.

Initiative fordert vorgezogenen DFB-Bundestag

„Umso wichtiger ist ein schnellstmöglicher DFB-Bundestag, der aufzeigt, ob sich eine Mehrheit von dieser Führung repräsentiert fühlt oder ob es mehr Menschen gibt, die eine Erneuerung wollen“, sagt Katja Kraus, die früher Nationaltorhüterin und Vorstandsmitglied des damaligen Bundesligisten Hamburger SV war, stellvertretend für die Gruppe.

Sie fordert zusammen mit Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb mehr Geschlechtergerechtigkeit beim DFB und eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungspositionen bei Fußballverbänden.

„Wir haben das Vertrauen in die Neutralität und ein unabhängiges Wirken der Ethikkommission verloren. Mit diesem Vorgang wurde das Gremium delegitimiert“, sagte Kraus. Es sei untragbar, dass die Entscheidung über die personelle Zusammensetzung von Menschen getroffen wird, die Gegenstand laufender Verfahren seien.

Die Spannungen beim DFB rufen nun sogar die Sponsoren auf den Plan: „Der Rücktritt von drei von vier Mitgliedern der DFB-Ethikkommission ist leider ein weiterer Beleg für den desolaten Zustand des größten Fußballverbandes weltweit“, sagte Jana Bernhard dem SID. Sie ist Geschäftsführerin von S20, einer Vereinigung der 20 namhaftesten deutschen Sportsponsoren, darunter auch große DFB-Partner wie Adidas oder die Telekom.

Lieber die Ethikkommission zerstören als etwas verändern?

Und auch der niedersächsische Innen- und Sportminister Boris Pistorius (SPD) meldet sich zu Wort: „Spätestens jetzt sollten die Letzten merken, dass es beim DFB nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Das Machtgebaren, lieber die eigene Ethikkommission zu zerlegen, als sich berechtigten Fragen der eigenen Verantwortung zu stellen und etwas zu verändern, ist augenfällig“, sagte der 61-Jährige.

„Es wäre schlicht nicht verständlich, wenn der DFB nach dieser erneuten Eskalation mit seinem Bundestag noch bis ins erste Quartal 2022 wartet. Es sollte jetzt schnell Platz für grundlegende Veränderungen und eine offene Diskussion geschaffen werden“, sagte Niedersachsens Innen- und Sportminister Boris Pistorius (SPD) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Der größte Sportverband der Welt wird nach dem Rücktritt von Fritz Keller interimistisch von Koch und Peter Peters geführt. Die neue Führung soll beim für Anfang 2022 geplanten Bundestag gewählt werden. Doch nach den neuen Turbulenzen um die Wahl der Personalberaterin Irina Kummert zur Vorsitzenden der Ethikkommission könnte sich dies beschleunigen. (dpa/dts/er)



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