Fahrverbote sinnlos: Beeinflussen nur 2,5 Prozent der NOx-Emissionen

CO2, Stickoxid, Feinstaub: Alte Diesel-PKW gelten als besonders dreckig und scheinen die Luft in deutschen Städten zu verpesten. Scheinbar, denn ein Vergleich von Diesel-Anteil und Stickoxidwerten zeigt, Städte (mit und ohne Fahrverbote) mit mehr neuen Diesel-PKW übersteigen häufiger die Grenzwerte.
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Diesel-Fahrverbote bedeuten nicht automatisch bessere Luft. Daten aus London zeigen, über 97,5 Prozent der NOx-Emissionen stammen nicht von alten Diesel-PKW, für die in Deutschland Fahrverbote gelten. (Symbolbild)Foto: Christoph Schmidt/dpa
Epoch Times12. September 2019

Darmstadt, Hamburg und Stuttgart haben sie schon, Berlin, Bonn, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Köln, Mainz (und andere) sollen sie noch bekommen: Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge.

Messungen in anderen Städten zeigen jedoch, dass alte Diesel-PKW nicht der Hauptgrund für die Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten sein können. Städte mit vergleichsweise vielen alten Dieseln weisen dabei teils deutlich niedrigere NOx-Werte auf, als Städte mit vielen neuen (Euro-6/6d) Dieseln.

Diesel-Fahrverbote bedeuten nicht automatisch bessere Luft

Seit dem 1. Juni 2018 dürfen Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 1 bis 5 Teile der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße nicht mehr befahren. Letztere war bis dato die wichtigste Ost-Westverbindung nördlich der Elbe und wurde von vielen Schwerlastfahrzeugen befahren.

Fahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht müssen sich seitdem einen anderen – längeren Weg – durch die Hansestadt suchen. Von den Fahrverboten in Hamburg ausgenommen sind „PKW und Omnibusse“ beziehungsweise „Anwohner, Rettungsdienste, Gewerbetreibende“.

Diesel-Fahrverbote in Hamburg. Foto: Screenshot/OpenStreetMap / ET

Trotz Fahrverbot haben Messstationen in Hamburg im vergangenen Jahr bis zu 55 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter Luft gemessen. Der aktuelle Grenzwert der EU liegt bei 40 µg/m³. Angesichts dieser Daten ist die Wirksamkeit von Fahrverboten hinsichtlich der Verbesserung der Luftqualität fraglich.

Natürlich, nicht alle Dieselfahrzeuge stoßen gleichviel Emissionen aus und sowohl die Technik, als auch die Normen verändern sich. Die Fahrverbote in Deutschen Städten gelten vorerst nur für Diesel-PKW der Abgasnormen Euro 1 bis 4, Euro-5-Diesel sollen zukünftig ebenfalls aus den Städten verbannt werden.

Diese Regelungen lassen vermuten, dass besonders die alten Diesel-PKW über die Maßen dreckig sind und die EU-Grenzwerte durch ihre Verbannung aus den Straßen wieder eingehalten werden könnten. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass neue Diesel-PKW der Normen Euro 6 oder 6d grundlegend „sauber“ und damit anders zu bewerten sind. Die realen Messergebnisse in deutschen Städten (mit und ohne Fahrverbote) zeichnen ein anderes Bild.

Alte Diesel = böse, neue Diesel = gut?

Während Städte wie Berlin, Hamburg, Stuttgart und München mit knapp 16 bis 18,5 Prozent den geringsten Anteil alter Diesel im Straßenverkehr aufweisen, übersteigen die NOx-Werte in all diesen Städten den EU-Grenzwert von 40 µg/m³ um 37 (Hamburg, 55 µg/m³) bis 77 Prozent (Stuttgart, 71 µg/m³).

Im Gegensatz dazu stehen Städte wie Lübeck, Karlsruhe, Münster und Saarbrücken, die mit über 20 Prozent alter Diesel im Straßenverkehr die Grenzwerte mit 26 (Lübeck) bis 39 µg/m³ (Saarbrücken) im Jahresmittel teilweise deutlich unterschreiten.

Zu Bedenken ist jedoch, dass 18,5 Prozent der 725.000 zugelassenen Autos in München mehr sind als 21,7 Prozent der knapp 146.000 zugelassen Fahrzeuge in Münster (Stand Januar 2019). Stuttgart fährt mit etwas über 301.000 zugelassenen PKW und 16 Prozent alter Diesel trotzdem die schlechtesten Luftwerte ein.

Dieser Widerspruch scheint angesichts der fortschreitenden Technik unhaltbar und würde bedeuten, dass alte Diesel-PKW nicht so dreckig sind wie behauptet. Die absoluten Zahlen bestätigen dies.

.Stadt .KFZ
.(absolut)
.alte Diesel
.[%]
.alte Diesel
.(absolut)
.max NOx 2018
.[µg/m³]
.Stuttgart 301.793. 16,0. 48.287. 71.
.München 725.690. 18,3. 132.801. 66.
.Berlin 1.210.790. 15,9. 192.516. 59.
.Köln 482.847. 17,9. 86.430. 59.
.Hamburg 794.618. 18,5. 147.004. 55.
.Hagen 97.430. 18,1. 17.635. 50.
.Kassel 89.343. 20,5. 18.315. 40.
.Augsburg 136.121. 20,1. 27.360. 36*.
.Münster 145.681. 21,7. 31.613. 34*.
.Lübeck 98.480. 20,7. 20.385. 26.

* Durchschnitt zweier Höchstwerte

Wenn nicht alte Diesel-PKW die Luft verpesten, was dann?

Interessant ist, dass Stuttgart, verglichen mit München, Berlin, Köln oder Hamburg, trotz weniger alter Diesel-PKW eindeutig die schlechtesten NOx-Werte hat. Auch der direkte Vergleich zwischen Lübeck und Hagen, mit jeweils knapp 100.000 zugelassenen KFZ, sowie der Vergleich zwischen Hagen und Kassel, mit jeweils rund 18.000 alten Diesel-PKW, zeigen, dass eine höhere Anzahl an Fahrzeugen insgesamt beziehungsweise eine höhere Zahl älterer Diesel nicht automatisch eine schlechtere Luftqualität bedeuten.

Besonders deutlich wird dies zudem im Vergleich zwischen Stuttgart und Hamburg. Trotz der dreifachen Anzahl alter Diesel – und diverser Großschiffe – weist die Luft in der Hansestadt weniger NOx auf als in Stuttgart.

Die Daten legen nahe, dass die schlechten NOx-Werte in Stuttgart nicht (allein) auf alte, dreckige Diesel oder neue, großvolumige SUVs zurückzuführen ist. Da auf dem Neckar eher wenig Kreuzfahrtschiffe unterwegs sind, muss die Luftverschmutzung aus anderen Quellen stammen.

Lediglich elf Prozent der gesamten NOx-Emissionen in London stammen von Diesel-PKW, egal ob neue oder alte Motoren. Sieben Prozent des NOx stammt von Benzin-PKW. Damit verursachen PKW im Allgemeinen jedoch nur einen Bruchteil der Gesamtemissionen.

Nach Quellen aufgeschlüsselte NOx-Emissionen in London. Straßengebundene Diesel-Emissionen (rot), anderen Diesel-Emissionen (orange) und straßengebundene Emissionen aus anderen Treibstoffen (blau). Foto: Environment Commitee London Assembly

97,5 Prozent der NOx-Emissionen von Fahrverboten nicht betroffen

Insgesamt entfallen gut 60 Prozent der NOx-Emissionen auf Dieselfahrzeuge egal welcher Größe. Etwa 40 Prozent stammen aus anderen Quellen, einschließlich Industrie und bodennahe Luftfahrt. Lediglich etwa zwei Drittel der Diesel-Emissionen stammen von Straßenfahrzeugen, Schiene, Fluss (Themse) und Baumaschinen verursachen zusammen ca. 23 Prozent der Gesamt-Emissionen. Die straßengebundenen, von Diesel verursachten NOx-Emissionen belaufen sich in London auf 40 Prozent. Nur ein Viertel davon stammen aus dem Auspuff von Diesel-PKW.

Untersuchungen von CAR (Center Automotive Research) ergaben, dass in der BRD 21,9 Prozent der PKW mit alten Dieselmotoren unterwegs sind. Trifft dieses Verhältnis analog auf Großbritannien zu, tragen alte Dieselfahrzeuge 2,4 Prozent zu Londons NOx-Emissionen bei.

Mit anderen Worten: Lieferverkehr, Busse und Taxis, Schienen- und Wasser- und Luftfahrzeuge, sowie Benzin- und Erdgas-Fahrzeuge stoßen 97,6 Prozent der Stickoxide aus. Gleichzeitig sind alle diese Fahrzeuge nicht von Fahrverboten betroffen.

Auch Hardware-Nachrüstungen für Diesel-PKW können dieses Problem nicht lösen – im Gegenteil. Die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina erwartet bei der Nachrüstung von Diesel-PKW eher einen Mehrverbrauch. Wegen des erhöhten Energiebedarfs der Systeme ist mit deutlich höheren Emissionen zu rechnen, so Focus. Hardware-Nachrüstung seien aus diesem Grund nur für große und schwere Fahrzeuge wie Busse und LKW sinnvoll. Diesel-PKW wäre mit einer Softwarelösung besser geholfen.

Welche wissenschaftliche Grundlage und welchen Zweck haben Fahrverbote

Angesichts dieser Einschätzung ist fraglich, warum nur wenige Städte gegen – notfalls von der Deutschen Umwelthilfe eingeklagte – Fahrverbote vorgehen. Lediglich in München regt sich derart großer Widerstand, dass Die DUH „weitere rechtliche Schritte“ eingeleitet hat. Ein Urteilsspruch des EuGH bezüglich der von der DUH beantragten Beugehaft gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder steht aber noch aus.

München sträubt sich gegen ein derartiges Verbot, um zu verhindern, dass Fahrer von Dieselfahrzeugen von großen Straßen auf Wohngebiete ausweichen. Anhand der Ergebnisse aus London stellt sich jedoch die Frage, inwieweit Fahrverbote überhaupt sinnvoll sind – und was die DUH damit bezwecken will. Der Umweltschutz profitiert davon denkbar wenig. (ts)



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