Falsche Zahlen von Scholz? Nebelkerzen prägen Debatte um Einbürgerung

Gegner der Ampel-Pläne zur erleichterten Einbürgerung werfen Kanzler Scholz vor, mit falschen Zahlen zu operieren. Präzise sind auch ihre eigenen nicht.
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Olaf ScholzFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 1. Dezember 2022

In der Debatte um eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat die AfD Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeworfen, mit falschen Zahlen zu operieren. Hintergrund ist eine Äußerung des Kanzlers auf einer Veranstaltung am Montag (28.11.). Bei dieser hatte der Regierungschef geäußert:

Neun Millionen Bürgerinnen und Bürger leben und arbeiten in unserem Land, ohne dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.“

Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer hat ihm daraufhin auf Facebook vorgeworfen, Zahlen im Zusammenhang mit Ausländerbeschäftigung zu „erfinden“. Dabei berief er sich auf einen sogenannten Faktencheck der Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

Mit unzutreffenden Zahlen für leichtere Einbürgerung geworben?

Diese schreibt, laut Statistischem Bundesamt seien „lediglich 4,546 Millionen in Deutschland lebende Ausländer sozialversicherungspflichtig beschäftigt“. Insgesamt hielten sich im Land „nach offiziellen Angaben derzeit 11,8 Millionen Ausländer auf“.

Wären die von Scholz genannten Zahlen zutreffend, „käme dies einer Beschäftigungsquote unter den Migranten von 76,3 Prozent gleich“. Tatsächlich sei die „Quote der in Deutschland arbeitenden nichtdeutschen Bevölkerung“ daher „mit 38,5 Prozent unter dem Durchschnitt“ von 40,7 Prozent innerhalb der Gesamtbevölkerung.

Scholz verwechselt offenbar Bezugsgrößen

Tatsächlich scheint Scholz, als er seine Zahl von neun Millionen in Deutschland arbeitenden nichtdeutschen Staatsangehörigen aussprach, eine Verwechslung unterlaufen zu sein. Zahlen aus dem Jahr 2020 zufolge sind 9,74 Millionen Menschen „mit Migrationshintergrund“ im Land erwerbstätig.

Dieser Begriff umfasst jedoch sowohl in Deutschland lebende nichtdeutsche Staatsangehörige als auch Deutsche mit Migrationsgeschichte. Während zum genannten Zeitpunkt 21,8 Millionen Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund ihren Wohnsitz in Deutschland hatten, waren davon lediglich 10,3 Millionen Ausländer.

Von diesen waren wiederum 4,6 Millionen sogenannte Nichterwerbspersonen – zu diesen zählen all jene, die weder erwerbstätig noch erwerbslos sind. Dieses Spektrum reicht von schulpflichtigen Kindern über Studenten, Hausfrauen oder Erwerbsminderungsrentnern bis hin zu Altersrentnern.

In einigen Fällen greifen auch gesetzliche Beschäftigungsverbote für Ausländer: Dazu gehört eine dreimonatige Wartefrist ab Ausstellung des Ankunftsnachweises, der Asylantragstellung oder ab Erteilung der Duldung. Zudem greift ein solches Verbot, während ein Asylbewerber verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sowie bei Asylbewerbern aus einem sogenannten sicheren Drittland.

„Faktencheck“ übersieht Nichterwerbspersonen und Selbstständige

Erwerbslos im eigentlichen Sinne waren hingegen nur 497.000 Ausländer – 441.000 mit und 56.000 ohne „eigene Migrationserfahrung“. 1,3 Millionen hatten jedoch insgesamt Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder sonstige Formen der Sozialhilfe oder Grundsicherung.

Darüber hinaus erwähnt die „Junge Freiheit“ lediglich die „sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen“. Nicht jeden Erwerbstätigen trifft jedoch eine solche Pflicht. So sind – was auf nichtdeutsche Staatsangehörige seltener zutrifft – Beamte und Soldaten davon ausgenommen, aber auch Selbstständige und ausschließlich geringfügig Beschäftigte.

Im Jahr 2020 waren jedoch 432.000 nichtdeutsche Staatsangehörige selbstständig erwerbstätig und 587.000 ausschließlich geringfügig beschäftigt. In einigen Fällen kann auch Selbstständige eine Sozialversicherungspflicht treffen. Dies ist insbesondere bei Handwerkern, Landwirten, Hebammen, Künstlern, Publizisten und Schriftstellern sowie sogenannten Scheinselbstständigen der Fall.

Kultur der Selbstständigkeit unter Migranten

Diese Umstände zeigen, dass auch die Darstellungen des „Faktenchecks“ Ungenauigkeiten aufweisen. Dies betrifft vor allem die fehlende Differenzierung zwischen erwerbslosen Ausländern und ausländischen Nichterwerbspersonen. Aber auch der bloße Rückgriff auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung greift zu kurz.

Unter Migranten – ob mit oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit – ist selbstständige Erwerbstätigkeit deutlich beliebter als im Bevölkerungsdurchschnitt. Dies zeigen unter anderem eine Sonderauswertung des KfW-Gründungsmonitors 2018 sowie eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2020.

Demnach geben 38 Prozent der Migranten in Deutschland grundsätzlich der Selbstständigkeit den Vorzug vor abhängiger Beschäftigung. In der gesamten Bevölkerung wären nur 29 Prozent lieber selbstständig als angestellt.

INSA-Umfrage: Lehnen 65 Prozent das Ampel-Vorhaben zur Einbürgerung ab?

Fragen offen lässt im Kontext der Debatte um eine erleichterte Einbürgerung auch eine Meldung der „Bild“ auf Grundlage einer INSA-Umfrage. Dieser zufolge lehnt eine deutliche Mehrheit der Deutschen das Reformvorhaben der Ampel-Regierung ab.

Allerdings lautete die Fragestellung an 1.004 Bürger, die am 25. November befragt wurden:

Sollte die Bundesregierung die Einbürgerung für Flüchtlinge Ihrer Meinung nach einfacher machen, als dies aktuell der Fall ist?“

Eine Mehrheit von 65 Prozent der Befragten verneinte diese Frage, lediglich 23 Prozent sprachen sich für ein solches Vorhaben aus. Unter den Wählern der Grünen waren es sogar 59 Prozent.
Allerdings ist eine erleichterte Einbürgerung von Flüchtlingen gar nicht das Kernanliegen hinter dem Vorhaben der Ampel.

Ampel befürchtet „Auseinanderfallen zwischen Einwohnerschaft und Wahlvolk“

Diese will mit einer erleichterten Einbürgerung dem Umstand Rechnung tragen, dass immer weniger in Deutschland lebende und arbeitende Ausländer deutsche Staatsbürger werden wollen.
Neben der sinkenden Wahlbeteiligung unter deutschen Staatsbürgern sorgt dieser Umstand für ein „Auseinanderfallen zwischen Einwohnerschaft und Wahlvolk“, wie es Kanzler Scholz formulierte. Dies gefährde immer mehr die Akzeptanz und Legitimität staatlicher Entscheidungen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will zudem die Attraktivität des Landes für ausländische Arbeitskräfte angesichts der demografischen Entwicklung steigern. Auch soll die Möglichkeit doppelter Staatsbürgerschaften von bereits seit Längerem hier lebenden Ausländern eine Entscheidung für die Einbürgerung erleichtern.

Flüchtlinge würden allenfalls von den verkürzten Wartefristen zur Beantragung der Einbürgerung profitieren. Allerdings müssten sie dennoch alle anderen Voraussetzungen für den Erwerb des deutschen Passes erfüllen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Sogenannte Nichterwerbspersonen erfüllen diese Anforderung jedoch nicht.

(Mit Material von dts)



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