Debatte um Wehrpflicht
Fast jeder Dritte lehnt Auslosung von Wehrpflicht ab - was will Pistorius?
Auszulosen, wer zur Bundeswehr muss, halten 60 Prozent der Menschen einer INSA-Umfrage für falsch. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind lediglich 20 Prozent dafür. Ab Mitte 2027 soll laut Verteidigungsminister Pistorius flächendeckend gemustert werden.

Mit dem Wehrdienstgesetz erhofft sich die Regierung mehr Klarheit darüber, wie viele junge Menschen für die Truppe in Frage kämen, und auch mehr Freiwillige.
Foto: Frank May/dpa
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen das von der Union vorgeschlagene Losverfahren im neuen Wehrdienstgesetz aus.
Laut einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts INSA für „Bild am Sonntag“ halten 60 Prozent der Befragten die Regelung, nach der bei zu wenigen Freiwilligen ausgelost werden soll, wer gemustert und gegebenenfalls zu einem Wehrdienst verpflichtet wird, für falsch.
Nur 21 Prozent bewerten den Vorschlag als richtig. 11 Prozent gaben an, dass ihnen die Regelung egal sei, 8 Prozent machten keine Angabe.
Bei den 18- bis 29-Jährigen sind 20 Prozent dafür
Auch unter Anhängern der Union stößt das Konzept auf Skepsis: 59 Prozent der CDU/CSU-Wähler lehnen das diskutierte Losverfahren ab. Unter SPD-Wählern liegt der Anteil der Gegner mit 64 Prozent noch höher.
Deutlich fällt die Ablehnung bei jungen Menschen aus: In der Altersgruppe der 18-bis-29-Jährigen sind parteiübergreifend 20 Prozent für das Modell, während 50 Prozent dagegen sind.
Beim grundsätzlichen Modell der Wehrpflicht zeigt sich die Bevölkerung gespalten: 44 Prozent befürworten eine generelle Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in der bisherigen Form, 38 Prozent sprechen sich dagegen für ein freiwilliges Grunddienst-Modell aus. 12 Prozent wollen weder das eine noch das andere, 6 Prozent machten keine Angabe. Das Meinungsforschungsinstitut INSA hatte für die „Bild am Sonntag“ am 16. und 17. Oktober genau 1.003 Personen befragt.
Debatte lässt Sorgen von Eltern steigen
Eine Folge der Wehrdienstdebatte: Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung registrieren nach eigenen Angaben immer mehr Zulauf von besorgten Eltern. „Wir werden gerade nahezu überflutet von Anfragen“, sagte der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFGVK), Michael Schulze von Glaßer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die Aufrufzahlen der Website seien im September auf über 125.000 gestiegen – im Vergleich zu 55.000 im August. Der Anteil der anfragenden Eltern wachse.
Auch die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) verzeichnet mehr Zulauf, wie ihr Sprecher Dieter Junker dem RND sagte: „Was in diesem Jahr auffällt, ist, dass es eine spürbare und deutliche Zunahme an Beratungsanfragen durch Eltern gibt, die sich wegen ihrer minderjährigen Söhne und Töchter besorgt zeigen bezüglich einer möglichen Wiedereinführung einer Wehrpflicht oder eines neuen Wehrdienstes.“
Was will Pistorius?
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hält eine Musterung aller jungen Männer für ein abschreckendes Signal gegenüber Russland. „Wenn wir wieder alle Männer eines Jahrgangs mustern und die Daten aller Wehrfähigen erheben, wird das auch in Russland wahrgenommen. Anders ausgedrückt: Auch das ist Abschreckung!“, sagte der SPD-Politiker der „Bild am Sonntag“.
Sollte der Verteidigungsfall eintreten, trete nach dem Grundgesetz die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht unmittelbar wieder in Kraft. „Dann müssen wir wissen, wer einsatzbereit ist und wer nicht“, sagte der Minister.
Pistorius nannte die mit der Aussetzung verbundene Abschaffung der Kreiswehrersatzämter einen schwerwiegenden Fehler. „Wir bauen jetzt neue, moderne Strukturen auf. Ab Mitte 2027 sind wir so weit. Dann können wir wieder flächendeckend mustern.“
Das Parlament muss entscheiden
Die schwarz-rote Koalition hatte am 16. Oktober ihre Pläne zur Wehrdienst-Reform in den Bundestag eingebracht. Es gibt noch Unstimmigkeiten zwischen CDU, CSU und SPD – dabei geht es vor allem darum, welche Mechanismen greifen sollen, wenn sich nicht, wie durch das Gesetz beabsichtigt, genügend Freiwillige für die Bundeswehr finden.
Pistorius sagte, dass nun im Parlament entschieden werden müsse, ob es ein Losverfahren geben soll. „Wir werden uns als Ministerium hier selbstverständlich ebenfalls einbringen.“ Ihm sei wichtig, dass so lange wie möglich auf Freiwilligkeit gesetzt werde.
Pistorius will daran festhalten, dass das Wehrdienstgesetz Anfang 2026 in Kraft tritt und zeigte sich bezüglich einer Einigung mit den Fraktionen optimistisch. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Alle im Bundestag wissen: Es geht um die Sicherheit Deutschlands.“
Die Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besteht auf dem mit Unterhändlern der SPD vereinbarten Kompromiss zur Einführung eines neuen Wehrdienstes. Das geht aus einem „Fraktionsbriefing“ der Planungsgruppe des Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn an die Mitglieder hervor, das dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ vorlag. (dts/dpa/red)
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