„FAZ“-Gastautor über „sinnentleerten Machterhalt einer Monarchin“: „Die Ära Merkel geht zu Ende“

Die Jamaika-Sondierungen sind gescheitert, ebenso die Neuwahlen. Bundespräsident Steinmeier fordert von den Parteien "politische Verantwortung". Ein Beitrag der "FAZ" lässt vermuten, dass eine sinnvolle Regierungskoalition für Deutschland nur ohne Merkel zustande kommen könnte.
Titelbild
Kanzlerin Merkel (l-r), FDP-Chef Lindner und FDP-Vize Kubicki während der Sondierungsgespräche in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Epoch Times20. November 2017

Die deutsche Politik und ihre Öffentlichkeit erwache allmählich aus ihrer postdemokratischen Narkose, urteilt Wolfgang Streeck, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln.

In einem Gastbeitrag für die „FAZ“ lässt er die „Ära Merkel“ noch einmal Revue passieren, denn nun gehe sie dem Ende zu, meint er. „Zum Glück, denn sie steht für den sinnentleerten Machterhalt einer Monarchin“, schreibt er.

Merkels „basale Herrschaftstechnik“ habe  bekanntlich darin bestanden, „statt Wähler für eigene Ziele zu mobilisieren, den Wählern anderer Parteien die Gründe zu nehmen, zur Wahl zu gehen – durch so unauffällig wie möglich gehaltene Bekenntnisse zum eigenen Programm bei angedeutetem Verständnis für die Programme der Konkurrenz“, kritisiert er Merkels Führungsstil.

Diejenigen, deren Positionen Merkel „eingemeindete“, hätten sich ohnehin „davor gehütet, ihr Fragen zu stellen, weil sie in Merkels Lager keine schlafenden Hunde wecken wollten“, beschreibt Streeck eine Art Hörigkeit bei einem Großteil der politischen Mitgestalter der letzten Dekade.

„So konnte Merkel sich immer wieder umorientieren, von einer unpolitisch gewordenen liberalen Öffentlichkeit wohlgefällig als individueller Bildungsroman rezipiert, ohne dass sie jemals zu so etwas wie einer ‚großen Rede‘ gezwungen gewesen wäre. Tatsächlich blieb sie als Person für die Insider der politischen Klasse bis heute ein Rätsel“, so Streeck.

Regierungsamtlicher „Kampf gegen rechts“

Merkels „Mitte statt Rechts“-Politik habe den Rechtspopulismus beschleunigt und die AfD konnte „zum Zweck der politischen Disziplinierung einer neuen, 90-prozentigen gesellschaftlichen Großmitte dienen – indem kritische Themen wie die Zukunft der Nationalstaaten in der Europäischen Union, der Aus- und Umbau der Währungsunion und die ungeregelte Einwanderung als Lehrstück über die Grenzenlosigkeit der Marktgesellschaft zu AfD-Themen erklärt wurden“.

Laut Streeck folgte ein regierungsamtlicher „Kampf gegen rechts“, der spektakulär erfolgreich schien: „Im weiteren Umkreis des offiziellen Antifaschismus begannen Presse, Rundfunk und Fernsehen, Schulen, Volkshochschulen und Universitäten, Jugendverbände, Kulturschaffende und Kleriker aller Art eine landesweite Immunisierungskampagne gegen die AfD.

In Köln forderten Oberbürgermeisterin und Kardinal zusammen mit Karnevalsvereinen und Rockgruppen dazu auf, sich durch eine Demonstration gegen die Abhaltung eines Parteitags der AfD in einem Kölner Hotel ‚für Toleranz‘ einzusetzen – beide Kirchen unter dem für ihre historischen Verhältnisse durchaus riskanten Slogan ‚Unser Kreuz hat keine Haken‘, schreibt er.

Auf dem Gipfel ihrer Macht, getragen von der „Willkommenskultur“ und einer so angsterzeugten wie -verbreitenden Gleichschaltungsbereitschaft der politischen Klasse, habe Merkel wie eine Monarchin regiert.

Niemand habe gefragt wie es gemeint sei, als sie während der „Flüchtlingskrise“ gesagt habe: Wenn man in Deutschland „kein freundliches Gesicht mehr zeigen“ dürfe, „dann ist das nicht mehr mein Land“. Bei „Merkel muss weg“-Sprechchören bei Kundgebungen vor allem im Osten, habe es rundum „Bekundungen von Scham und Abscheu“ gegeben, so Streeck weiter, und als rechtsradikale Hetze habe sogar gegolten, wenn man nach der politischen Verantwortung für Gewaltverbrechen von Migranten gefragt hat, die unter normalen Bedingungen nicht hätten über die Landesgrenze gelangen können. „Gewählte Politiker mussten schon aus minderem Anlass zurücktreten“, so Streeck.

Buße für den deutschen Völkermord

Und weiter beurteilt er die maßlose Migrantenaufnahme durch Merkels Politik wie folgt: „Das von den deutschen Ereignissen befremdete Ausland konnte sich diese, auch wegen des Ausbleibens einer kritischen Diskussion in Deutschland selbst, nur als Versuch erklären, das deutsche Image in der Welt zu verbessern, wenn nicht direkt als Ausfluss eines inneren Bedürfnisses, für den deutschen Völkermord Buße zu tun.

Dass auch in Deutschland, teilweise ermutigt durch die Reaktionen im Ausland, die unbegrenzte Immigrantenaufnahme als Methode und Ausweis moralischer Selbstrehabilitierung empfunden wurde, durch dessen Kritik man sich außerhalb der Gemeinschaft stellte, kann dem gut ausgebauten Meinungsforschungsapparat der Regierung nicht entgangen sein.

Für Streeck hat Merkel den Bogen eindeutig überspannt, denn rückblickend seien die enormen Kosten erkennbar, die Angela Merkel und ihr „breites Bündnis“ der deutschen Politik hinterlassen haben, resümiert er. Politik, noch so gekonnt von Bild zu Bild, Stimmung zu Stimmung und Bündnis zu Bündnis gewendet, habe eben, anders als in der postdemokratischen Utopie, auch andere als nur machttechnische Folgen, schreibt er.

Ins Haus stehende Krisen

Vieles, was in den letzten zwei Jahren in Europa geschehen ist, sei Merkels Politik zu verdanken. Dazu schreibt er: „Merkels germanozentrische ‚Flüchtlingspolitik‘, ohne Vorwarnung der Partnerländer überfallartig ins Werk gesetzt, hat den Ausgang des Brexit-Referendums mitverursacht und die Ablehnungsfront der Ostländer konsolidiert und durch Österreich verstärkt.

Auch werden sich die den Südländern und Frankreich opportunistisch von Fall zu Fall gemachten „proeuropäischen“ Versprechungen mit der FDP in der Regierung und der AfD im Parlament nicht einlösen lassen. Die als Folge ins Haus stehenden Krisen wird selbst die willigste Medienmaschine nicht mehr überblenden können.

(mcd)

 



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