Fehlstart für Rot-Rot-Grün in Berlin nach Anschlag und Rücktritt von Staatssekretär Holm

Das gern als Modell für den Bund gepriesene rot-rot-grüne Bündnis legte zum Auftakt des Wahljahrs einen denkbar schlechten Start hin. Erst der Anschlag auf den Breitscheidplatz, dann der Streit um die Entlassung des ehemaligen Staatssekretärs Antrej Holm, wegen seiner DDR-Vergangenheit bei der Stasi.
Titelbild
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller:Foto: Sophia Kembowski/dpa
Epoch Times16. Januar 2017

Das Urteil über den gerade einmal fünf Wochen amtierenden rot-rot-grünen Senat in Berlin hätte kaum vernichtender ausfallen können: „Den versprochenen Aufbruch in eine andere Stadtpolitik hat diese Koalition bisher nicht ernsthaft begonnen“, konstatierte am Montag ausgerechnet Baustaatssekretär Andrej Holm, der durch den Umgang mit seiner Stasi-Vergangenheit das bislang größte Zerwürfnis im neuen Senat auslöste. Holm trat zurück, entschärfte damit aber nur einen der vielen Konflikte der Koalition.

Das gern als Modell für den Bund gepriesene rot-rot-grüne Bündnis legte zum Auftakt des Wahljahrs einen denkbar schlechten Start hin. Der Amtsantritt des Dreierbündnisses, das es in dieser Konstellation ansonsten nur noch unter Führung der Linkspartei in Thüringen gibt, kam dabei zwar zu einem schwierigen Zeitpunkt. Nur elf Tage nach dem Amtsantritt der neuen Stadtregierung raste im Dezember der Attentäter Anis Amri mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und tötete zwölf Menschen.

Nach Anschlag in Berlin: Justizsenator schlug geschlechterunabhängige Toiletten in öffentlichen Gebäuden vor

Angesichts der schrecklichen Geschehnisse sorgte es allerdings für Stirnrunzeln, das der für die Sicherheit mitverantwortliche Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) als erste Amtshandlung einen Vorstoß für geschlechterunabhängige Toiletten in öffentlichen Gebäuden auf den Weg brachte. Der Senat musste sich den Vorwurf anhören, sich angesichts der globalen Terrorgefahr im Klein-Klein zu verlieren.

Nach dem Anschlag diskutierte die gesamte Republik als Konsequenz über eine Ausweitung der Videoüberwachung. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sah sich dabei jedoch mit der Tatsache konfrontiert, dass Linke und Grüne im Koalitionsvertrag eine Absage an mehr Kameras im öffentlichen Raum durchgesetzt hatten.

Mühsamer Kompromiss bei Videoüberwachung

Daraufhin gab es schon in der ersten Plenardebatte des neu gewählten Abgeordnetenhauses Streit zwischen den Koalitionspartnern, in der SPD-Fraktionschef Raed Saleh den Verzicht auf die Ausweitung der Videoüberwachung kritisierte. Bei einer Senatsklausur Anfang Januar wurde mühsam ein Formelkompromiss erarbeitet – demnach sollen die Kameras künftig immer dann installiert werden, wenn die Polizei eine Gefährdung vermutet.

Vorläufiger neuer Höhepunkt ist nun die Causa Holm: Der parteilose Stadtsoziologe zog Unmut auf sich, weil er seine Vergangenheit als hauptamtlicher Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit gegenüber seinem früheren Arbeitgeber – der Berliner Humboldt-Universität – zunächst verschwiegen hatte. Somit geriet nicht nur die Stasi-Tätigkeit ins Visier, sondern auch Holms Umgang damit. Doch nach der öffentlichen Aufforderung Müllers zu seiner Entlassung war der viel gescholtene Staatssekretär nicht mehr zu halten.

Kultursenator: Linke müsse sich für Holm oder für die Fortsetzung der Koalition entscheiden

Die Aufforderung des Regierungschefs zur Demission war ein schwerer Schlag für die Berliner Linke. Denn für die nicht gerade mit charismatischen Führungspersönlichkeiten gesegnete Landespartei war der Soziologe und Wortführer gegen die sogenannte Gentrifizierung in Großstädten eine wichtige Symbolfigur. Denn Mietsteigerungen und die Verdrängung ärmerer Bewohner aus dem Stadtzentrum gilt als eines der wichtigsten Themen der Berliner Stadtpolitik.

Nunmehr müsse sich die Linke für Holm oder für die Fortsetzung der Koalition entscheiden, kommentierte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zerknirscht Müllers Aufforderung. Schließlich machte Holm am Montag mit seinem Abgang den Weg fürs Weiterregieren frei, doch Begeisterung kam nicht auf. Verhalten kommentierte die Berliner Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek die Situation: Für eine Neuausrichtung der Wohnungspolitik lohne es sich allemal, „sich zusammen zu raufen und weiter zu machen“, lautete ihr nüchterner Appell.



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