Finanzminister Olaf Scholz präsentiert die Steuerschätzung

Unbekannt ist eigentlich nur noch die konkrete Zahl: Dass die neue Steuerschätzung deutlich unter der alten bleibt, ist allen bereits klar. Fraglich ist aber, was das für die Projekte der Koalitionspartner bedeutet.
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Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellt die Ergebnisse am Nachmittag in Berlin vor.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Epoch Times9. Mai 2019

Bei der heutigen Bekanntgabe der Steuerschätzung wird ein deutlich geringerer Zuwachs an Einnahmen erwartet – die Politik streitet deshalb bereits über Gegenmaßnahmen.

Haushaltspolitiker, Freidemokraten und Kommunen fordern, mehr zu sparen. Andere – etwa in der Union – weisen auf die schwächere Konjunktur als Ursache hin und wollen die Unternehmenssteuern senken, um die Wirtschaft zu stützen. Die Koalition könnte das vor eine Zerreißprobe stellen.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellt die Ergebnisse am Nachmittag in Berlin vor. Er hat seine Kabinettskollegen bereits auf mehr Haushaltsdisziplin eingeschworen. Berichten zufolge könnten Bund, Länder und Kommunen bis 2023 etwa 100 Milliarden Euro weniger einnehmen als bei der Schätzung im November vorhergesagt. Allerdings hatte Scholz seine Haushaltsprognose der generellen Erwartung bereits angepasst, so dass die tatsächliche Summe niedriger ausfallen dürfte.

In der Union ist man sich über die richtige Strategie aber nicht ganz einig. Der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), warnte in mehreren Interviews davor, jetzt noch höhere Ausgaben zu tätigen. „Die Grundrente der SPD ohne Bedürftigkeitsprüfung im Umfang von fünf Milliarden Euro ist nicht finanzierbar“, sagte er etwa dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und ähnlich der „Rhein-Neckar-Zeitung“ sowie der „Rheinischen Post“ (jeweils Donnerstag). Aber auch für weitreichende Steuersenkungen – wie sie der Wirtschaftsflügel der Union fordert – besteht aus seiner Sicht aktuell kein Spielraum: „Wir wollen dafür weder zurück zur alten Schuldenpolitik noch an Investitionen oder Leistungsgesetzen kürzen.“

Hingegen sprach sich Rehbergs Fraktionskollege Axel Fischer (CDU) für rasche Steuerentlastungen aus. „Angesichts der sich abschwächenden Konjunktur müssen wir frühzeitig gegensteuern, damit wenigstens zusätzliche Impulse zur Belebung der Binnenkonjunktur gesetzt werden“, sagte Fischer, der ebenfalls dem Haushaltsausschuss des Bundestags angehört, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Wer den Karren ziehe, müsse gestärkt werden. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss es nicht in erster Linie um den Luxus derer gehen, die im Karren gezogen werden.“

Die SPD lehnt Steuersenkungen für Unternehmen ab

Die SPD lehnt Steuersenkungen für Unternehmen ab. Zugleich pocht sie aber auf die Einführung einer sogenannten Grundrente oberhalb der Grundsicherung für alle langjährig beitragszahlenden Geringverdiener – unabhängig davon, ob sie bedürftig sind.

Ihr Ex-Vorsitzender Sigmar Gabriel sieht dennoch Spielraum für eine Unternehmenssteuerreform. „Mit fast 30 Prozent Unternehmenssteuern gegenüber 15 Prozent zum Beispiel in den USA verlieren wir einfach massiv an Attraktivität“, schrieb er in einem Beitrag für den Berliner „Tagesspiegel“ (Donnerstag). Die letzte große Unternehmenssteuerreform habe Rot-Grün im Jahr 2000 auf den Weg gebracht. „Seitdem ist im Wesentlichen nichts mehr geschehen.“ Gabriels Forderung ist allerdings verbunden mit weiteren Ideen: einer Entlastung von Geringverdienern bei Sozialabgaben, der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags zugunsten kleiner Kommunen und dem Verzicht auf einen ausgeglichenen Haushalt zugunsten von Investitionen.

„Der Rotstift ist unvermeidbar“

FDP-Chef Christian Lindner verlangte hingegen einen Ausgaben-Stopp. „Keine neuen Ausgaben und Subventionen“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Auch bisher schon beschlossene Maßnahmen müssen überprüft werden. Zum Beispiel das Baukindergeld, das Bauen teurer macht, aber nicht zu mehr Wohnungen führt.“ Priorität müsse haben, was eine Wirtschaftskrise verhindere: „eine Entlastung der breiten Mitte“. „Ein solcher Kraftakt wäre notwendig, um die Binnenkaufkraft zu stärken und eine mögliche Rezession zu verhindern.“

Auch der Bund der Steuerzahler forderte die Regierung auf, geplante Ausgaben zu hinterfragen. „Der Rotstift ist unvermeidbar“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel der Deutschen Presse-Agentur. Die große Koalition müsse den gesamten Haushalt überarbeiten. Fragwürdig seien nicht nur Projekte wie die Mütterrente und die Grundrente, sondern auch „sehr, sehr hohe Subventionen“. Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung dürften dagegen nicht infrage gestellt werden. Steuersenkungen wiederum könnten die Kaufkraft stärken und so Mehreinnahmen generieren.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht geplante Ausgaben ebenfalls kritisch. „Die aktuelle Steuerschätzung zeigt, dass die fetten Jahre vorbei sind“ und „dass es nicht damit weitergehen darf, insbesondere die Ausgaben und Versprechungen im Sozialbereich weiter zu steigern“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag). Konkret nannte er das SPD-Projekt der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Grund für die geringeren Erwartungen ist eine sich weltweit eintrübende Konjunktur – unter anderem wegen Handelskonflikten zwischen den USA und China sowie den USA und der EU. Das spürt besonders die exportstarke deutsche Wirtschaft. Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr deshalb nur noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,5 Prozent. Weniger Wachstum bedeutet auch weniger Geld für den Staat.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. Darin sitzen Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen. Sie gehen die erwarteten Einnahmen bei allen Steuerarten durch und rechnen diese dann zusammen. (dpa)



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