Frank Richter bei Anne Will: „Ich war zu DDR-Zeiten auch ein Wutbürger“

Frank Richter sei zu DDR-Zeiten selbst ein Wutbürger gewesen, sagt er bei Anne Will. Bei einem tatsächlich glaubwürdig vermittelten Interesse lasse sich auch erfahren, was die Menschen wollen, meint er.
Von 18. September 2017

„Zwischen Wohlfühlkampf und Wutbürgern – Verstehen die Politiker ihre Wähler noch?“ war am Sonntagabend Thema bei Anne Will. Unter den Gästen diesmal keine aktiven Politiker, sondern Akteure aus dem Bereich Philosophie, Theologie und Publikation, sowie der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel und die ehemalige SPD-Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan.

Die Sendung plätscherte dahin in einer Aneinanderreihung philosophischer Thesen, die offenbar zum Nachdenken anregen sollten. Da sei zum Beispiel das Statement von Medien-Professor Bernhard Pörksen genannt: „Vierzig Prozent der Wähler sind noch unentschieden.“ Warum? „Das sind politische entleerte Wahlen. Die Parteien sind visionsfeindlich. Alternativen sind nicht mehr sichtbar.“

Oder Schriftstellerin Thea Dorns Angriff auf die „denkfaule“ SPD: Die Sozis seien der „große Anwalt des Proletariats“. Deutschland erlebe gerade eine neue „Revolution unserer Arbeitswelt“. Wer kümmere sich da um die Abgehängten?

Gesine Schwans Konter: „Die SPD steht für Solidarität. Die CDU für Wettbewerbsfähigkeit, die führt zu Entsolidarisierung.“

Wirklich interessant wurde es erst gegen Ende der Sendung, als der Dresdner Theologe und ehemalige Chef der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen, Frank Richter, auf die Situation in Ostdeutschland angesprochen wurde. Richter war zur Wendezeit Teil der Bürgerinitiative der „Gruppe der 20“, die sich im Oktober 1989 in Dresden während einer Demonstration gebildet hatte und deren Aufgabe es war, mit den staatlichen Stellen das Gespräch zu suchen. Heute ist Richter Geschäftsführer der Stiftung der Dresdner Frauenkirche.

Richter differenzierte zunächst zwischen Hass und Wut, wobei er ersteres als inakzeptabel bezeichnete. „Hass ist zerstörerisch. Der muss weg.“ Aber „Wut entsteht, wenn sich ein Gefühl von Ohnmacht über Jahre ansammelt.“

Richter sei zu DDR-Zeiten selbst ein Wutbürger gewesen, sagt er. Bei einem tatsächlich glaubwürdig vermittelten Interesse lasse sich seiner Meinung nach auch erfahren, was die Menschen wollen. Zudem bedenke man, dass der Osten nie eine „wirklich länger währende Erfahrung mit Demokratie und mit offener Gesellschaft gemacht“ habe. Die Menschen im Osten hätten eine Transformation hinter sich, die für viele Menschen „keinen Stein auf dem anderen gelassen hat“, fährt der Theologe fort. „Wir haben eine überschichtete Bevölkerung.“

Wer beherrscht den Osten?

Zum näheren Verständnis darüber empfiehlt Richter die Studie von Olaf Jakobs „Wer beherrscht den Osten?“, in der deutlich werde, dass die erste, zweite und dritte Chefetage im Osten aus Menschen besteht, die aus Westdeutschland gekommen sind. Das führe unter anderem auch dazu, dass es gewisse „Akzeptanzdefizite“ auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung gebe. Und das nicht weil sie schlecht wäre, sondern weil die wichtigsten Funktionsträger im Osten aus Menschen bestünden, die nicht von hier kämen.

Abschließend noch die durchaus interessante Frage an Gesine Schwan als ehemalige Ost-Berlinerin – warum es der amtierende Bundeskanzlerin, die ja selbst auch dem Osten komme, so schwer fiele, sich dort zu verständigen?

Schwan: „Angela Merkel wollte nie als Frau oder als Ostdeutsche besonders gewürdigt werden.“ Die Diskrepanz entstehe, weil Merkel in keinster Weise erkennen ließe, dass sie eine gewisse Empathie für die Menschen im Osten hege, sondern sie heroisiere nach westlichen Maßstäben und habe keinen besonderen Sinn dafür, dass Ostdeutsche nach der Wende von Westdeutschen immer in Frage gestellt wurden. Dies sei übrigens auch bei vielen anderen Westdeutschen der Fall.

Frank Richter wollte gern noch einmal zum Thema einsteigen, doch die Sendezeit war zu Ende. Schade.



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