Freispruch im Entführungsfall Würth: Gericht zweifelt an Stimmgutachten

Der behinderte Sohn von Unternehmer Reinhold Würth wird im Sommer 2015 entführt. Eine wichtige Spur bei den Ermittlungen ist die Stimme des Lösegelderpressers. Aber die gehört nach Überzeugung des Gießener Landgerichts nicht zu dem Angeklagten.
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Zu den wichtigsten Beweismitteln in dem Indizienprozess gehörte ein Stimmgutachten.Foto: Arne Dedert/dpa
Epoch Times27. November 2018

Der Entführungsfall des Unternehmersohns Markus Würth im Juni 2015 bleibt unaufgeklärt: Knapp ein dreiviertel Jahr nach der spektakulären Festnahme eines Tatverdächtigen auf Grundlage einer Tonbandaufnahme sprach das Landgericht Gießen den Mann am Dienstag frei. Nach gut zweimonatiger Prozessdauer hielt das Gericht die Aufnahme der Stimme in dem Indizienprozess für nicht ausreichend für eine Verurteilung 48-Jährigen.

Entführung von Milliardärs-Sohn

Der damals 50 Jahre alte Sohn des Schraubenunternehmers und Milliardärs Reinhold Würth war im Juni 2015 im hessischen Schlitz entführt worden. Für die Freilassung des behinderten Mannes forderte der Entführer ein Lösegeld in Höhe von drei Millionen Euro. Die Übergabe des Geldes war vorbereitet, scheiterte aber. Einen Tag nach der Entführung wurde Markus Würth unterkühlt, aber wohlbehalten an einen Baum gefesselt gefunden.

Das Gericht folgte mit dem Urteil dem Plädoyer der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen dreieinhalb Jahre Haft wegen erpresserischen Menschenraubs gefordert.

Gericht glaubt Stimmgutachten nicht

Der nun freigesprochene Mann lebte zuletzt in Offenbach, ursprünglich stammte er aus Serbien. Eine Zeugin hatte nach einer Öffentlichkeitsfahndung der Polizei mit der Tonbandaufnahme eines Entführeranrufs in der Stimme den bei ihr tätigen Handwerker zu erkennen geglaubt.

Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Anklage im Wesentlichen auf die Tonbandaufnahme. Ein Stimmengutachten ergab in dem Prozess, dass auf dem Tonband „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ der Angeklagte zu hören gewesen sei.

Dafür hatten Experten die aufgezeichnete Stimme des Erpressers untersucht. Die Analyse lieferte unter anderem Erkenntnisse zur Region, aus der der Anrufer vermutlich stammt und wo er Deutsch gelernt haben könnte. Denn dieser sprach mit einem deutlichen Akzent.

Dieser Sicht folgte das Gericht nach Angaben eines Sprechers letztlich aber nicht.

Demnach bewertete die Kammer das Stimmgutachten als nicht ausreichend. Der Prozess habe viel mehr die Grenzen einer solchen Expertise gezeigt.

Zu wenig Daten?

Dies liege vor allem an der speziellen Situation des Falles mit einem Angeklagten, der als Serbe Deutsch erst als zweite Sprache gelernt hat, sagte der Gerichtssprecher.

Für diese Gruppe gebe es nicht ausreichend viele Daten für Stimmgutachten, um eindeutige Spezifika für eine Identifizierung zu erarbeiten.

Anders als bei der bei jedem Menschen einzigartigen DNA gebe es keine einzigartige Stimme.

Freispruch noch nicht rechtskräftig

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Familie Würth kann noch Rechtsmittel einlegen. Der Haftbefehl gegen den seit März in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten wurde noch im Gericht aufgehoben. Außerdem steht dem Mann nun ein Anspruch auf Haftentschädigung zu.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist das Urteil bei der Aufklärung des Verbrechens ein erheblicher Rückschlag. Die Anklage ging davon aus, dass es mehrere Tatbeteiligte gab – neben dem nun Freigesprochenen gibt es aber bisher keine namentlich Beschuldigten.

(afp/dpa/sm)



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