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Meinung

Fritz Vahrenholt

Fritz Vahrenholt: Hat die Bundesregierung beim Industriestrompreis versagt?

In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt unter anderem über den Industriestrompreis, die Maßnahmen der Bundesregierung zur Senkung der Strompreise und ihre wahrscheinlichste Wirkung.

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Ein Industriestrompreis soll energieintensive Betriebe unterstützen. Was er wirklich bewirkt, bleibt offen.

Foto: Walaiporn Sangkeaw/iStock Collage: Epoch Times

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Lesedauer: 11 Min.


In Kürze:

  • Deutschlands Wirtschaft strauchelt. Ein Industriestrompreis soll es richten.
  • Viele besonders betroffene Unternehmen können von den Maßnahmen zunächst oder gar nicht profitieren.
  • Grundlegende Ursachen bleiben bestehen. Weiter steigende Kosten werden anders verteilt.
  • Entlastungen für die Bürger sind nicht in Sicht.

 
Die Abweichung der globalen Mitteltemperatur vom langjährigen Mittel der Satellitenmessungen hat sich im November weiter verringert. Sie liegt bei 0,43 Grad Celsius (°C) gegenüber dem Mittelwert der vergangenen 30 Jahre. Das ist der drittniedrigste Wert seit über zwei Jahren. Noch kleiner waren die Abweichungen zuletzt nur im Juli (+ 0,36 °C) und August (+ 0,39 °C) 2025. Die außergewöhnliche Erwärmung der Jahre 2022 und 2023 geht damit weiter deutlich zurück.
Die Temperaturen im November 2025 überstiegen das langfristige Mittel um nur noch +0,43 Grad Celsius. Der langfristige Erwärmungstrend liegt weiterhin bei +1,6 °C in 100 Jahren.

Die Temperaturen im November 2025 überstiegen das langfristige Mittel um nur noch +0,43 °C. Der langfristige Erwärmungstrend liegt weiterhin bei +0,16 °C pro Jahrzehnt oder +1,6 °C in 100 Jahren.

Die Bundesregierung versagt bei der Lösung der Strompreiskrise für die Industrie

Die Jahr für Jahr steigenden Strompreise sind eine maßgebliche Ursache für das Industriesterben in Deutschland. Das hat sich bis zur Bundesregierung herumgesprochen. Doch anstatt sich gegen die ausufernde Verteuerung der Strompreise durch die hohe CO₂-Abgabe für Kraftwerke zu wehren, wurden Kapazitäten von Braunkohle-, Steinkohle- und sogar CO₂-freien Kernkraftwerken abgeschaltet. Das Wort „Kernenergie“ kommt in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD an keiner Stelle mehr vor. Um das Schlimmste zu verhindern, soll nun der Strompreis für die Industrie durch den Bundeshaushalt subventioniert werden.
Das soll an drei Stellen passieren: Die Stromsteuer, der Industriestrompreis und die Netzentgelte sollen gesenkt werden. Und in allen drei Fällen versagt die Bundesregierung:

Die Stromsteuersenkung bringt nichts

Die Stromsteuer soll von 2,05 Cent pro Kilowattstunde (Cent/kWh) auf 0,05 Cent/kWh gesenkt werden. Diese Entlastung soll der Industrie und dem Gewerbe zugutekommen. Die privaten Haushalte sollen, anders als in der Koalitionsvereinbarung erklärt, davon nicht profitieren.
Die Steuersenkung soll 3 Milliarden Euro ausmachen. Für die Unternehmen ist das aber ein alter Hut. Denn die Ampelregierung hatte bereits im November 2023 beschlossen, dass bis Ende 2025 die Stromsteuer für die energieintensive Industrie auf 0,05 Cent/kWh gesenkt wird – und bereits damals angekündigt, dass diese Senkung weiter fortgesetzt werden sollte.
Der jährliche Aufwand betrug bislang 3 Milliarden Euro und erhöht sich nun um 1 Milliarde Euro durch die Einbeziehung weiterer gewerblicher Unternehmen. Die Maßnahme ist für die energieintensive Industrie also bestenfalls ein Erhalt des Status quo.
Offenbar hat aber die Regierung Merz die Konditionen für die energieintensive Industrie jedoch sogar verschlechtert. Nach der nun ab 1. Januar 2026 geltenden Regelung muss nämlich die Industrie – teilweise anders als früher – die Stromsteuer erst einmal in unveränderter Höhe von 2,05 Cent/kWh bezahlen und kann diese dann erst viele Monate später in einem bürokratischen Antragsverfahren zurückbekommen. Das ist weder industriefreundlich, noch trägt es zum Bürokratieabbau bei.
Die Liquiditätsverluste für die energieintensive Industrie machen für große Unternehmen Millionenbeträge aus, vom bürokratischen Aufwand ganz zu schweigen.

Die Senkung des Strompreises gilt nur teilweise …

Schon im Juli kündigte Bundeskanzler Merz an: „Wir wollen die Stromkosten weiter senken, wenn wir die finanziellen Spielräume dazu haben“, so der Kanzler. „Diese Bundesregierung wird mit Ehrlichkeit handeln.“ Im November 2025 sprach er von einem Zielpreis von 5 Cent/kWh für die stromintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb stehe. 5 Milliarden Euro sollten dafür bereitgestellt werden.
Mittlerweile ist große Ernüchterung in den Chefetagen der stromintensiven Industrie eingetreten. Im Zentrum der Kritik steht dabei, dass ein Nachlass von 50 Prozent auf den Strompreis nur für die Hälfte des bezogenen Stroms gewährt wird. Das sieht die EU-Regelung CISAF vor (Ziffer 120). Bei einem heute üblichen Börsenstrompreis von etwa 10 Cent/kWh wird also ein Gesamtstrompreis von 7,5 Cent/kWh erreicht.
Der Haken ist: Zusätzlich muss die Hälfte des Rabatts durch das Unternehmen in Investitionen zur Dekarbonisierung gesteckt werden, die nicht wirtschaftlich sind. Bringt man diesen „Einbehalt“ zum Abzug, werden aus den proklamierten 5 Cent/kWh bereits 8,25 Cent/kWh. So wird aus ehrlichem Handeln eine Mogelpackung.

… und nicht für die energieintensive Industrie

Doch die größte Mogelei kommt noch. In den Veröffentlichungen der Bundesregierung wird vermieden, darauf hinzuweisen, dass die EU-Kommission eine Strompreissenkung nicht für die Industriebetriebe zulässt, die bereits eine sogenannte Strompreiskompensation bekommen. Das ist aber die überwältigende Mehrzahl der deutschen energieintensiven Unternehmen.
Konkret handelt es sich dabei um rund 350 Industriebetriebe der Metall-, Papier-, Glas- und chemischen Industrie, die einen hohen Anteil an Energiekosten aufweisen und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb stehen. Um diese nicht aus dem internationalen Wettbewerb zu werfen, hatte die EU-Kommission bereits im Jahre 2013 erlaubt, dass diesen Unternehmen bis zu 75 Prozent der im Strompreis versteckten CO₂-Kosten erstattet werden können.
Anzumerken bleibt zunächst: Weil hiervon nicht alle Strommengen umfasst sind, kommen viele Unternehmen im Ergebnis nur auf eine Erstattung der tatsächlich angefallenen Kosten von 50 Prozent und weniger. Gleichzeitig dürfen diese energieintensiven Betriebe nach Willen der EU-Kommission nicht noch einmal durch eine Strompreissenkung unterstützt werden. Wenn das so bleibt, bekommt die deutsche energieintensive Grundstoffindustrie keinen Pfennig von der groß angekündigten Strompreissenkung.

Die energieintensive Industrie in Deutschland (rote Linie) schwächelt nicht erst seit dem Ukraine-Konflikt. Spätestens seit Anfang 2018 – dem ersten Preissprung der CO₂-Zertifikate (grüne Linie) – geht es bergab.

Foto: ts/Epoch Times/mit Material von Statistisches Bundesamt (Destatis) und Wien Energie

Netzgebühren werden unbezahlbar

Die Bundesregierung wird 2026 aus dem Klima- und Transformationsfonds, der von den CO₂-Abgaben der Bürger und der Unternehmen gespeist wird, 6,5 Milliarden Euro zur Senkung der Netzgebühren zur Verfügung stellen. Dieser Betrag wird den vier Übertragungsnetzbetreibern Amprion, Tennet, 50Hertz und Transnet BW zur Verfügung gestellt, die das überregionale Hochspannungsnetz betreiben. Ziel ist es, die durch den Netzausbau für die Energiewende steigenden Netzkosten zu dämpfen.
Die Senkung ist zunächst nur für 2026 beschlossen. Doch die Jahr für Jahr überbordenden Kosten des Netzausbaus werden entweder die privaten Haushalte und die Unternehmen massiv beeinträchtigen oder den Bundeshaushalt. Nach einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts in Köln werden die Kosten des Netzausbaus bis 2045 insgesamt 732 Milliarden Euro betragen, 302 Milliarden Euro für das Hochspannungsnetz und 430 Milliarden Euro für die regionalen Niederspannungsnetze.
Der Anstieg der Netzkosten würde der Studie zufolge für Haushalte etwa 18 Cent/kWh betragen, für das Gewerbe 15 Cent/kWh und für die Industrie 7 Cent/kWh. Diese Beträge addieren sich auf die heutigen Netzkosten von etwa 11 Cent/kWh für Haushalte, 9 Cent/kWh für das Gewerbe und etwa 5 Cent/kWh für die Industrie.
Sollten die zusätzlichen 7 Cent/kWh für die Industrie an die deutschen Industrieunternehmen durchgereicht werden, ist eine Grundstoffindustrie in Deutschland ausgeschlossen. Sollte es der Bundeshaushalt übernehmen, so steht die Finanzierung infrage.
Schon heute werden über die Förderung der Erneuerbaren Energien jährlich etwa 20 Milliarden Euro ausgegeben, sodass mit den Netzkosten ein höherer zweistelliger Milliardenbetrag Jahr für Jahr für die Energiewende aufzubringen wäre.

Unbezahlbare Energiewende durch unbrauchbare Erneuerbare

Die Ursache für die maßlose Netzkostensteigerung ist der Ausbau der volatilen erneuerbaren Energien. Um deren Schwankungen aufzufangen, müssen die Netze überdimensioniert werden, um Überproduktionen (Hellbrise) aufzunehmen. Bei Unterproduktionen (Dunkelflaute) sind dann die Netze nicht mehr wirtschaftlich ausgelastet. Daher sind die ausufernden Kosten eine Folge des Ziels Deutschlands, die deutsche Energieversorgung mit 100 Prozent volatiler Wind- und Sonnenenergie zu bewerkstelligen.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche hat die Fehlkonstruktion der Energiewende erkannt und nannte als eines von drei Kriterien: „Die Energiewende muss bezahlbar sein.“ Aber die SPD lässt eine Kurskorrektur nicht zu. E.ON-Chef Leonhard Birnbaum hat die Forderung nach einem Moratorium und der Abschaffung des EEG in einem Satz zusammengefasst: „Wir bauen Erneuerbare, die wir nicht brauchen, in ein Netz, das es nicht verträgt.“
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, in den im November veröffentlichten und in Deutschland viel geschmähten Bericht der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA hineinzuschauen. Darin macht man sich Sorgen um die Zukunft Europas.
Dort findet man auch die einfache Wahrheit, dass preiswerte Energie auf Basis von Öl, Gas, Kohle und Kernenergie „gutbezahlte Arbeitsplätze schafft, die Kosten der Verbraucher und Unternehmen reduziert, die Reindustrialisierung vorantreibt und den Vorsprung in Zukunftstechnologien wie KI sichern hilft“.
Schaut man in den deutschen Koalitionsvertrag, so werden dort als einzige neue Energietechnologie „Höhenwindkraftwerke“ erwähnt. Unsere Energiepolitik ist wirklich lächerlich geworden.
Dieser Artikel erscheint im Original voraussichtlich in Kürze auf klimanachrichten.de unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Die Bundesregierung und die Strompreiskrise“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems. Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten: Was Sie über den Klimawandel wissen sollten“, und 2021 folgte „Unanfechtbar?: Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net

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