Gauland vergleicht Höcke mit Helmut Kohl: „Beide wollten die geistig-moralische Wende“

Während sich Medien und Verfassungsschutz auf Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke einschießen, dem ein Kokettieren mit extremistischen Inhalten vorgeworfen wird, hat Parteisprecher Alexander Gauland mit einem Helmut-Kohl-Vergleich für Aufregung gesorgt.
Titelbild
Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag.Foto: Bodo Schackow/dpa
Von 24. Januar 2019

Anlässlich der Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die rechtskonservative AfD zum „Prüffall“ hinsichtlich einer möglichen Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst zu erklären, hat sich die Talkrunde „Maischberger“ auf ARD am Mittwoch (24.1.) zusammengefunden, um über die Frage „Bedroht die AfD die Demokratie?“ zu diskutieren.

Während es vonseiten des neuen Verfassungsschutzchefs Thomas Haldenwang heißt, es gebe „erste Anhaltspunkte dafür, dass sich die Politik der AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte“, sehen andere diese eher durch das Vorgehen gegen die neue Oppositionspartei gefährdet. Neben linksextremistischen Übergriffen gegen ihre Mitglieder und gezielte Benachteiligung wie hinsichtlich der Wahl einer AfD-Vertreterin ins Bundestagspräsidium sei auch eine politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes etwas, das Angst machen sollte, meint etwa Parteichef Alexander Gauland.

Das Vorgehen des Verfassungsschutzes sieht er als einen „Versuch, eine Oppositionspartei mundtot zu machen“. Dies umso mehr, als der Prüfbericht, der sich zudem teilweise auf Material aus linksextremistischen Quellen stützten soll, der AfD gar nicht erst zugänglich gemacht worden sei, bevor er an die Medien ging.

Wie auch der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs von Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, bestätigte, kenne das Bundesverfassungsschutzgesetz eine Kategorie des „Prüffalls“ zudem gar nicht, weshalb eine öffentliche Verkündung desselben eine stigmatisierende Wirkung ausübe und deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Partei darstelle.

Wird der Druck auf Höcke wieder wachsen?

Während sich in der AfD selbst zahlreiche Vertreter der Parteirechten Ordnungsverfahren ausgesetzt sehen und einige von ihnen wie der frühere Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, sogar neue parteipolitische Wege bestreiten, hat sich ein Teil der Medienöffentlichkeit auf den Thüringer Landesvorsitzenden und Fraktionschef Björn Höcke eingeschossen.

Über die „Prüffall“-Einstufung der Partei insgesamt hinaus seien der rechtsnationale Flügel um Höcke und die Jugendorganisation Junge Alternative gar ein „Verdachtsfall“ hinsichtlich einer möglichen verfassungsfeindlichen Ausrichtung. Auch der Vorsitzende der Thüringer Polizeigewerkschaft, Oliver Malchow, forderte vor diesem Hintergrund Beamte, die bei Wahlen für die AfD kandidieren, dazu auf, sich klar von Höcke und dessen „Flügel“ zu distanzieren.

Der ehemalige Sport- und Geschichtspädagoge könnte damit erneut in den Mittelpunkt innerparteilicher Auseinandersetzungen innerhalb der AfD geraten. Ob diese ein Ausmaß annehmen werden wie in der Ära Frauke Petry, ist noch ungewiss.

Nach einigen umstrittenen Äußerungen, die ihn in den Verdacht eines „völkischen Nationalismus“ rückten, wurde Höcke bereits für ein Gros der liberal-konservativen und einen Teil der christlich-konservativen Anhänger zu einem Feindbild. Sie warfen ihm vor, durch provokative Wortwahl und ultranationalistische Anklänge der Partei zu schaden. Der Bundesvorstand unter Frauke Petry schaffte es nach seiner „Dresdner Rede“ Anfang 2017 knapp, die erforderliche Mehrheit für ein Parteiausschlussverfahren zu erlangen. In der Rede hatte Höcke unter anderem eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert, weil Politik und Gesellschaft in Deutschland infolge eines tiefgreifenden Schuldkomplexes auf Grund der NS-Zeit unfähig wären, eigene Interessen zu artikulieren.

AfD in Thüringen deutlich über 20 Prozent

Die Nationalkonservativen und der andere Teil der Christlich-Konservativen betrachteten Höcke seiner nationalromantischen Authentizität und seiner Ausstrahlungskraft als „Wiederverzauberer der Welt“ wegen hingegen als Symbolfigur. Aber auch einige Klassisch-Liberale wie der spätere Parteisprecher Jörg Meuthen hielten einen möglichen Ausschluss Höckes für schädlich.

Die Partei würde dadurch mehr aktive und enthusiastische Unterstützer verlieren als sie in der bürgerlichen Mitte gewinnen könnte, war ihre Überlegung. Anders als einfacher gestrickte und weniger charismatische Exponenten des rechten Parteiflügels würde ein erheblicher Teil der Partei und ihrer Anhänger Höcke für unverzichtbar halten – ähnlich wie Sahra Wagenknecht für die „Linke“. Zudem, so lautete das weitere Argument, würde man sich auf diese Weise der Deutungshoheit des politischen Gegners unterwerfen.

In weiterer Folge hielt Höcke sich mit allzu stark emotionalisierenden Äußerungen zurück, im Gegenzug unterminierte Meuthen durch seine Rückendeckung erfolgreich die Bemühungen, den Thüringer Landeschef auszuschließen. Petry und ihr Lebensgefährte Marcus Pretzell verließen die Partei, nur wenige schlossen sich ihnen an.

Dass ausgerechnet jetzt, ein knappes halbes Jahr vor der Landtagswahl in Thüringen, wo Höckes AfD in Umfragen bei 22 Prozent liegt, dieser Landesverband und sein Landeschef ins Visier des Verfassungsschutzes kommen, überrascht kaum. Um den Narrativ vom unverbesserlichen nationalistischen Extremisten Höcke zu füttern, haben seine Gegner nun so lange sein bereits im Frühsommer des Jahres 2018 erschienenes Buch auf- und abgelesen, bis sie fündig geworden sind.

„Gallische Dörfer“

Entsprechend gehen derzeit Passagen durch die Medien, in denen Höcke darüber sinniert, was passieren würde, sollte die Situation in Teilen des Landes so weit eskalieren, dass Deutschland-loyale Kräfte die Souveränität darüber nicht mehr behaupten könnten. Für diesen Fall schlug Höcke einen strategischen Rückzug in „gallische Dörfer“ als „neue Keimzelle des Volkes“ vor, schwerpunktmäßig im Osten. Früher oder später, so Höcke weiter, könnte aus der „Auffangstellung eine Ausfallstellung werden, von der eine Rückeroberung ihren Ausgang nimmt“.

Außerdem heißt es: „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir in Deutschland keine halben Sachen.“ Menschliche Härten und unschöne Szenen würden sich „nicht immer vermeiden lassen“. Diese Passagen kamen auch in der „Maischberger“-Sendung zur Sprache.

Götz Aly erblickt in der „Berliner Zeitung“ hinter diesen Worten „einen nur leicht verschlüsselten, meines Erachtens eindeutig verfassungsfeindlichen Aufruf, Waffen zu vergraben und Nächte der langen Messer vorzubereiten“. Andere hingegen sehen darin lediglich die Feststellung, dass die Duldung einer Erosion des Rechtsstaates jetzt Probleme schaffen könne, die unweigerlich zu menschlichen Härten führen würden, sobald man sich daran mache, diesen wiederherzustellen. Die USA haben solche Situationen im Zusammenhang mit millionenfacher illegaler Einwanderung allein in den letzten 20 Jahren mehrfach erlebt.

Auch Gauland nimmt Höcke in Schutz. „Ich kenne Björn Höcke und weiß, dass das ein sehr kluger, gebildeter Mann ist, der allerdings eine übersteigerte Liebe zu diesem Land hat.“ Er sei ein Nationalromantiker, ein „Geschichtslehrer, der mit leidenschaftlichem Herzen die Geschichte und Kultur dieses Landes liebt“. Eine Einschätzung, die auch die „Zeit“ bereits vor Jahren geäußert hatte.

Ob Gauland Höcke durch seinen Vergleich mit Altkanzler Helmut Kohl, der wie nun auch der Thüringer Fraktionschef, eine „geistig-moralische Wende“ angemahnt hätte, allerdings einen großen Gefallen getan hat, bleibt ungewiss. Nicht nur, weil dieser Vergleich umgehend auf wütende Proteste der Mitdiskutanten gestoßen war. Sondern vor allem, weil auf die von Kohl angekündigte Wende tatsächlich die Umgestaltung der CDU durch Rita Süßmuth und Heiner Geißler folgte – und diese sich damit in eine komplett andere Richtung vollzog als die, die viele Kohl-Wähler sich gewünscht hatten.

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion