Gegen „Remigrations-Fantastereien“ und „Paternalismus“: AfD vor dem Abschied von der Islamkritik?

Bis dato haben Politiker und Funktionäre der AfD kaum ein gutes Haar am Islam gelassen. Nun gerät die Landtagsfraktion NRW für ihren Antrag auf ein Kopftuchverbot an Schulen unter Beschuss aus den eigenen Reihen.
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Die Moschee Merkez Camii in Duisburg (Symbolbild).Foto: iStock
Von 16. September 2019

Mit dieser Form von Gegenwind dürfte die Fraktion der AfD im Landtag von Nordrhein-Westfalen nicht gerechnet haben. In der „Rheinischen Post“ erschien am Freitag (13.9.) ein – was für deutsche Leitmedien nicht immer alltäglich ist – vollständig wertungsfreier Artikel über ihren am gleichen Tag eingebrachten Antrag auf eine Änderung des Schulgesetzes von NRW. Demzufolge soll künftig ein Kopftuchverbot für Kinder an allen nordrhein-westfälischen Schulen bis zum 14. Lebensjahr gelten.

Zudem fordert die AfD die Landesregierung dazu auf, gemeinsam mit den Islamverbänden in einer Aufklärungsaktion auf muslimische Eltern „einzuwirken, ihre Töchter vom Tragen des Kopftuchs zu verschonen“, da dieses nach Überzeugung der AfD als Mittel zur „körperlichen und psychischen Disziplinierung“ junger Mädchen diene.

AfD-Fraktion nennt Frankreich als Vorbild

Ein Verbot diene, so die Landtags-AfD weiter, dem Kindeswohl und erleichtere die Integration in die deutsche Gesellschaft. Vielfach sei das Kopftuch eine Bedrohung für muslimische Mädchen, die keines trügen.

Um ihre Forderung zu untermauern, verweist die Fraktion auf eine ähnliche Regelung in Frankreich. Österreich hat ein Kopftuchverbot für Mädchen im Grundschulalter verhängt und diskutiert derzeit über dessen Ausdehnung auf spätere Jahrgänge. Zudem befürworteten Umfragen zufolge 57 Prozent der Deutschen ein Kopftuchverbot für religionsunmündige Mädchen. Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) hatte ebenfalls für einen solchen Schritt in Kitas und Schulen plädiert.

Der Antrag der AfD-Landtagsfraktion stieß jedoch schon bald auf entschiedene Kritik – allerdings nicht vonseiten der Medien, der Islamverbände oder politischer Gegner, sondern aus den eigenen Reihen.
Der 35-jährige Aachener Ratsherr Markus Mohr veröffentlichte am frühen Sonntagmorgen (15.9.) auf Facebook eine persönliche Stellungnahme, in welcher er erklärte, der Antrag auf das schulische Kopftuchverbot möge zwar „gut gemeint“ sein, schieße jedoch über das Ziel hinaus.

Landtags-AfD macht sich „Staatsverständnis des Altparteien-Kartells zu eigen“

Natürlich, so Mohr, sei es „legitim, den Islam kritisch zu hinterfragen“ und auch er selbst sehe einige Erscheinungsformen desselben mit Befremden. Allerdings würde der Antrag der Landtagsfraktion in unverhältnismäßiger Weise das Recht von Menschen auf Persönlichkeitsentfaltung sowie Herausbildung und Bewahrung der eigenen Identität einschränken. Zudem verletzte er das im Grundgesetz garantierte elterliche Erziehungsrecht:

„Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder. Das schließt ein, Kinder in einem Glauben aufziehen zu dürfen, der nicht nur formal auf einem amtlichen Dokument vermerkt ist, sondern der auch praktisch gelebt wird. Der Antrag der AfD-NRW-Landtagsfraktion verkennt dies. Er rüttelt an den Grundfesten der Religionsfreiheit und der elterlichen Erziehungsfreiheit. Er ist Ausfluss einer politischen Bewusstseinsstörung, bei der staatlich verordneter Konformismus an die Stelle der freien Persönlichkeitsentwicklung gesetzt wird.“

Die AfD-Landtagsfraktion-NRW mache sich in ihrem Antrag „das paternalistische Staatsverständnis des Altparteien-Kartells zu eigen, das in den Bürgern des Landes eine unmündige und vom Staat zu erziehende Manövriermasse sieht“.

Das Recht, die persönliche Lebensführung frei von staatlicher Einflussnahme zu gestalten, sei für ihn nicht verhandelbar, betonte Mohr. Zudem habe er „volles Verständnis für muslimische Eltern, die ihren Töchtern aus religiöser Überzeugung lieber eine sittliche Kleidungsweise und ein Kopftuch ans Herz legen, statt bauchfreie Tops und Hotpants zu befürworten“. Er werde sich „in der AfD weiterhin für die Religionsfreiheit und das Recht auf freie persönliche Lebensführung einsetzen“.

Fühler in Einwanderermilieus ausstrecken

Wenig später meldete sich der aus dem hessischen Rödermark stammende AfD- und „Junge Alternative“-Politiker Jochen K. Roos, ebenfalls auf Facebook, zu Wort und mahnte an, in der AfD müsse „endlich ein professioneller Umgang mit dem Islam in seiner Gänze gepflegt werden“. Wer weiterhin mit der „falschen und von der Geisteshaltung her durch und durch linken und ultraliberalen Verbalbrechstange“ zu Werke gehe, so Roos, werde am Ende gar nichts bewegen und diskreditiere sich als ernstzunehmender politischer Akteur. Weiter erklärt Roos:

Fantastereien von einer vollständigen Remigration ganzer Religions- und Kulturgemeinschaften mögen am örtlichen Stammtisch sicher für Erheiterung sorgen, ernsthafte Politik kann man in der BRD damit aber sicher nicht machen, und das ist gut so.“

Stattdessen sollte man sich überlegen, wie man unerschlossene Wählermilieus für sich gewinnen könne. Das gehe am Ende „nur über glaubhafte und seriöse Kritik an Dingen, die selbstverständlich zu kritisieren sind, aber nicht in der Art und Weise, wie man sie von ‚unseren‘ Leuten leider viel zu oft vorgelebt bekommt.“

Unter den Facebook-Nutzern, die diesen Beitrag mit einem „Like“ bedachten, waren unter anderem Tomasz M. Froelich, seines Zeichens Referent und Büroleiter des AfD-Bundessprechers Prof. Jörg Meuthen, und der Kandidat für das Europäische Parlament Dietmar-Dominik Hennig.




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