Gericht erklärt Gesetz zur „Aufweichung“ der Stickoxid-Grenzwerte für unwirksam

Die erst im März beschlossene Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann einem Gerichtsurteil zufolge Fahrverbote für Dieselautos nicht verhindern. Laut dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg darf die Bundesregierung nicht EU-Grenzwerte "de facto aufweichen oder aushöhlen".
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Messgeräte für die Probennahme von Feinstaub und Stickoxiden in Stuttgart.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Epoch Times17. April 2019

Die erst im März beschlossene Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann einem Gerichtsurteil zufolge Fahrverbote für Dieselautos nicht verhindern. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte am Mittwoch die volle Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in Mannheim zu Fahrverboten in Reutlingen. Demnach dürfe die Bundesregierung „nicht unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unionsrechtlich geltende, dem Gesundheitsschutz verpflichtende Grenzwerte de facto aufweichen oder aushöhlen“.

Wenn Dieselfahrverbote bei einer Stickoxid-Belastung von bis zu 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft durch die Gesetzesänderung ausgeschlossen würden, sei das ein „klarer Verstoß gegen den Vorrang des Unionsrechts“. Um den gültigen EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm schnellstmöglich einzuhalten, sei die Aussperrung älterer Diesel ein angemessenes Mittel. Wegen „grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache“ können die Prozessbeteiligten Berufung vor dem Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Die DUH hatte in Reutlingen – wie in zahlreichen anderen Städten – auf Fahrverbote geklagt, weil der Grenzwert seit Jahren deutlich überschritten wird. In Reutlingen wurden im vergangenen Jahr an einer Messstation im Jahresmittel 53 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter Luft gemessen. Die Landesregierung hatte gehofft, unter Verweis auf die erst kurz vor der Gerichtsverhandlung im März beschlossene „Aufweichung“ des Grenzwerts Fahrverbote vermeiden zu können.

Regierung kann die Autofahrer nicht vor Fahrverboten schützen

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärte: „Die Urteilsbegründung ist eine Ohrfeige für die Bundesregierung, die mit der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im März den Eindruck erwecken wollte, dass damit Einfahrbeschränkungen für schmutzige Diesel-Fahrzeuge nicht mehr notwendig seien.“ Er erklärte weiter: „Unter den giftigen Dieselabgasen leidende Kinder, Asthmatiker, ältere Menschen und Lungenvorgeschädigte profitieren von dem klaren Urteil und können hoffentlich bald in Reutlingen eine ‚Saubere Luft‘ einatmen.“

Die gerichtliche Anordnung der Fahrverbote war auch deshalb ein Rückschlag für die Bundesregierung, weil die Kreisstadt zu den fünf Modellstädten für saubere Luft gehört, die das Bundesverkehrsministerium für spezielle Maßnahmen zur Vermeidung von Fahrverboten ausgewählt hatte. Die Reutlinger erhalten gut 19 Millionen Euro Förderung vom Bund, die sie unter anderem in den Ausbau des Busnetzes und ein Jahresticket für 365 Euro investiert haben.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Frank Sitta, erklärte: „Nach kaum einem Monat ist die angestrebte Lösung der Großen Koalition wieder in sich zusammengebrochen.“ Einmal mehr werde deutlich, dass die Regierung die Autofahrer nicht vor Fahrverboten schützen könne. (afp)



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