Glück – nicht nur auf dem Stundenplan

Seit 2007 wird das Fach "Glück" an der Heidelberger Willy-Hellpach-Schule als Wahlfach angeboten. Nun veröffentlichte Ernst Fritz-Schubert, Schulleiter und Gründer des Faches, das Buch "Glück kann man lernen". Wir trafen den Autor, um mit ihm über das Thema "Glück" zu sprechen.
Titelbild
Fritz Schubert: "Zufriedenheit ist das Meer, aus dem ab und zu die Wellen des Glücks emporsteigen. Das Glück ist der Motor für das gelingende Leben."Foto: privat
Epoch Times7. Oktober 2010

Er ist kein Pädagoge oder Soziologe, nein er ist Diplom-Volkswirt. Ernst Fritz-Schubert ist nicht so ernst wie er heißt. Freundlich und zuvorkommend ist er und oft mit einem Lächeln im Gesicht. Was seine Persönlichkeit noch sympathischer macht, ist, dass er nicht nur Schulleiter ist und Volkswirtschaft unterrichtet, sondern den Schülern auch etwas anderes beibringt, das über die bloße Wissensvermittlung hinausgeht. Er möchte mit seinem gegründetem Glücksfach Lebenskompetenz, Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung fördern und diese im Schulalltag realisieren. In seinem Büro der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg sprachen wir mit dem Schulleiter über das Thema Glück allgemein, warum wir heutzutage solch ein Fach benötigen und wie das Fach Glück in der Schule umgesetzt wird.

Epoch Times: Herr Fritz-Schubert, in der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg unterrichten Sie das Fach Glück seit 2007 als Wahlfach. Es schließen sich immer mehr Schulen in Deutschland und im deutschsprachigen Raum diesem neuen Trend an. Sie sind der Initiator. Ist dies als eine, wenn auch kleine Schulreform anzusehen?

Ernst Fritz-Schubert: Es ist eine Ergänzung des Bildungsangebotes, das in unserer Zeit vorwiegend auf Wissen abzielt. Was beim Menschen eigentlich das körperliche und das seelische Wohlbefinden verursacht, ist mehr als das, wenn er weiß, wann Amerika entdeckt wurde. Es kommt darauf an, dass wir Erkenntnisse haben. Intelligenz ist für mich auch wesentlich mehr, als das, was sich in Schulnoten ausdrückt. Es gibt eine kreative Intelligenz, dass man etwas Neues entdeckt, es gibt eine analytische, damit man weiß, wie es sich zusammensetzt, es gibt eine praktische, damit man weiß, wie man es umsetzt und es gibt eine soziale, damit man fragt, ob das Ganze auch nützt. All diese Dinge würde ich in den Bereich der Erkenntnis setzen.

Ich wünsche mir, dass wir neben der Wortvermittlung des Wissens verstärkt auch eine Erlebnisvermittlung schaffen, die dazu führt, dass gute Erlebnisse auch zu guten Erfahrungen führen. Und wenn die guten Erfahrungen da sind, werden die Menschen für sich Ziele, Intentionen finden, und werden unter Umständen wissen, wie diese Intentionen dann auch umzusetzen sind. Das ist das, was im Fach Glück erfahren  werden soll.

Wir begeben uns auch auf die Sinnsuche, anders als in der Philosophie, nicht über die Gedanken, den Verstand, sondern auch über die körperlichen und emotionalen Erlebnisse. Es kommt darauf an etwas zu reflektieren. Wenn wir gute Erfahrungen machen, entsteht das Verlangen nach Fortführung oder Wiederholung. Umgekehrt werden schlechte Erfahrungen zu Vermeidung führen. Denken Sie an das Erlebnis mit der heißen Herdplatte. Ein Kind wird sich nach dieser Erfahrung hüten, noch einmal hinzufassen. Genau so geht es dem Schüler, der an der Tafel steht und bloßgestellt wird, weil er die Binomische Formel nicht auflösen kann. Damit wir an uns glauben, brauchen wir Bestätigung in Form von Wertschätzung für Dinge, die wir gut gemacht haben.

Zusätzlich versuchen wir im Unterricht den Schülern zu vermitteln, dass sie sich selbst motivieren, aber auch beruhigen können. Beides sind Fähigkeiten, die zu einem mündigen und selbstbewussten Bürger gehören. Sie sollen selbstverantwortlich entscheiden können, was sie wirklich wollen und was nicht. Mit sich in Harmonie sein, gehört nämlich auch zum gelingenden Leben. Das unterscheidet das Konzept des Glücksunterrichtes von dem, was traditionell angeboten wird. Es geht also einerseits um das Erlebnis und andererseits um die Reflexion darüber.

Epoch Times: Es geht um das Nachdenken darüber?

Fritz-Schubert: Ja, man muss die Schüler zum  Nachdenken anregen. Auch zum Beispiel darüber, wie Glück entsteht. Das finde ich ganz wichtig, weil, die direkte Glückssuche ein Quatsch ist, weil jeder, der direkt nach dem Glück strebt, es verjagt. Viel wichtiger ist es,  für sich die guten Gründe zum Glückleichsein zu finden, denn dann stellt sich das Glück von selbst ein.

Epoch Times: Das heißt Glück ist subjektiv?

Fritz-Schubert: Es ist auf jeden Fall subjektiv. Jeder Mensch hat unterschiedliche Einflussfaktoren. Es gibt genetische Dispositionen, denken Sie an den Sunnyboy, der immer gut drauf ist oder an den Sauertopf, der immer schlechte Laune hat. Studien haben herausgefunden, dass dieser Teil etwa 50% beträgt. Dann gibt es einen Schicksalsteil, wen trifft man, was passiert mir? Da die Menschen sich anpassen können, ist der weit geringer als man annimmt. Er beträgt lediglich 10 %. Es bleiben also noch 40 % erlernbares Glück. Im Wesentlichen sind es Haltungen und Einstellungen, z.B. wie nehme ich mich oder andere wahr. Jetzt geht es darum, wie erhalte ich diese Einstellung. Ich gehe davon aus, dass Haltungen und Einstellungen auf Erlebnissen beruhen. Die Aufgabe des Glücksunterrichtes besteht darin, Schlüsselerlebnisse zu schaffen, die nachhaltig Haltungen und Einstellungen beeinflussen. Sei es beim Theaterspielen, beim Stockkampf oder vielleicht auch beim Klettern. Es gibt eine Vielzahl von Übungen für authentische Erlebnisse, die nachhaltig wirken.

Epoch Times: Ist der Mensch, wenn er zufrieden ist, glücklich?

Fritz-Schubert: Wenn man  Zufriedenheit und Glück unterscheiden will, eignet sich vielleicht folgender Vergleich. Zufriedenheit ist das Meer, aus dem ab und zu die Welle des Glücks emporsteigen. Der glückliche Mensch kommt praktisch immer wieder zurück auf sein Level der Zufriedenheit.  Das Glück hat ja eine bestimmte Funktion für den Menschen. Es ist der Motor für das gelingende Leben. Dieser Motor setzt sich alleine in Gang bei der Befriedigung unserer existenziellen Bedürfnisse, wie z.B. beim Essen, beim Schlafen oder beim Sex, um uns zu erhalten. Diesen Motor kann man auch selbst in Gang setzen, bspw. durch positive Emotionen wie durch Erfolg, Vorfreude oder auch Dankbarkeit. Wenn ich also das gute Gefühl habe, dass das Gespräch mit Ihnen gut wird und mir Freude macht, dann entsteht gute Laune, die wiederum Energien freisetzt. Genauso ist, wenn ich daran glaube, dass ich mein Ziel erreiche, auch dieser Optimismus setzt Energien frei. Es bedarf also Erlebnissen, die solche Haltungen und Einstellungen zu festen Glaubenssätzen machen: Ich kann es, ich weiß es.

Epoch Times: Warum gibt es dieses Fach erst jetzt? Sind unsere Kinder und Jugendlichen unglücklicher als früher und warum?

Fritz-Schubert: Sie haben zu wenig Erlebnisse, die sie später auch verwenden können. Ihnen wird vorgegaukelt, dass allein die Befriedigung materieller Bedürfnisse glücklich macht: Ein neues Kleidungsstück, eine Spielkonsole oder ein Auto. Wenn ich das mit meinen eigenen Erlebnissen vergleiche: Ich war glücklich auf den Baum zu steigen und mir den schönsten Apfel zu erobern. Oder ich habe meiner Mutter zum Muttertag einen Feldblumenstrauß gepflügt und habe ihr Briefchen geschrieben. Ich habe bis Weihnachten auf die Süßigkeiten warten müssen, bis die Mutter die Dose mit den selbst gebacken Plätzchen vom Schrank runter genommen hat und sie unter  den Weihnachtsbaum gestellt hat. Materielle Verführungen waren da eher die Ausnahme. Ich habe viele Erlebnisse gehabt, durch die ich mich auf das gelingende Leben vorbereiten konnte.

Ich bin der Meinung, dass wir in einer beschleunigten Gesellschaft leben, die die Aufmerksamkeit der Kinder so sehr absorbiert. Virtuelles Leben hat das reale abgelöst. Denken Sie doch nur an „Second life“. Kinder verpassen die Erlebnisse, die für sie im späteren Leben nützlich wären. Auch zum Ausgleich dessen, was nur virtuell zu erfahren ist, muss ich etwas Praktisches anbieten. Das heißt, ich muss den Kindern in der Schule, an dem Ort, den sie auch wichtig finden, etwas anbieten, was es wieder kompensiert, es ausgleicht.

Oder als Metapher gesprochen, ich sehe die Kinder alle durch eine Straße laufen und auf der linken Seite ist ein McDonalds, eine Spielplattform, ein iPhone, ein Markenartikelshop – alles ist da. Dabei steht auf der anderen Seite die Familie, Freundschaft, ein lohnenswertes Ziel und vielleicht sogar der Erfolg in der Schule. Alles Glücksbringer, die aber leider nicht als solche wahrgenommen werden.

Epoch Times: Über den Konsum hinaus…?!

Genau, wir müssen ihnen klar machen, dass geschickte Marketingstrategen sie aus Umsatz- und Gewinnmaximierungsgründen in eine Tretmühle des Konsums verführen wollen, der ihnen bei der Glückssuche wenig behilflich ist, sondern eher das Gegenteil bewirkt.

Epoch Times: Geld und materielle Dinge machen also nicht gleich glücklich?

Fritz-Schubert: Die machen auch glücklich, es kommt nur darauf an, wie lange das Glück bei materiellen Gütern dann anhält und wie viel Geld man braucht, um glücklich zu sein.

Epoch Times: Wird das Fach „Glück“ etabliert. Meinen Sie, dass das Fach irgendwann an allen deutschen Schulen gelehrt wird?

Fritz-Schubert: Das würde ich mir wünschen, aber im Prinzip hoffe ich das Prinzip Glück im Unterricht wirklich zu initiieren. Also der Impuls, der  von dem Fach Glück ausgeht, der kann auch dazu führen, dass die Menschen denken, es ist noch wichtig, neben dem Faktenwissen auch die Erkenntnis zu gewinnen. Weil man erst dann tatsächlich von Weisheit sprechen kann und im anderen Fall nur von Wissen.

Der Wissenserwerb ist ja durch Suchmaschinen zum Beispiel möglich, wenn ich viel weiß, dann kann ich auch unter Umständen Millionär bei Günther Jauch werden. Aber wenn ich wirklich die Erkenntnis habe, dann kann ich für mich die Welt erobern.

Epoch Times: Kann ein unglücklicher Lehrer „Glück“ unterrichten?

Fritz-Schubert: (lange Pause) Ja, aber es ist dann ein anderer Zugang. Watzlawick: „Die Anleitung zum Unglücklichsein“ führt ja letztendlich auch zum Glück. Wobei ich jetzt unterscheiden muss, was ein unglücklicher Lehrer eigentlich  ist, denn das Gegenteil von Glück ist nicht das Unglück.

Epoch Times: Sondern?

Fritz-Schubert: Die Angst, die Depression – das sind Dinge, die das Glück verhindern. Das Gegenteil von Glück, weil der Glücksbegriff ja umfassender ist, ist dann, wenn es auf das Lebensglück abzielt, die Depression, die Krise. Wobei die Krise auch nicht unbedingt ein Unglück sein muss. Die schöpferische Krise bei Goethe oder bei Künstlern ist unter Umständen dann immer etwas, durch das Neues bewirkt wird.

Epoch Times: Lebensglück, ist es das höchste Ziel – den Sinn des Lebens gefunden zu haben?

Fritz-Schubert: Lebensglück zum Beispiel wird durch Teilfaktoren bestimmt. Dazu gehört Sicherheit, dazu gehört Frieden und wenn diese beiden vorhanden sind, dann strebt der Mensch nach Sinn. Zum Beispiel sehnen sich die unfreien Menschen auf der Welt nach Freiheit, das macht für sie Sinn. Genau so wie die Armen sinnvoller Weise sich zunächst um ihre Existenz sorgen. Das heißt also, die Sinnsuche des Menschen beginnt kognitiv, verstandesmäßig erst dann, wenn die zwei Faktoren Sicherheit und Friede erreicht sind.

Epoch Times: Wie viele Kinder und Jugendliche sind es, die das Fach besuchen?

Fritz-Schubert: Deutschlandweit mit Österreich ungefähr 600. Es sind 20-25 Schulen. Wir haben auch Lehrer ausgebildet. Die zweite Ausbildungsphase läuft gerade. Wir wenden  das Konzept in abgewandelter Form auch in Kliniken und für junge Sportler an. Der Anwendungsbereich ist breiter als man denkt. Es ist vor allem dazu da, den Menschen zu helfen, die guten Gründe für das Glücklichsein zu finden.

Epoch Times: Wie ist die Resonanz auf Ihr Buch „Glück kann man lernen“?

Fritz-Schubert: Sehr gut, ich habe nur gute Rezensionen. Es ist mittlerweile in der zweiten Auflage. Zum Schulfach Glück gab es ja auch schon ein Buch, das ist mittlerweile in der fünften Auflage. Ich habe vor weiter initiativ zu werden. Gestern war ich an einem Gymnasium, das das Fach unbedingt  einführen möchte. Morgen bin ich im Lehrerseminar in Karlsruhe. Es geht weiter.

Epoch Times: Ihre Schüler lernen durch Erlebnisse, Erfahrungen, nicht durch Wissensvermittlung. Wie sieht es mit der Benotung aus?

Fritz-Schubert: Eine Schule ohne Noten ist schwer vorstellbar. Noten sind für Schüler enorm wichtig. Alles was Noten hat, alles was einen Preis hat, das scheint wertvoller, erstrebenswerter zu sein. Außerdem ist Glück nicht zum Spaß da. Die Noten entstehen aus den schriftlichen Erlebnisberichten der Schüler, aus ihren Beobachtungen und aus der Beantwortung der Frage, wie nützlich die gemachten Erfahrungen für den Alltag sind.

Durch die Reflexion wird es möglich, eine Verbindung zwischen kognitiven Fähigkeiten und emotionalen Erfahrungen herzustellen.

Epoch Times: Wie funktioniert solch ein Unterricht?

Fritz-Schubert: Er hat z.B. theaterpädagogische Elemente. Durch die Bewegungspädagogik schaffen wir körperliche Erfahrungen und durch Rollenspiele erleben die Schüler sich in der Gemeinschaft. Sie verkosten Lebensmittel, um den Geschmacksinn zu testen und zu prüfen, ob Bioprodukte einfach besser schmecken. Die Schüler erfahren in sozialen Projekten, dass Altruismus auch glücklich machen kann. Es geht immer um Erlebnisse und deren Reflexion.  Ein Schüler, der 120 kg wiegt und über Balken läuft, der von zierlichen Mitschülern gehalten wird, erlebt, dass Vertrauen und Verantwortung zwei Seiten einer Medaille sind.

Epoch Times: Ich bedanke mich für das Gespräch.

Fritz-Schubert: Ich bedanke mich auch.

Das Interview führte Caroline Chen.

Buchcover: "Glück kann man lernen: Was Kinder stark fürs Leben macht", Ernst Fritz-Schubert, Ullstein-Verlag, 19,95 Euro.Buchcover: "Glück kann man lernen: Was Kinder stark fürs Leben macht", Ernst Fritz-Schubert, Ullstein-Verlag, 19,95 Euro.Foto: privat


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