Gorbatschow: Kohls wichtigstes politisches Erbe – seine Fähigkeit „wie man von Feindschaft übergeht zu Kooperation und Vertrauen“

Helmut Kohls wichtigstes politisches Erbe seien "seine Fähigkeit, auf Partner einzugehen, seine Erfahrung, wie man von Feindschaft übergeht zu Kooperation und Vertrauen", so der letzte Staatspräsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow.
Titelbild
Michail Gorbatschow (l) und Helmut Kohl. 24. Oktober 1988 in Moskau, Russland.Foto: /AFP/Getty Images
Epoch Times21. Juni 2017

Der letzte Staatspräsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, würdigte Helmut Kohl im „Spiegel“ als „einen herausragenden Staatsmann Europas, ja der ganzen Welt“.

Kohls wichtigstes politisches Erbe seien „seine Fähigkeit, auf Partner einzugehen, seine Erfahrung, wie man von Feindschaft übergeht zu Kooperation und Vertrauen“. Wohl das schwierige deutsch-russische Verhältnis andeutend, schreibt er im „Spiegel“: „Das sind unschätzbare Werte in einer Zeit, da die internationale Lage auf das Gefährlichste angespannt ist. Ich hoffe, die heutigen Politiker werden sich an seiner Erfahrung ein Beispiel nehmen, und zwar lieber früher als später.“

Auch privat habe er ein Vertrauensverhältnis zu Kohl entwickelt, der ihm einst einen 20-Euro-Schein mit seinem Autogramm schenkte. „Nachdem wir beide kein Führungsamt mehr hatten, trafen wir uns weiter regelmäßig. Wir führten viele offene Gespräche, und es ging dabei nicht nur um Politik. Kohl interessierte sich zum Beispiel ernsthaft für die Geschichte Russlands, für ihre Anfänge ebenso wie für die jüngste Vergangenheit.“

Schweigeminute für Helmut Kohl

Mit einer parlamentarischen Gedenkstunde hat der Landtag von Rheinland-Pfalz an den verstorbenen Altkanzler erinnert.

Nach einer Schweigeminute würdigten am Mittwoch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner die Verdienste Kohls um Deutschland und Europa, aber auch um sein Heimatland Rheinland-Pfalz. Kohl war von 1969 bis 1976 Ministerpräsident in Mainz und blieb seiner Heimat bis zu seinem Tod eng verbunden.

„Bei allem und vielleicht zuerst war Helmut Kohl ein leidenschaftlicher Europäer“, sagte Ministerpräsidentin Dreyer. Er habe die klare Vision eines freien und vereinten Europas der Staaten vor Augen gehabt. Es sei nicht nur zum Architekten, sondern zusammen mit den europäischen Nachbarn auch zum „Baumeister der Europäischen Union“ geworden.

Dreyer würdigte zudem Kohls Beitrag zur deutschen Vereinigung. Er habe das Misstrauen der europäischen Nachbarn, der US- und der russischen Regierung überwunden. Dies sei ihm gelungen, weil er glaubwürdig für die Überzeugung gestanden habe, dass Deutschland immer nur im Verbund mit seinen europäischen Nachbarn stark sei.

CDU-Landes- und -fraktionschefin Klöckner nannte Kohl einen „großen Staatsmann“ und „Jahrhundertpolitiker“. Als er am Freitag gestorben sei, habe das Land für einen Moment still gestanden, weil ein „ganz Großer“ gegangen sei. „Die Welt wäre eine andere, wäre er nicht gewesen“, sagte Klöckner.

Macron würdigt Kohl als Vorbild für alle überzeugten Europäer

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat den verstorbenen Altkanzler als Vorbild für die Europäer und als den Mann, der den Franzosen ein anderes Deutschland nähergebracht habe, gewürdigt: „Helmut Kohl ist für alle Franzosen der Repräsentant eines Deutschlands, das versucht, aus Ruinen ein Ideal zu schaffen. Das versucht, der Welt ein Projekt vorzuschlagen und damit die Verletzungen und Gräuel wiedergutzumachen“, so Macron in einem für den „Spiegel“ verfassten Nachruf.

Frankreich trauere um einen Mann, so Macron, der gewusst habe, dass sich Realpolitik nur auszahle, wenn sie höhere Ideen anstrebe.

Macron schreibt, er und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollten diesen Faden wieder aufnehmen. „Das ist unser Ziel, denn wir wissen, was wir Europa – und auch seinen Gründern und Förderern schuldig sind.“ Kohl müsse Vorbild sein für alle überzeugten Europäer: „Es ist Zeit für Frankreich, sich das Erbe Helmut Kohls in seiner ganzen Fülle wieder anzueignen. Und Europa eben nicht zu einer technischen Angelegenheit verkommen zu lassen.“

Der französische Präsident schließt seine Hommage an den verstorbenen deutschen Staatsmann mit den Worten: „Geben wir diesem Europa wieder eine Chance, machen wir es wieder zu einem Versprechen. Das schulden wir Helmut Kohl.“

Der langjährige Kanzler war am Freitag im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshafen gestorben. Am 1. Juli soll es für Kohl einen Europäischen Trauerakt in Straßburg und ein staatliches Trauerzeremoniell in Speyer geben. (dts/dpa/afp)



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