Grüne klagen Bundesregierung an: Inflationäres „Geheimstempeln“ von Akten – Fragerecht der Opposition ausgehebelt

Wie weit reicht das Frage- und Informationsrecht des Parlaments gegenüber der Bundesregierung? Auf die Klagen von vier Grünen-Politikern und deren Fraktion geht das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nun dieser Frage nach.
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Bundestag (Symbolbild).Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images
Epoch Times9. Mai 2017

Grünen-Politiker haben der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht vorgeworfen, unter dem Vorwand angeblicher Geheimhaltungspflichten das Fragerecht des Bundestags auszuhebeln und der Öffentlichkeit damit wichtige Informationen vorzuenthalten.

Das „Geheimstempeln“ von Akten sei mittlerweile „inflationär“, sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz am Dienstag in Karlsruhe. Das Gericht prüft auf die Klagen von vier Grünen-Politikern und deren Fraktion, wie weit das Frage- und Informationsrecht des Parlaments gegenüber der Bundesregierung reicht.

Gerichtspräsident Voßkuhle: Fragerecht des Parlaments ist „eine der effektivsten Waffen der Opposition in der Auseinandersetzung mit der Regierung“

Anlass der zweitägigen Verhandlung sind Fragen der Grünen im Jahr 2010 zur Aufklärung des Verhaltens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der der Bankenkrise von 2007 bis 2008 sowie zur Wirtschaftlichkeit des  milliardenteuren Bauprojekts Stuttgart 21 der bundeseigenen Deutschen Bahn AG.

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bezeichnete das Fragerecht des Parlaments „als eine der effektivsten Waffen der Opposition in der Auseinandersetzung mit der Regierung“.

Um wirksam zu werden, sei dieses Mittel „grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen“. Die Bestimmung der Reichweite des Fragerechts sei daher „eine Operation nahe am Herzen der Demokratie“.

Die Kläger kritisierten am Dienstag, dass die Bundesregierung die Fragen nicht oder nur mit Auflagen der Geheimhaltung beantwortet habe.

Ohne Informationen über das Handeln staatlicher Behörden könne das Parlament keine möglichen Missstände aufdecken und seinem Recht zur Kontrolle des Regierungsverhaltens nicht nachkommen.

Bankenkrise 2007/2008: Bekamen Manager pleitebedrohter Banken Boni aus dem Rettungsfonds?

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele führte dazu an, dass in einer Anfrage zur Bankenkrise von 2007/2008 herausgefunden werden sollte, inwieweit Manager pleitebedrohter Banken Boni von jeweils eine halben Million Euro aus dem Bankenrettungsfonds bekamen.

Die Bundesregierung habe aber nur lückenhaft und unter Geheimhaltungsauflagen geantwortet. Dies ärgere ihn, weil er sein Wissen nicht nutzen könne und eine öffentliche Aufarbeitung der Bankenkrise und der Rolle der BaFin damit verhindert werde.

Engelke: Zuviel an Informationen gefährlich für Staatswohl

Vertreter der Bundesregierung wiesen den Vorwurf übertriebener Geheimhaltung zurück. Staatssekretär Hans-Georg Engelke aus dem Bundesinnenministerium sagte, ein Zuviel an Informationen könne das Staatswohl gefährden.

Informationen zur Bankenaufsicht durch die BaFin könnten Einfluss auf den Finanzmarkt haben, weshalb Anfragen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit beantwortet werden könnten.

Den Fragen der Richterbank und des Präsidenten Voßkuhle zufolge scheinen die Verfassungshüter für solche Fälle ein Fristenmodell zu erwägen. Demnach könnte die Geheimhaltung nach einigen Jahren aufgehoben werden, um im Nachhinein eine öffentliche Rekonstruktion des Regierungshandelns zu ermöglichen.

Engelke räumte auf Nachfragen ein, dass dies möglich sei, wenn der Sachverhalt „abgekühlt“ sei und keine Geheimhaltungsinteressen mehr bestünden.

Von Notz zur Deutschen Bahn: Unternehmensbezogene Info nicht preisgegeben – Bundestag befürchtet sonst Kontrollverlust

Die Verfassungshüter wollen bis Mittwoch noch eine Reihe weiterer komplexer juristischer Fragen zur Antwortpflicht der Bundesregierung beleuchten.

Dazu zählt mit Blick auf die bundeseigene Bahn, inwieweit unternehmensbezogene Informationen aus Rücksicht etwa auf das Aktienrecht nicht preisgegeben werden müssen.

Von Notz zufolge geht es dabei nicht nur um die Kontrolle von Milliardenausgaben für die Bahn aus dem Bundeshaushalt.

Der Bundestag befürchte auch einen Kontrollverlust, falls die Bundesregierung eine Bundesautobahngesellschaft gründet, um Planung, Bau und Verwaltung der großen Fernstraßen beim Bund zu zentralisieren. (afp)



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