Häme im Netz: Von der Leyen verwechselt europäische Institutionen

Mit einem Fauxpas sorgte Ursula von der Leyen in ihrem Rücktrittsschreiben als Bundesverteidigungsministerin am Montag für Irritationen. Die Politikerin, die heute als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt werden will, verwechselte den Europäischen Rat mit dem Rat der Europäischen Union.
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Foto: FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images
Epoch Times16. Juli 2019

Als der 2003 verstorbene frühere FDP-Generalsekretär nach den Bundestagswahlen 1990 vom Bildungsressort in das des Wirtschaftsministers wechseln sollte, zitierte ihn das „Handelsblatt“ mit der Aussage, er könne sich die dafür erforderliche Kompetenz „über Weihnachten aneignen“.

Die am Montag zurückgetretene Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die heute Abend vom Europäischen Parlament als designierte Präsidentin der Europäischen Kommission bestätigt werden soll, muss sich ihre Sattelfestigkeit im Umgang mit den europäischen Institutionen offenbar auch erst noch erarbeiten.

In ihrem Rücktrittsschreiben als Bundesverteidigungsministerin hatte es, wie der „Spiegel“ zuerst berichtete, ursprünglich geheißen: „Der Rat der Europäischen Union hat mich Anfang Juli als Kandidatin für die Präsidentschaft der EU-Kommission vorgeschlagen.“

Kritiker fühlen sich bestätigt

Diese Bezeichnung war jedoch nicht korrekt. Der „Rat der Europäischen Union“, inoffiziell auch als „Ministerrat“ oder „Staatenkammer der EU“ bezeichnet, ist jenes Gremium, in dem die jeweiligen Fachminister der Länder zusammenkommen und zusammen mit dem Europäischen Parlament die Rechtssetzung in der Europäischen Union ausübt.

Er kommt je nach Ressort in unterschiedlichen Formen zusammen – vom Rat für Allgemeine Angelegenheiten über den Rat für Auswärtige Angelegenheiten oder den Rat für Justiz und Inneres bis hin zum Rat für Wirtschaft und Finanzen.

Der Europäische Rat hingegen – der von der Leyen tatsächlich vorgeschlagen hat – ist das Gremium, in dem die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammenkommen.

Unter deutschen Schülern – auch solchen, die an Freitagen die Schule besuchen – ist das Verwechslungspotenzial zwischen den Gremien erfahrungsgemäß hoch. Auch ein erheblicher Teil der erwachsenen Bevölkerung dürfte die Unterscheidung nicht immer treffsicher vornehmen.

Dass eine designierte Kommissionspräsidentin und Politikerin, die für ein durchaus forsches Eintreten für den Europagedanken bekannt ist, die Organe verwechselt, hat in den sozialen Medien für Häme gesorgt.

Kritiker, die von der Leyen, die bislang nur Ämter auf nationaler Ebene innehatte, mangelnde Kompetenz für die Funktion vorwerfen, fühlten sich vielfach bestätigt. Mittlerweile ist der Fehler auf der Webseite korrigiert.

Obwohl Christdemokraten, Liberale und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament zusammen über die erforderliche Mehrheit verfügen würden, um von der Leyen bestätigen zu können, bleibt es bis zuletzt ungewiss, ob auch tatsächlich eine ausreichende Anzahl an Stimmen für die Kandidatin zusammenkommen wird.

Weber will für von der Leyen stimmen

Vor allem in den Reihen der Sozialdemokraten hat es nicht zuletzt vonseiten mehrerer SPD-Abgeordneter erhebliche Kritik an dieser Personalie gegeben. Politiker wie Ralf Stegner witterten eine Verschwörung zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán, um den „wunderbaren Kandidaten“ der SPE, Frans Timmermans, auszubooten.

Auch in der CSU ist der Unmut groß. Als sich abzeichnete, dass EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber keine sichere Mehrheit im Europäischen Parlament hinter sich vereinen würde, ließ ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel fallen und schloss mit Macron einen Deal, der von der Leyen als Kommissionspräsidentin umfassen sollte. Weber will von der Leyen nach eigener Aussage jedoch heute seine Stimme geben.

Diese wandte sich in einem Schreiben noch einmal an Liberale und Sozialdemokraten, in dem sie noch einmal ihre Entschlossenheit zu mehr „Klimaschutz“ und zur Ausweitung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments unterstrich. So hofft von der Leyen offenbar auch, allfällige Abweichler in den eigenen Reihen durch Stimmen von links egalisieren zu können.



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