Hamburg: Vorsitzender der Handelskammer lädt AfD von Gedenkveranstaltung aus

Die Rolle der Hamburger Handelskammer in der NS-Zeit insbesondere die Identifikation der Profiteure von Zwangsenteignungen und Deportation jüdischer Kaufleute, Händler und Unternehmer soll jetzt Aufgabe einer Kommission sein. Die Ausladung eines AfD-Vertreters von einer Gedenkveranstaltung für jüdische Opfer in der Handelskammer sorgt zudem für Unruhe.
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Speicherstadt in HamburgFoto: www.mediaserver.hamburg.de / Andreas Vallbracht
Epoch Times19. September 2018

In der Hamburger Handelskammer wird über den Vorschlag gesprochen, eine Kommission zu bilden, die untersucht, wer in der Hamburger Handelskammer und der Kaufmannschaft „zu den Profiteuren und Systemgewinnern der NS-Gewaltherrschaft“ gehörte. Das Plenum der Handelskammer wird dazu zeitnah eine Entscheidung treffen, berichtet die „Welt“.

Damit wird ein Thema angegangen, um das in der Vergangenheit ein großer Bogen gemacht wurde. Im Kern geht es um die Ausplünderung der jüdischen Kaufleute im Verlauf der NS-Diktatur und der damit verbundenen „Arisierung“.

Eine Kommission soll nun erarbeiten, wer sich durch die Enteignung und Aneignung jüdischer Vermögenswerte bereichert hat. Im Vorfeld will die Hamburger Handelskammer am 24. September in Form einer Gedenkveranstaltung an die vom NS-Regime ermordeten und in den Tod getriebenen Mitglieder ihres Ehrenamtes erinnern. Dies sind namentlich 13 Menschen, für die vor dem Kammergebäude Gedenksteine, auch genannt Stolpersteine, in den Boden eingelassen werden sollen.

AfD durch Handelskammer-Präses wieder ausgeladen

Üblicherweise werden zu solchen Ereignissen Vertreter der Parteien in der Hamburger Bürgerschaft eingeladen. Die Einladungen waren bereits an alle Parteien verschickt, da widerrief Handelskammer-Präses Tobias Bergmann die Einladung an die AfD, einen Vertreter dem Gedenkakt beiwohnen zu lassen. In einer Stellungnahme begründet der Präses den Schritt damit, dass „Funktionäre der AfD durch ungeheuerliche Aussagen in meinen Augen erkennen lassen haben, dass sie offensichtlich nicht die Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen haben. Aus Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus und deren Angehörigen sehe ich mich daher gezwungen, die Vertreter der AfD von der Stolpersteinverlegung für die Verfolgten aus dem Ehren- und Hauptamt der Handelskammer Hamburg  auszuladen“.

In der Funktion als Präses sei er einer parteipolitischen Neutralität verpflichtet, so Bergmann. Das bedeute für ihn allerdings nicht, dass er sich neutral zu Aussagen von Parteifunktionären verhalten müsse. „Das Gegenteil ist der Fall: Ich fühle mich verpflichtet, deutlich Flagge gegen jene zu zeigen, die nicht die Lehren aus dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte gezogen haben. Das gehört für mich zu den Prinzipien eines ehrbaren Kaufmanns. Es ist mein fester Wille, für die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit Weltoffenheit und Toleranz einzutreten, auch im Interesse des Wirtschaftsstandortes Hamburg“, so der Vorsitzende der Handelskammer.

Hamburger AfD-Fraktionschef: Ein „skandalöser Verstoß gegen das Neutralitätsgebot“

Alexander Wolf, Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft, äußerte zu der Ausladung: „Dreist instrumentalisiert Präses Bergmann das Erinnern für politische Zwecke, um vom eigenen Versagen und den eigenen Querelen abzulenken. Ein erneuter und skandalöser Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, zu dem die Handelskammer verpflichtet ist.“ Die AfD verurteile jede Form von Antisemitismus.

Die damals durch das NS-Regime verfolgten Menschen stehen stellvertretend für zahlreiche jüdische Lebens- und Familienschicksale, die tief mit Hamburg und seiner Geschichte verbunden sind. Zunächst soll ihnen die Emigration verwehrt worden sein, dann wurden sie in das KZ Theresienstadt oder das Getto Minsk deportiert und dort im Vernichtungslager Maly Trostenez ermordet oder in den Freitod in Hamburg getrieben.

Vergangenheitsbewältigung in der Handelskammer seit jeher ein heikles Thema

Der Umgang mit der NS-Zeit beschäftigt die Handelskammer schon länger und führte in der Vergangenheit zu erbitterten Auseinandersetzungen in der Führungsriege der Kammer. Insbesondere die öffentliche Erklärung des Kammerpräses Nikolaus W. Schües, die er anlässlich des 60. Jahrestages der Judenverfolgungen vom 9. November 1938, einer sogenannten Reichspogromnacht, durchsetzte. Darin hieß es, dass der Progrom „eine Mahnung an die heutige und die nachfolgenden Generationen, dass die Achtung des Lebens, der Würde und des Eigentums aller Menschen unantastbar ist“, sein sollte.

Die Kammer bereute, dass „damals auch die Wirtschaft nicht die Kraft gefunden“ habe, statt „schweigender Missbilligung offenen Widerstand zu leisten und sich schützend vor die Mitbürger jüdischen Glaubens zu stellen“. Diese Erklärung war allerdings ein mühsam erzielter Kompromiss. Der Streit ging so weit, dass konservative Kaufleute Schües vorwarfen, er habe „die Kammer verraten“, schreibt die Welt.

Auch jetzt soll es in Teilen der Kammer Widerstand geben, eine Verantwortung der Handelskammer in Bezug auf fehlenden Widerstand gegen Verbrechen in der NS-Zeit anzuerkennen. Kammerpräses Bergmann zeigt sich laut Welt jedoch entschlossen, auf dem damals von Schües eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Der Kammer sei bewusst, „dass wir hier nicht haltmachen dürfen, sondern uns weiter mit der eigenen Vergangenheit und unserer Rolle während des NS-Unrechtsregimes befassen müssen“, zitiert die Welt Bergmnn. (er)



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