Im Loveparade-Prozess könnte der letzte Vorhang fallen

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Gedenkstelle für die Opfer der Loveparade 2010 am Karl-Lehr-Tunnel in Duisburg.Foto: Fabian Strauch/dpa/dpa
Epoch Times1. Mai 2020

Einer der größten Strafprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik endet wahrscheinlich ohne Urteil: Knapp zehn Jahre nach der Loveparade-Tragödie von Duisburg wird am Montag die Entscheidung des Gerichts über die Einstellung des Verfahrens gegen die drei noch verbliebenen Angeklagten erwartet. Das endgültige Ende des Prozesses gilt als wahrscheinlich, nachdem Staatsanwaltschaft und Angeklagte bereits ihre Zustimmung zum Einstellungsvorschlag des Gerichts erklärten.

Rund zweieinhalb Jahre lang versuchte das Duisburger Landgericht, das erschütternde Geschehen bei der Loveparade vom 24. Juli 2010 zu durchleuchten. Damals wurden bei der Technoparade in Duisburg durch ein Gedränge am einzigen Zu- und Abgangsbereich des eingezäunten Veranstaltungsgeländes 21 Menschen getötet und mehr als 650 weitere verletzt.

In dem Prozess, der aus Platzgründen in einem Kongresszentrum der Düsseldorfer Messe stattfindet, sind derzeit noch drei Mitarbeiter des früheren Loveparade-Veranstalters wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Gegen sieben weitere Angeklagte stellte die Duisburger Strafkammer das Verfahren bereits im Februar vergangenen Jahres am 100. Verhandlungstag wegen geringer Schuld und ohne Geldauflagen ein.

Alles deutet darauf hin, dass dies nun auch bei den letzten Angeklagten der Fall sein wird. Überhaupt liegt es letztlich nur an den drei verbliebenen Beschuldigten, dass nicht schon seit über einem Jahr alle Akten im Loveparade-Prozess geschlossen sind: Die drei Angeklagten erklärten sich im Februar 2019 nicht einverstanden mit der Verfahrenseinstellung, die ihnen das Gericht damals gegen Geldauflagen in Aussicht gestellt hatte.

Die anschließende Fortsetzung des Prozesses stand unter großem Zeitdruck, weil im Sommer dieses Jahres zumindest bei einem Teil der Vorwürfe die sogenannte absolute Verjährung eintritt. Dann kam auch noch die Corona-Pandemie hinzu: Die Strafkammer musste das Verfahren in dem fensterlosen, klimatisierten Kongresszentrum zuletzt vorübergehend aussetzen, weil mehrere Prozessbeteiligte zu den Corona-Risikogruppen gehören.

Das nun womöglich bevorstehende Prozessende scheint allerdings weniger der Pandemie geschuldet als den großen rechtlichen Herausforderungen, vor denen Gerichte gerade in Prozessen wegen Fahrlässigkeitsdelikten gegen eine Vielzahl von Angeklagten stehen. Denn natürlich gilt auch im Loveparade-Prozess der rechtsstaatliche Grundsatz, dass jedem einzelnen Beschuldigten ein Maß individueller Schuld nachgewiesen werden muss.

Ursache für die Loveparade-Katastrophe war nach Überzeugung des Gerichts aber nicht nur ein einzelnes strafbares Versäumnis: Nach der Prüfung von Planung und Genehmigung der Großveranstaltung, aber auch falscher Entscheidungen von Verantwortlichen während des laufenden Festivals kam die Duisburger Strafkammer zu der Überzeugung, dass der Tragödie ein „multikausales Geschehen“ zugrunde liegt. Diese mannigfachen Unglücksgründe seien in dem Prozess auch „gründlich aufgeklärt“ worden.

In ihrer Stellungnahme zum Einstellungsvorschlag des Gerichts teilte auch die Staatsanwaltschaft die Auffassung der Richter, dass die Schuld der Angeklagten unter anderem angesichts des aktuellen Verfahrensstands als gering angesehen werden könne. Eine Fortführung des Prozesses sei insbesondere auch mit Blick auf die zu erwartenden Strafen für die Angeklagten bei einer Verurteilung „nicht mehr verhältnismäßig“.

Gleichwohl erklärte die Staatsanwaltschaft zur nun erwarteten Prozesseinstellung, angesichts der „schweren Folgen der Tragödie – 21 Tote, mehr als 650 Verletzte – und des damit verbundenen Leids ist uns diese Entscheidung nicht leicht gefallen“.

Nebenklagevertreter betonten hingegen, die Geschädigten und Angehörigen der Opfer seinen „maßlos enttäuscht“. „Wir bedauern, dass der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast zehn Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird“, erklärte die Düsseldorfer Kanzlei Baum Reiter & Collegen. (afp)



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