Institut: Deutschland hat jährlich 400 000 Fachkräfte zu wenig

Dem Institut IAB zufolge bräuchte Deutschlands Arbeitsmarkt Jahr für Jahr 400 000 zusätzliche Arbeitskräfte. Für Fachkräfte scheint das Land aber zu wenig attraktiv. Die Wirtschaftsflaute könnte auch noch für vermehrte Kurzarbeit sorgen.
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Fehlen Arbeitskräfte in Deutschland? Oder doch nicht?Foto: iStock
Von 3. November 2019

Wie die „Welt“ berichtet, geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) davon aus, dass die derzeitige Anzahl an Erwerbstätigen in Deutschland nicht mehr dauerhaft zu halten sein wird. Jahr für Jahr bedürfte es dazu eines Plus von 400 000 Arbeitskräften, die mangels eigener demografischer Voraussetzungen aus dem Ausland kommen müssten.

Vor allem seien es Fachkräfte, die fehlten, erklärt IAB-Chef Bernd Fitzenberger. Zwar wanderten nach wie vor mehr Menschen in Deutschland ein als das Land verließen, die Nettoimmigration werde jedoch in den kommenden Jahren vermutlich abnehmen, prognostiziert Fitzenberger gegenüber der „Welt am Sonntag“. Bemerkbar machen werde sich dies unter anderem dadurch, dass Arbeitskräfte aus den Nachbarländern wieder abwandern würden:

Weil unsere Nachbarländer die Krise überwunden haben, gehen auch viele Menschen zurück in ihre Heimat.“

Knapp ein Drittel der seit 2015 zugewanderten Asylbewerber sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Schaffe Deutschland es nicht, die Anzahl der Erwerbstätigen langfristig konstant zu halten, könne es sein, dass „Produktion nicht mehr in Deutschland stattfindet“. Allerdings sei es schwierig, sicherzustellen, dass das erforderliche jährliche Nettoplus von 400 000 Personen, die auf dem Arbeitsmarkt benötigt würden, auch entstehe.

Die derzeitige Zuwanderung scheint die Lage nicht nachhaltig zu entspannen. Ein Grund sei, dass Abschlüsse oft nicht vergleichbar wären. Von den Zuwanderern, die seit 2015 als Flüchtlinge oder Asylsuchende nach Deutschland gekommen waren, seien laut IAB-Zahlen nur 38 Prozent erwerbstätig – davon 82 Prozent sozialversicherungspflichtig.

Fitzenberger übt sich dennoch in Zweckoptimismus. Dieser Anteil sei „schon ganz erfolgreich“. Einige der Geflüchteten seien tatsächlich in der Lage, ihre Qualifikationen aus dem Heimatland zu nutzen: „48 Prozent der beschäftigten Geflüchteten üben eine Fachkraft-Tätigkeit aus, fünf Prozent arbeiten sogar als Spezialisten und Experten.“
Jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zufolge beziehen jedoch etwa rund drei Viertel (74,9 Prozent) aller im Gebiet der BRD lebenden Syrer im erwerbsfähigen Alter Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“).

Wirklich gut ausgebildete Fachkräfte bevorzugen USA, Schweiz oder Australien

Dass das Fehlen von Fachkräften in Deutschland tatsächlich in der Wirtschaft als Problem wahrgenommen wird, zeigte bereits eine Umfrage, die das in Köln ansässige Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) im Frühjahr unter 2400 deutschen Unternehmen durchgeführt hatte. Nicht weniger als 61 Prozent der Befragten hielten es demnach für ein „großes Risiko für ihre Geschäftsabläufe“, dass sie wichtige Positionen in ihren Unternehmen künftig möglicherweise nicht mehr besetzen können.

Allerdings ist Deutschland als künftiger Karriere- und Lebensmittelpunkt für potenzielle Fachkräfte nicht zwingend attraktiv. Dies geht zumindest aus einer OECD-Studie hervor, die im Mai 2019 vorgestellt wurde. Die Autoren der Studie stellten fest, dass Deutschland in der Rangfolge der attraktivsten Standorte für Fachkräfte mit Master-Abschluss oder Doktortitel nur den zwölften Platz belegt – deutlich hinter Ländern wie Australien, der Schweiz oder den USA.

Die derzeitige konjunkturelle Lage stimme zudem wenig optimistisch, meint auch Fitzenberger. Gegenüber der „Welt“ befürchtet er einen Zuwachs der Kurzarbeit. Im August habe dies 54 000 Menschen betroffen. Forderungen der SPD und der Gewerkschaften, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen, sieht man beim IAB kritisch.

Zwar hätten sich nach Einführung des Mindestlohns 2015 die Befürchtungen, dass es Beschäftigungsprobleme geben würde, nicht bewahrheitet. „Ein Sprung auf zwölf Euro wäre aber kritisch und könnte die Arbeitslosigkeit steigern“, sagte Fitzenberger. Für denkbar halte er allenfalls eine zeitverzögerte und schrittweise Erhöhung.



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