Jobcenter-Mord Rothenburg in den Medien: Warum die Berichterstattung Erwerbslose kriminalisiert

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Foto vom Tatort des Jobcenter-Mordes in Neuss 2012.Foto: Henning Kaiser / DPA / Getty Images
Epoch Times4. Dezember 2014

Neues zum Jobcenter-Mord in Rothenburg ob der Tauber: Der erstochener Mitarbeiter war ein externer Psychologe, der als Gutachter für die Behörde gearbeitet hatte. Dies teilte die Bundesagentur für Arbeit gestern per Pressemitteilung an ihre Mitarbeiter mit. Der 61-jährige starb gestern, am 3. Dezember durch die Messerattacke eines 28-jährigen. Der Tatverdächtige wurde von der Polizei gefasst, über sein Motiv wurde bisher nichts bekannt gegeben. Das Opfer erlag noch vor Ort seinen schweren Verletzungen, berichtete ein Sprecher der Polizei.

Die Hamburger Bloggerin Inge Hannemann, die unter dem Titel altonabloggt.com häufig Hartz IV und andere soziale Themen behandelt, stellte auf ihrem Blog klar, dass es sich bei dem Mitarbeiter um einen externen Psychologen handelte. Sie wunderte sich darüber, „dass die Medien von einem Jobcenter-Mitarbeiter sprechen, der es so jedoch nicht direkt war. Selbst die Bundesagentur für Arbeit schreibt in ihrer Pressemitteilung via Mail vom 3. Dezember an alle Mitarbeiter von einem Psychologen, der für das kommunale Jobcenter in Rothenburg ob der Tauber tätig war.“

Was die Falschberichte bewirken

Weiter analysiert sie: „Mit der Falschbeschreibung des sogenannten Jobcenter-Mitarbeiters impliziert dieser Tötungsdelikt, dass erneut, durch einen eventuellen Arbeitslosengeld II-Berechtigten die Gewalt in den Jobcentern ausufert. Somit findet eine Übertragung des Geschehens auf den Erwerbslosen statt. Die Gefahr besteht nun darin, dass die Arbeitslosengeld II-Berechtigten generell als Täter wahrgenommen werden oder [dazu] gemacht werden sollen. Ist es nicht vielmehr so, dass das eigentliche System und die damit umgesetzte Agenda 2010 eine Dehumanisierung hervorgebracht hat, die die Menschen zu Verzweiflungstaten verleitet?“

Zur Darstellung der Jobcenter-Attacken in den Medien schreibt Hannemann weiter: „Je nach Position der Schreibtischseite werden die Begriffe „Opfer“ und „Täter“ passend gemacht. Die Folgen sind Misstrauen und Vertrauensverlust in die Gesellschaft und in die Politik, Verschwendung und Entwertung menschlicher Ressourcen und Fähigkeiten sowie die „Aufrüstung“ von Sicherheitsmaßnahmen innerhalb der Jobcenter.“

Diffamierte Erwerbslose“ müssen wieder als Menschen wahrgenommen werden

Das derzeitige System mutiere „die Erwerbslosen zu Objekten, welche entmündigt und bevormundet werden“, so die Autorin. „Ziel muss es sein, eine Inklusion zu schaffen, in der die durch die Medien diffamierten Erwerbslosen wieder als Menschen inkludiert werden.“ Solange kein Umdenken stattfinde, werde es weiterhin „das Bild des kriminalisierten Erwerbslosen und eine Projizierung falscher Tatsachen“ geben.

Hannemann selbst war engagierte Mitarbeiterin beim Jobcenter in Hamburg und wurde vom Dienst suspendiert, weil sie auf ihrem Blog offen über die Missstände im Hartz IV-System schrieb. Sie klagt derzeit vor dem Arbeitsgericht der Freien und Hansestadt Hamburg gegen ihre Versetzung ins Integrationsamt. (rf)



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