Juristisches Neuland: Erste komplette Wahlwiederholung auf Landesebene

In Berlin geht die Wahlperiode trotz Neuwahl weiter. Bereits beschlossene Gesetze bleiben gültig. Juristisch ist die Lage verzwickt.
Titelbild
Wähler bei der Stimmabgabe zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses (AGH) und des Bezirkstages Pankow (Bezirksverodnetenversammlung; BVV) im Jahr 2021.Foto: Jan Zappner/AFP via Getty Images
Epoch Times9. Februar 2023

In der Hauptstadt steht die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl vom September 2021 kurz bevor. Erstmalig wurde eine Landeswahl 1991 in Hamburg für ungültig erklärt. Es gab dann allerdings eine Neuwahl. Mit der nun anstehenden Berliner Abstimmung findet offiziell die erste komplette Wahlwiederholung auf Landesebene statt – womit zugleich juristisches Neuland betreten wird.

„Die Wahlperiode beginnt mit der Wiederholungswahl nicht neu“, heißt es im Urteil, mit dem der Berliner Verfassungsgerichtshof die Wahl von 2021 für ungültig erklärte. Die Legislaturperiode läuft also weiter. Doch was bedeutet das für die bestehenden Gremien des Abgeordnetenhauses? Müssen diese neu gebildet werden? Dazu ließ Parlamentspräsident Dennis Buchner (SPD) den Wissenschaftlichen Dienst des Landesparlaments ein Gutachten anfertigen.

Was passiert mit den beschlossenen Gesetzen?

Die Experten machen klar: Weder die Berliner Verfassung noch das Landeswahlgesetz oder die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses enthalten Regelungen, wie das Parlament die begonnene Periode nach der Wiederholungswahl fortsetzen soll.

Unter Auslegung des Berliner Urteils und allgemeiner Verfassungsvorschriften kommen die Wissenschaftler jedoch zu dem Schluss, dass alle Gremien neu gebildet werden müssen. Das Parlament und die Fraktionen müssen sich demnach neu konstituieren. Das betrifft zudem alle Ausschüsse, das heißt auch die Untersuchungsausschüsse.

Zur Frage, ob auch der Präsident des Parlaments und seine Stellvertreter neu bestimmt werden müssen, ist das Gutachten weniger eindeutig. Es spreche jedoch „einiges dafür“, schreiben die Experten. Das gelte zudem auch für die weiteren Präsidiumsmitglieder. Der Wissenschaftliche Dienst untersuchte darüber hinaus, wie mit bis zur Wahl noch nicht endgültig verabschiedeten Gesetzen umzugehen ist.

Die Juristen empfehlen, im neu zusammengesetzten Parlament die erste Lesung der Gesetzentwürfe zu wiederholen. Damit könne dem in der Verfassung verankerten Gebot von zwei Lesungen entsprochen und „jegliche Rechtsunsicherheit vermieden“ werden.

Die Frage, ob bereits beschlossene Gesetze ihre Gültigkeit behalten, stellte sich hingegen nicht. Der Berliner Verfassungsgerichtshof machte in seinem Urteil bereits deutlich, dass diese weiterhin gelten.

Gericht fällte klares Urteil zur Wahlwiederholung

Am 26. September 2021 fanden in der Hauptstadt zeitgleich die Wahlen zum Bundestag, zum Abgeordnetenhaus, zu den Bezirksverordnetenversammlungen, ein Volksentscheid und ein Marathon statt. Dabei kam es zu zahlreichen Pannen wie fehlenden Stimmzetteln, vorübergehend geschlossenen Wahllokalen und langen Schlangen.

Für den Berliner Verfassungsgerichtshof waren diese so schwerwiegend, dass er die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten für ungültig erklärte – und damit eine Wiederholung anordnete.

Gegen das Berliner Urteil gingen mehrere Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein. Einen Eilantrag lehnten die Karlsruher Richter bereits ab. Ob die vollständige Wahlwiederholung verfassungsgemäß ist, wollen sie noch weiter prüfen. Allerdings soll eine Entscheidung erst im Nachhinein fallen.

Bleibt Giffey Bürgermeisterin?

Ob Giffey Regierende Bürgermeisterin bleiben wird, darf als ungewiss gelten. Jüngste Umfragen sehen ihre SPD mit 17 bis 21 Prozent nur auf dem zweiten oder dritten Platz. Vorn liegt die CDU mit 24 bis 26 Prozent, die Grünen kommen auf 18 Prozent. In früheren Erhebungen lag die SPD noch gleichauf mit den Christdemokraten oder waren die Grünen knapp vorn.

Auf den vierten Platz käme nach dem aktuellen Stand die Linke mit elf bis zwölf Prozent. Dahinter folgen die AfD mit zehn Prozent und die FDP mit fünf bis sechs Prozent. (afp/er)



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