Kaiser’s Tengelmann: Unendliche Übernahme-Geschichte ohne Happy End – Mitarbeiter „am Boden zerstört“

Die Tengelmann-Gruppe will seit Jahren ihre defizitäre Supermarktkette Kaiser's Tengelmann abstoßen. Doch die Komplettübernahme durch den Marktführer Edeka scheint endgültig gescheitert. Die Kette steuert auf ihre Zerschlagung zu.
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Die voraussichtliche Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann sorgt bei der Belegschaft der Supermarktkette für Entsetzen.Foto: Roland Weihrauch/Archiv/dpa
Epoch Times14. Oktober 2016

Die voraussichtliche Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann sorgt bei der Belegschaft der Supermarktkette  für Entsetzen. „Wir waren guter Dinge, jetzt sind wir am Boden zerstört“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Kette in Nordrhein-Westfalen, Rainer Schroers, den „Ruhr Nachrichten“ vom Freitag. „Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Das ist ein Horrorszenario.“

Auch der Chef des Kaiser’s-Tengelmann-Betriebsrats in Bayern, Manfred Schick, reagierte enttäuscht. „Man hat nicht alles versucht in den Verhandlungen an diesem sogenannten runden Tisch, um eine für die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze gute Lösung zu finden“, sagte er im Bayerischen Rundfunk. „Hier stellt man eindeutig finanzielle Interessen in den Mittelpunkt und nicht die Beschäftigten.“

Die Tengelmann-Gruppe als Eigentümerin von Kaiser’s Tengelmann sowie Edeka und der Konkurrent Rewe hatten am Donnerstagabend mitgeteilt, die Gespräche über die Zukunft der defizitären Supermarktkette seien gescheitert. Es war versucht worden, die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka doch noch umzusetzen.

Dafür hätten Rewe sowie Norma und Markant ihre Klagen gegen das Geschäft zurücknehmen müssen. Berichten zufolge sollten sie im Gegenzug einen Teil der Kaiser’s-Tengelmann-Filialen übernehmen. Auch von hohen Geldzahlungen war die Rede.

Die unendliche Geschichte einer Übernahme

Vor zwei Jahren, im Herbst 2014, gab die Tengelmann-Gruppe bekannt, sie wolle aus dem Supermarktgeschäft aussteigen und an Edeka verkaufen. Eine Fusion war geplant, die erhebliche Nachteile für Verbraucher und Lebensmittelhersteller bringen würde. Das zumindest befand das Kartellamt im Frühjahr darauf. Es begann ein heftiges Ringen um die Übernahme. Aber schauen wie uns die Entwicklung in chronologischer Reihenfolge Schritt für Schritt an:

7. Oktober 2014:

Die Tengelmann-Gruppe gibt bekannt, aus dem Supermarktgeschäft auszusteigen und seine 451 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen mit knapp 16.000 Angestellten an Edeka verkaufen zu wollen.

17. Februar 2015:

Das Bundeskartellamt äußert Bedenken wegen einer möglichen „Verdichtung der ohnehin schon stark konzentrierten Marktstrukturen“ und Nachteilen für Verbraucher sowie Lebensmittel- und Konsumgüterhersteller.

1. April 2015:

Das Kartellamt untersagt die Übernahme. Die Unternehmen gehen gegen das Verbot gerichtlich vor.

28. April 2015:

Tengelmann und Edeka beantragen bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Sondererlaubnis, um das Nein des Kartellamts auszuhebeln. Sie betonen, dass nur die Gesamtübernahme durch Edeka die 16.000 Arbeitsplätze von Kaiser’s Tengelmann sichere und bei einer Zerschlagung mindestens 8000 Stellen wegfallen würden.

3. August 2015:

Die Monopolkommission fordert Gabriel auf, das Geschäft nicht zu genehmigen – auch nicht unter Auflagen. Sie argumentiert, dass mögliche Gemeinwohlvorteile die zu erwartenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufwiegen. Zudem zweifelt die Kommission die Jobsicherung an: Bei Doppelstandorten könnten Stellen bei Edeka wegfallen.

12. Januar 2016:

Gabriel stellt eine Ministererlaubnis unter Bedingungen in Aussicht. Er kündigt an, das Geschäft zu genehmigen, wenn Edeka 97 Prozent der Jobs bei Kaiser’s Tengelmann für mindestens fünf Jahre sichert. Auch soll Edeka die drei Birkenhof-Fleischwerke mindestens drei Jahre halten.

22. Februar:

Gabriel verschärft die Auflagen: Zusätzlich zu den „aufschiebenden Bedingungen“, die vor Vollzug der Übernahme erfüllt sein müssen, formuliert er „auflösende Bedingungen“. Das Geschäft könnte damit bei Verstößen gegen diese Auflagen rückgängig gemacht werden.

17. März:

Der Minister gibt seine Erlaubnis unter Auflagen bekannt. Er begründet dies mit der Sicherung der Arbeitsplätze. Rewe, Markant und Norma reichen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein. Parallel stellen Rewe und Markant einen Eilantrag, um zu verhindern, dass die Übernahme vor der Gerichtsentscheidung unter Dach und Fach gebracht wird.

12. Juli:

Das OLG Düsseldorf legt die Übernahme auf Eis. Es stuft die Ministererlaubnis im Eilverfahren als rechtswidrig ein – unter anderem wegen möglicher Befangenheit Gabriels. Außerdem sieht das Gericht im Erhalt der Arbeitnehmerrechte keinen Gemeinwohlgrund. Gabriel weist die Vorwürfe zurück.

4. August:

Edeka legt gegen den OLG-Eilbeschluss beim Bundesgerichtshof (BGH) eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde ein. Auch Tengelmann und das Bundeswirtschaftsministerium rufen den BGH kurz darauf an.

9. August:

Edeka hat sämtliche Tarifverträge mit Verdi für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann in der Tasche. Wenige Tage später folgt die Einigung mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten für die rund 400 Beschäftigten der drei Birkenhof-Fleischwerke. Damit erfüllt Edeka Auflagen der Ministererlaubnis.

11. August:

Das OLG Düsseldorf setzt für den 16. November eine Verhandlung für das Hauptverfahren gegen die Ministererlaubnis an. Am 15. November will der BGH über die Beschwerden gegen das Vorgehen des OLG aus dem Eilverfahren entscheiden.

22. September:

Verdi ruft zu einem Spitzengespräch. Tengelmann, Edeka, Rewe, Markant und die Gewerkschaft einigen sich darauf, an einer „tragfähigen, gemeinsamen Lösung“ arbeiten zu wollen. Bei späteren Treffen kommt auch Norma hinzu.

23. September:

Nach einer Aufsichtsratssitzung erklärt Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, er gebe der Suche nach einer gemeinsamen Lösung noch eine letzte Chance. Die Frist dafür beträgt zwei Wochen.

6. Oktober:

Bei einem weiteren Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Zum Ausgleich sollen sie Berichten zufolge Geld erhalten; einige Filialen könnten offenbar an Norma und Rewe gehen.

13. Oktober:

Kaiser’s Tengelmann, Edeka und Rewe erklären die Gespräche über eine einvernehmliche Lösung für gescheitert. Haub will mit der Zerschlagung der Supermarktkette in der nächsten Woche beginnen. (afp/dk)



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