Karlsruhe: Regierung verpflichtet Bundestag Auskunft zu geben – Missstände müssen aufgedeckt werden

Die Bundesregierung hat Abgeordneten des Bundestags zu Unrecht Auskünfte über die Bahn und zur Finanzmarktaufsicht verweigert. Damit habe sie die Rechte der Abgeordneten und des Bundestags verletzt, entschied das Bundesverfassungsgericht.
Titelbild
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times7. November 2017

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte des Bundestags auf Kontrolle der Bundesregierung erneut gestärkt.

Die Bundesregierung ist grundsätzlich verpflichtet, Anfragen des Parlaments öffentlich zu beantworten, weil das Parlament ansonsten „Rechtsverstöße und vergleichbare Missstände in Regierung und Verwaltung nicht aufdecken kann, wie das Gericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil entschied. Grenzen des Informationsrechts sieht Karlsruhe erst, wenn Antworten das Staatswohl gefährden würden. (Az. 2 BvE 2/11)

Anlass des Verfahrens waren Klagen von Grünen-Abgeordneten und der Grünen-Fraktion im Bundestag. Sie stellten 2010 unter anderem Anfragen an die Bundesregierung zur Aufklärung der Bankenkrise, zur Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie zu Vereinbarungen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn im Hinblick auf das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Laut Urteil beantwortete die Bundesregierung diese Fragen unvollständig oder überhaupt nicht und verstieß so gegen das Frage- und Informationsrecht der Volksvertreter.

„Das heute verkündete Urteil führt zu einer Stärkung des parlamentarischen Informationsrechts“, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, am Dienstag in Karlsruhe. „Ohne dessen weitreichende verfassungsrechtliche Absicherung“ wären „eine effektive Oppositionsarbeit im Bundestag und damit eine öffentlich wirksame Kontrolle der Regierung nicht möglich“.

Die klagenden Grünen hatten mit Blick auf die bundeseigene Deutsche Bahn AG unter anderem Auskunft zur Wirtschaftlichkeitsberechnung für das milliardenteure Bauprojekt Stuttgart 21 gefordert. Die geplanten Kosten für die Tieferlegung des Stuttgarter Bahnhofs verdoppelten sich den Grünen zufolge und betragen für Bahn und Bund gemeinsam rund 2,6 Milliarden Euro.

Laut Urteil muss die Bundesregierung grundsätzlich Anfragen zu Unternehmen beantworten, die sich „mehrheitlich oder vollständig in der Hand des Bundes“ befinden. Dies sei bei der Bahn AG der Fall, weil der Bund als Alleineigentümer der Bahn deren Geschäftspolitik beeinflussen könne. Grenzen sieht das Gericht erst, wenn die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen negative Auswirkungen auf den Wert des Unternehmens hätten und damit „Staatswohlbelange“ berührt würden.

Die Bundesregierung verweigerte laut Urteil auch die Auskünfte zur Finanzmarktaufsicht durch die BaFin in der Bankenkrise von 2005 bis 2008 zu Unrecht. Die klagenden Grünen hatten dazu unter anderem wissen wollen, inwieweit Manager pleitebedrohter Banken Gehälter und Boni von mehr als einer halben Million Euro aus dem Bankenrettungsfonds bekamen. Die Bundesregierung verweigerte jedoch Antworten unter anderem unter Verweis auf die Sensibilität der Finanzmärkte.

Laut Urteil ist die Bundesregierung für die BaFin und für die von ihr beherrschten Banken verantwortlich. Das Argument der Bundesregierung, das Stabilisieren existenziell bedrohter Banken mit Steuergeldern in Milliardenhöhe könne vergeblich sein, wenn durch die Offenlegung sensibler Informationen wirtschaftliche Nachteile einträten, ließ Karlsruhe ebenfalls nicht gelten: Die Anfrage der Grünen von Ende 2010 beziehe sich auf die Bankenkrise von 2005 bis 2008. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass Informationen aus dieser Zeit noch Jahre danach zu „zu negativen Reaktionen auf den Märkten“ führen könnten.

Zudem habe die Bundesregierung Fragen zu Gehalts- und Bonuszahlungen von 500.000 Euro an Bankmanager ohne Geheimhaltungsauflagen beantworten müssen. Das Interesse des Parlaments an einer öffentlichen Antwort zur Verwendung von Steuermitteln überwiege das Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung, heißt es im Urteil. (afp)



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