Erste Wahlanalysen: Knappe Mehrheit für Rot-Grün in Bremen

Berlin (dpa) - Nach dem schlechtesten SPD-Ergebnis aller Bremer Bürgerschaftswahlen betreibt die Führung der Sozialdemokraten heute Ursachenforschung. Am Nachmittag tritt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin vor die Presse. Laut…
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Bürger in Wut sind mit insgesamt drei Sitzen im Bremer Landtag vertreten.Foto: Ingo Wagner/dpa
Epoch Times11. Mai 2015

Gewonnen hat am Sonntag in Bremen nur die sogenannte Partei der Nichtwähler mit etwa 51 Prozent bei der Bürgerschaftswahl. Das heißt, dass nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hat. 2011 gingen noch 55,5 Prozent zur Wahl.

Nach dem schlechtesten SPD-Ergebnis aller Bremer Bürgerschaftswahlen betreibt die Führung der Sozialdemokraten heute Ursachenforschung. Am Nachmittag tritt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin vor die Presse.

Laut amtlicher Hochrechung des Landeswahlamts reichte es für SPD und Grüne am Sonntag für eine Mehrheit von 44 der insgesamt 83 Sitze in der Bürgerschaft. Bisher hatten beide zusammen eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Feiern lassen wollen sich in Berlin am Montag die Spitzenkandidaten von CDU und Linkspartei. Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann holte für die Union in Bremen ein im Vergleich zu 2011 leicht verbessertes Ergebnis und machte die CDU wieder zur zweitstärksten Partei.

Die größten Gewinne verzeichnete die Linkspartei mit ihrer Spitzenkandidatin Kristina Vogt. Die Linke konnte mit gut 9 Prozent ihr Ergebnis der letzten Wahl 2011 fast verdoppeln. Eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei sieht der amtierende SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen nicht als Option.

Während die FDP die Rückkehr in die Bremer Bürgerschaft feiern konnte, musste die AfD nach fünf erfolgreichen Landtagswahlen in Folge bei ihrem Debüt in Bremen lange zittern und zieht knapp in die Bürgerschaft ein.

Das vorläufige Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet. Nach der amtlichen Hochrechnung (Basis: 100 Prozent der Stimmzettel in Bremerhaven, 89 Prozent in Bremen) kommt die seit 1946 ununterbrochen regierende SPD nur noch auf 32,9 Prozent (2011: 38,6). Die CDU wird mit 22,6 Prozent (2011: 20,4) zweitstärkste Kraft, gefolgt von den Grünen mit 15,3 Prozent (2011: 22,5). Die Linke holt 9,2 Prozent (2011: 5,6). Mit 6,5 Prozent (2011: 2,4) schafft die FDP deutlich den Einzug in die Bürgerschaft. Der rechtskonservativen AfD gelingt dies nach der Wahlamtshochrechnung mit 5,5 Prozent, ARD und ZDF sehen sie noch knapper über der Fünf-Prozent-Hürde.

Dies ergäbe folgende Sitzverteilung: SPD 30, CDU 20, Grüne 14, Linke 8, FDP 6, AfD 4. Die rechtspopulistische Gruppierung „Bürger in Wut“ (BIW) holte wieder ein Mandat.

Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 50 Prozent – so niedrig wie nie zuvor in einem westdeutschen Bundesland.

Böhrnsen zeigte sich überrascht von der Höhe der SPD-Verluste: „Es gab schönere Wahlabende, das ist ein bitterer für die Bremer SPD.“ Für die Grünen betonte Spitzenkandidatin Karoline Linnert: „Bremen braucht die Grünen.“ Die Bremer CDU bot umgehend eine Regierungsbeteiligung an. Rot-Grün habe ein klares Signal bekommen, sagte Spitzenkandidatin Motschmann: „Ein „Weiter so“ geht nicht mehr. Der Wähler will das nicht mehr.“ Die CDU hatte das kleinste Bundesland schon von 1995 bis 2007 als Juniorpartner gemeinsam mit der SPD regiert.

Ein zwischenzeitlicher Stromausfall sowie die Besonderheiten des Bremer Wahlrechts sorgten bei der Auszählung für Verzögerungen. Jeder der rund 500 000 Wahlberechtigten kann fünf Stimmen vergeben. Wegen der begrenzten Zahl an verfügbaren Mitarbeitern war es zudem nicht möglich, die Stimmzettel vor Ort auszuwerten.

Deutschlands kleinstes Bundesland leidet unter hoher Verschuldung, einem starken sozialen Gefälle und einer schlechten Bildungssituation.

Was die Wahlforscher sagen

Die SPD hat den Wahlsieg in Bremen nach Ansicht von Wahlforschern vor allem Bürgermeister Jens Böhrnsen zu verdanken.

Denn seiner Partei insgesamt trauen die befragten Wähler bei den Kernthemen wenig zu, wie eine Analyse der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zeigt.

Dass die SPD dennoch Wahlsiegerin ist, hat sie besonders der schwachen CDU zu verdanken, „die aufgrund inhaltlicher und vor allem personeller Defizite nicht als überzeugende Alternative zu Rot-Grün wahrgenommen wird“, erläuterten die Forscher. Sie interpretieren das Wahlergebnis fast hauptsächlich lokalpolitisch geprägt und nicht von der Bundespolitik dominiert.

SPD-Spitzenkandidat Böhrnsen sei abermals „zur geschätzten Integrations- und Identifikationsfigur avanciert“, erklärte die Forschungsgruppe. 65 Prozent aller Befragten wollten Jens Böhrnsen und lediglich 18 Prozent die CDU-Herausforderin Elisabeth Motschmann als Regierungschef/in. Für 70 Prozent mache Böhrnsen einen guten Job und nur für 21 Prozent einen schlechten.

Negativ schneiden SPD und Grüne ab, wenn es um die Bewertung der Kompetenzen geht. Beim für die Wähler wichtigsten Thema – Bildung und Schule – macht für 27 Prozent die SPD die beste Politik, den Grünen wird laut Befragung mit 11 Prozent weniger zugetraut. Die CDU kommt auf 23 Prozent. Bei der Finanzkompetenz rutscht die SPD hinter die CDU.

(rls / dpa)



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