Koalition einigt sich auf SPD-Sozialpaket – Lindner: Bürger werden „nicht ent-, sondern belastet“

Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett ein Rentenpaket von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), das 2019 in Kraft treten soll. Mit Blick auf Rente und Arbeitsmarkt sagte er: "Wir haben es geschafft, das gemeinsam hinzukriegen. Die Koalition ist handlungsfähig."
Titelbild
Aktivisten der Initiative "Neue Soziale Marktwirtschaft" protestieren in Berlin gegen das Rentenkonzept von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.Foto: Britta Pedersen/dpa
Epoch Times29. August 2018

Die große Koalition von Union und SPD hat ein umfassendes Sozialpaket zur Entlastung von Millionen Bürgern auf den Weg gebracht. Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett ein Rentenpaket von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), das 2019 in Kraft treten soll. Im September soll dann das Kabinett auch eine Senkung des Beitrags für die Arbeitslosenversicherung beschließen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer insgesamt um 5,8 Milliarden Euro entlasten soll.

Ebenfalls im kommenden Monat sollen das Baukindergeld für Familien, Vorhaben für mehr bezahlbare Wohnungen sowie eine bessere Kita-Betreuung und ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz folgen. Die Gesetze müssen alle noch im Bundestag beraten und beschlossen werden.

Das Rentenpaket erntet erhebliche Kritik, vor allem aus der Wirtschaft. Es sei „unfair, denn es wird auf die geburtenschwachen Jahrgänge unserer Kinder und Enkelkinder als milliardenschwerer Kostenbumerang zurückkommen“, argumentierte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks warnte, die Maßnahmen bedeuteten milliardenschwere Zusatzbelastungen für die Beitragszahler.

Auch FDP-Chef Christian Lindner sagte, die Bürger würden unterm Strich nicht ent-, sondern belastet. Er sprach von einem Wahlkampfmanöver der Union. Linken-Chef Bernd Riexinger sagte, die Bundesregierung versage darin, Menschen vor Altersarmut zu schützen. Ein Rentenniveau von 48 Prozent sei zu niedrig. Ähnlich argumentierte der Sozialverband VdK. Auch er findet die Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2025 nicht ausreichend. Es sollte über 2025 hinaus stabilisiert und auf 50 Prozent angehoben werden, argumentierte VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Die Koalition hatte sich am späten Dienstagabend auf das Sozialpaket verständigt und den Rententeil gleich am Mittwoch im Kabinett behandelt. Sozialminister Heil sagte mit Blick auf Rente und Arbeitsmarkt: „Wir haben es geschafft, das gemeinsam hinzukriegen. Die Koalition ist handlungsfähig.“

Heils Rentenpaket sieht zum 1. Januar 2019 unter anderem Verbesserungen bei der sogenannten Mütterrente vor. Danach sollen alle Mütter und Väter mit Erziehungszeit, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, zusätzlich einen halben Rentenpunkt gutgeschrieben bekommen. Laut Koalitionsvertrag und nach dem Willen der CSU sollten zunächst nur ältere Mütter oder Väter mit drei und mehr Kindern einen ganzen Punkt bekommen. Mit der neuen Variante, für die Heil geworben hatte, sollen weitere sieben Millionen Mütter und auch Väter statt bisher nur drei Millionen Menschen bessergestellt werden. Die Kosten sollen weiterhin bei jährlich etwa 3,7 Milliarden Euro liegen.

Außerdem soll dass Rentenniveau von 48 Prozent bis 2025 stabil gehalten werden. Das bedeutet, dass eine Standardrente nach 45 Beitragsjahren nicht unter 48 Prozent des aktuellen Durchschnittsverdienstes sinkt. Zugleich soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent. In dem Rentenpaket sind auch Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner enthalten.

Im September soll eine Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung ins Kabinett gebracht werden. Zum Jahreswechsel soll der Beitrag um 0,5 Punkte auf 2,5 Prozent des Bruttolohns reduziert werden. Die Union hatte eine stärkere Senkung verlangt als die im Koalitionsvertrag verankerten 0,3 Punkte und 0,6 Punkte ins Spiel gebracht. Der Kompromiss sieht nun eine gesetzliche Senkung um 0,4 Punkte vor sowie per Verordnung eine weitere Senkung um 0,1 Punkte, die aber bis Ende 2022 befristet sein soll.

Heil hatte eine stärkere Senkung an Bedingungen geknüpft. Dazu wurde nun eine stärkere Unterstützung von Weiterbildungen vereinbart. Zudem sollen kurzfristig Beschäftigte leichter Zugang zum Arbeitslosengeld I bekommen. Demnach müssen sie dafür künftig nicht mehr binnen 24 Monaten, sondern innerhalb von 30 Monaten mindestens zwölf Monate Beiträge eingezahlt haben.

Die stärkere Senkung beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag soll auch ein Ausgleich für steigende Pflegebeiträge sein. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will diese ebenfalls zum 1. Januar nicht wie zunächst geplant um 0,3 Punkte anheben, sondern um 0,5 Punkte. Derzeit liegt der Satz bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens. Kinderlose zahlen 2,8 Prozent.

Mehrere Vorhaben zum Thema Wohnen sollen am 5. September ins Kabinett eingebracht werden, sagte SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles. Es seien aber noch Details zu klären. Nach Angaben der Koalitionsparteien geht es etwa um einen Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus und um den Start des Baukindergelds als Programm der Förderbank KfW.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte nach rund vierstündigen Beratungen am frühen Mittwochmorgen: „Wir haben uns auf ein größeres Paket verständigt und können damit auch zeigen, dass wir in diesem Land regieren.“ Nahles sprach von einem „wirklichen Durchbruch“ in wesentlichen sozialpolitischen Fragen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hob Entlastungen für Arbeitnehmer angesichts guter Steuereinnahmen hervor. Noch bis Anfang Juli hatte ein Asylstreit zwischen CDU und CSU über Wochen hinweg eine lähmende Regierungskrise verursacht. (dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion