Alle sind sich einig – Deutschland muss mehr investieren

918 Milliarden Euro gab der Staat für Sozialleistungen aus – und 66,5 Milliarden für Investitionen. Die Infrastruktur verschlechtert sich, Brücken und Schulen können nicht adäquat gepflegt werden. Die staatliche Investitionsquote liegt bei 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, 2007 waren es noch 3,7 Prozent. Ein Blick auf die Investitionen Deutschlands.
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Duisburg, Ruhrgebiet - Deutschland investiert im Vergleich mit seinen Nachbarstaaten zu wenig in die Infrastruktur.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 2. September 2017

Im Vergleich zu den Nachbarstaaten investiert Deutschland zu wenig. Staat und Privatwirtschaft erreichen zusammen relativ konstant eine gesamtwirtschaftliche Investitionsquote von 19,1 und 20,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), schreibt die „Welt“. Das ist wenig im Vergleich zu den Nachbarländern.

Spitzenreiter ist Tschechien mit 25 bis 30 Prozent, aber auch Belgien und die Schweiz investieren erheblich mehr als Deutschland. Österreich erreicht eine Quote von 23 Prozent, Frankreich investiert zwischen 22 und 24 Prozent. Nur Luxemburg und Polen investieren weniger in ihre Zukunft als Deutschland – Luxemburgs Investitionsquote liegt bei 17,8 Prozent.

Betrachtet man nur die Investitionen des Staates (ohne die der Privatwirtschaft), dann beträgt die staatliche Investitionsquote bezogen auf das BIP ca. 2,1 Prozent, auch damit liegt Deutschland unter dem EU-Durchschnitt von 2,7 Prozent. 2007 betrug diese Quote noch 3,7 Prozent des BIP.

Investitionsstau bei Kommunen: 156 Milliarden Euro

Allein bei den Kommunen hat sich ein Investitions-Rückstand in Höhe von 156 Milliarden Euro angesammelt, davon entfallen 34 Milliarden Euro auf den Bildungssektor.

Neun Zehntel aller Investitionen finden in der private Wirtschaft statt, so gaben 2016 Unternehmen in Deutschland 560 Milliarden Euro für Investitionen aus, sie investierten in Maschinen, Fahrzeuge, Gebäude, Technologien etc.

Derzeit gleichen die staatlichen Investitionen nicht einmal mehr die Abschreibungen aus, es wird von einer negativen Nettoinvestitionsquote gesprochen. Dieser Trend hält seit 2004 mit wenigen Unterbrechungen an.

Landesvergleich: Sachsen investiert am meisten

Tobias Hentze, Experte für öffentliche Finanzen, berechnete die Investitionsquoten der Bundesländer. Demnach flossen 2015 bei Ländern und Gemeinden 11,9 Prozent aller Ausgaben in öffentliche Investitionen (2014: 12,6 Prozent). Der Bund blieb mit einer Quote von 6,5 Prozent (2014: 7,6 Prozent) stark darunter.

Sachsen kam auf 16,5 Prozent Investitionsanteil, Bayern auf 15,7, Baden-Württemberg auf 14,6 Prozent. Am Ende der Liste: Hessen mit 8,9 Prozent, das Saarland mit 7,9 Prozent und Berlin mit 7,4 Prozent.

Nach Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft müssen Bund und Länder bei den Investitionen in die Infrastruktur noch deutlich zulegen. Die Qualität der Infrastruktur sei auch ein Kriterium für die Ansiedlung von Unternehmen. Hentze sagt: „Es ist klar, dass man mittelfristig auch Arbeitsplätze gefährdet, wenn man zu wenig tut.“

Prioritäten: 918 Milliarden für Sozialleistungen, 66,5 Milliarden für Investitionen

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), rügt in der „Welt“ „die falschen Prioritäten der Politik, die in den vergangenen Jahren die Konsumausgaben gesteigert, aber die Investitionen gekürzt hat“. So liegen die Sozialleistungen nun bei ca. 918 Milliarden Euro – dieser Anteil der Sozialleistungen liegt seit 1950 relativ unverändert bei ca. 30 Prozent des BIP (Weiterlesen: Woher stammen die 918 Milliarden Euro für die Sozialausgaben?)

Investiert wurden letztes Jahr durch den Staat 66,5 Milliarden Euro. Rund 530 Milliarden wurden von der Privatwirtschaft investiert – jedoch nicht unbedingt in die Infrastruktur. Die Infrastruktur verschlechtert sich, Brücken und Straßen können nicht adäquat instand gehalten werden, Schulen und Krankenhäuser beklagen ebenfalls fehlende Investitionen.

Ein anderes Problem sind die regionalen Unterschiede: Ein Drittel der Kommunen sei überschuldet und ist gezwungen, seine Investitionen zu kürzen. Über viele Jahre mussten Kommunen ihre Bauämter verkleinern und Kapazitäten zurückfahren. „Dieses Defizit lässt sich nicht in kurzer Zeit ausgleichen“, sagt Fratzscher vom DIW.

Er leitet eine vom früheren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzte Expertenkommission und legte 2015 Vorschläge für eine Stärkung der Investitionen vor. Die Gruppe forderte eine Änderung des Haushaltsrechtes, so dass die „Verpflichtung zu öffentlichen Investitionen die Abschreibungen der öffentlichen Hand über einen bestimmten Zeitraum kompensiert“.

Auch sollte der Bund aus anfallenden Haushaltsüberschüssen analog zur Flüchtlingsrücklage eine Investitionsrücklage aufbauen, finanzschwache Kommunen stärker organisatorisch unterstützen und mehr Mittel für regionale Wirtschaftsförderung bereitstellen.

Finanzministerium sieht Boom bei öffentlichen Investitionen kommen

Das Bundesfinanzministerium (BMF) sagt für die nächsten Jahre einen Boom bei den öffentlichen Investitionen voraus. „Der Auftragseingang für den öffentlichen Hoch- und Tiefbau bewegt sich auf einem Niveau, das zuletzt zur Jahrtausendwende erreicht wurde“.

Der Auftragseingang im Straßenbau sei sogar „ohne Beispiel seit der Wiedervereinigung“. Bis 2021 werden die Investitionen von Bund, Ländern und Gemeinden dem Bericht zufolge jedes Jahr um durchschnittlich fünf Prozent zulegen.

2016 stellte das Finanzministerium rund 35 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung, 33,2 Milliarden Euro wurden abgerufen, 1,8 Milliarden Euro blieben übrig. Hinzu kamen Sonderprogramme, die Städte und Gemeinden zu Gute kamen.

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