Kritik an Müllers staatlichen Textilsiegel „Grüner Knopf“ wächst

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat das staatliche Textilsiegel Grüner Knopf vorgestellt. Vergeben wird es an Hersteller, die eine Reihe sozialer und ökologischer Mindeststandards einhalten.
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Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist in schwere Kritik geraten. Sein Gütesiegel wird von vielen Textilfachhändlern kritisiert.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times9. September 2019

Schwarze Schrift und anstelle des „o“ ein grüner Knopf: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat am Montag das staatliche Textilsiegel Grüner Knopf vorgestellt. Vergeben wird es an Hersteller, die eine Reihe sozialer und ökologischer Mindeststandards einhalten, ab sofort gibt es Produkte mit dem Label im Handel. Inzwischen wächst die Kritik am Gütesiegel.

Der Branchenverband textil+mode erklärte schlicht, er habe „kein Vertrauen“ in das Label und könne es daher „nicht empfehlen“. Der Verband, dem rund 1.400 Firmen angehören, sorgt sich, dass die bereits etablierten Siegel, in die die Unternehmen „seit langem viel investieren“, Schaden nehmen und an Glaubwürdigkeit verlieren.

Greenpeace lobte zwar Müllers Absicht, die Textilindustrie „fairer und sauberer zu machen“. Nach derzeitigem Stand könnten aber auch Produkte aus Gentechnik-Fasern das Label erhalten. Grund dafür ist, dass der Prüfungsprozess nicht auf dem Baumwollfeld und der Faserproduktion, sondern erst beim Färben und Nähen beginnt. Greenpeace forderte verbindliche Ökostandards für die Textilindustrie.

Die Menschenrechtsorganisation Medico International und pakistanische Partnerorganisationen sprachen von „Fairwashing“ – dringend nötig seien gesetzliche Regelungen. Ein freiwilliges Label sei „praktisch wirkungslos“. Terre des Hommes kritisierte, dass die Prüfung nicht die gesamte Produktionskette im Blick habe – somit seien „Kinderarbeit im Baumwollanbau und Sklaverei in Spinnereien“ nicht auszuschließen. Kritik gibt es auch daran, dass Mindestlöhne nicht gleichzeitig existenzsichernde Löhne bedeuteten.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sprach zwar von einem positiven Siegel, das Orientierung beim Kauf biete. Ein Lieferkettengesetz, das alle Unternehmen binde, könne die Menschenrechte aber besser schützen.

Das staatliche Textilsiegel „Grüner Knopf“ kann an alle Hersteller vergeben werden, die eine Reihe sozialer und ökologischer Mindeststandards einhalten. Ab sofort gibt es Produkte mit dem Label im Handel.

Es gehe um „mehr Menschlichkeit“ und um „Gerechtigkeit“ in den Lieferketten, sagte Müller. Er erinnerte an das Rana-Plaza-Industrieunglück in Bangladesch 2013: Dort krachte damals eine riesige Textilfabrik in sich zusammen, 1138 Menschen wurden getötet, vor allem Näherinnen. Etliche westliche Kleidungsfirmen hatten dort produzieren lassen. „Um diese Frauen geht es“, sagte Müller. Die Arbeitsbedingungen vor Ort müssten verbessert werden.

Zu den Kriterien, die die Hersteller für das Siegel erfüllen müssen, gehören 26 soziale und ökologische Mindeststandards, etwa Mindestlöhne und ein Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie Vorgaben zum Chemikalieneinsatz und zur Luftverschmutzung. Auch Anforderungen an das Unternehmen gibt es, zum Beispiel Transparenz und die Bereitschaft, Risiken zu erkennen und Verantwortung zu übernehmen.

Interesse am Grünen Knopf meldeten laut Müller 70 Firmen an, von denen über 50 in den Überprüfungsprozess starteten. In einer ersten Runde starteten am Montag 27 Hersteller mit dem Siegel, darunter Vaude und Tchibo, aber auch Discounter und kleinere Hersteller. Für die Verbraucher soll es letztlich kaum teurer werden – so koste eine Jeans mit dem Grünen Knopf in der Produktion rund einen Dollar mehr.

Müller wirbt für „Grünen Knopf“

Nicht nur Kleidung, auch Matratzen, Rucksäcke und andere Textilien können gelabelt werden. Müller rief daher auch Polizei und Krankenhäuser zur Produktbeschaffung auf. Zwar dauere es sichere mehrere Jahre, bis beim Militär ein neuer Rucksack genehmigt sei – „aber vielleicht schaffen wir es, Socken und Unterwäsche in die Bundeswehr zu bringen“, die den Grünen Knopf trügen, sagte Müller.

Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach mit Blick auf das Siegel von einem „großen Fortschritt“ und von einer hohen Verlässlichkeit beim Einkauf. „Jeder Mensch hat einen Anspruch darauf, unter menschenwürdigen Bedingungen zu arbeiten.“ Das Siegel sei ein „erster Schritt“ zur Verbesserung.

Auch die Geschäftsführerin des Herstellers Vaude, Antje von Dewitz, sprach von einem „Meilenstein“ und zugleich von einem „ersten Wurf“, der weiterentwickelt werden müsse. Es sei gut, dass Organisationen Kritik am Grünen Knopf in seiner derzeitigen Form übten.

Soziale Kriterien

Produkte mit dem Grünen Knopf müssen 26 soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Zu den sozialen Kriterien gehören etwa Arbeitnehmerrechte wie der jeweils geltende gesetzliche Mindestlohn, bezahlte Überstunden und das Recht auf Nicht-Diskriminierung, außerdem ein Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Ebenfalls wichtig ist die Einhaltung von Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften am Arbeitsplatz – etwa Schutzkleidung, sauberes Trinkwasser und ein ausreichender Brandschutz.

Ökologische Kriterien

Während es bei den sozialen Standards um den Bereich Konfektion geht, drehen sich die Umweltkriterien um Anforderungen in der Textilveredelung, also beim Färben oder chemischen Nachrüsten der Kleidung. Wichtig sind hierbei etwa Mindestanforderungen an Abwasser und umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien. Außerdem gelten Vorgaben für die biologische Abbaubarkeit von Stoffen und den Grad der Luftverschmutzung.

Neben sozialen und ökologischen Kriterien, die das PRODUKT erfüllen muss, gelten auch Sorgfaltspflichten des gesamten UNTERNEHMENS für Menschenrechte und Umwelt. Der Hersteller muss bereit sein, Risiken in der Lieferkette zu erkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Das Unternehmen muss außerdem transparent informieren und einen „effektiven Beschwerdemechanismus“ haben.

Unternehmen und Produkte

Rund 70 Unternehmen haben Interesse am Grünen Knopf angemeldet, vom Eine-Frau-Startup über internationale Modekonzerne bis hin zu Marken. Viele davon durchlaufen derzeit das Prüfverfahren, die ersten 27 starteten am Montag mit ersten Produkten mit dem Grünen Knopf. Beteiligt sind unter anderem Vaude, Tchibo, Aldi und hessnatur, auch Marken wie Boss sollen noch dazukommen. Die Palette der Produkte reicht von Kleidung über Decken, Taschen, Matratzen, Regenschirme und Teppiche bis hin zu Brillenbändern und Moskitonetzen.

Prüfungsverfahren

Der Grüne Knopf ist ein Metasiegel und soll den Dschungel dutzender existierender Label lichten. Wer den Knopf haben will, muss zuvor bereits eines oder mehrere der sieben vom BMZ anerkannten Referenzsiegel erhalten haben, etwa den Blauen Engel, das Fairtrade-Siegel oder die Fair Wear Foundation, und zwar so, dass alle sozialen und ökologischen Kriterien abgedeckt sind. Prüfer sind etwa der TÜV und die Dekra, deren Unabhängigkeit die staatliche Deutsche Akkreditierungsstelle sicherstellen will.

Weitere Kritik

Bislang beginnt der Prozess erst beim Färben und Bleichen sowie Zuschneiden und Nähen der Textilien – nicht auf dem Baumwollfeld. Auch das Spinnen und Weben wird nicht kontrolliert, all das soll erst später kommen. Der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft warnt, dass dadurch und durch „geschicktes Kombinieren“ der Referenzsiegel die Gefahr bestehe, dass Verbraucher letztlich genmanipulierte Fasern kaufen.

Entwicklungsorganisationen stören sich zudem an der Freiwilligkeit des Siegels. Kritik gibt es außerdem daran, dass es Erleichterungen für kleine Firmen geben und bei in der EU produzierten Produkten der Nachweis über die Einhaltung von Sozialstandards gelockert werden soll. Viele Firmen kritisieren zudem einen teuren und hohen bürokratischen Aufwand. (afp/sua)

 



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