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Würdigung der Gesamtumstände

„L’Amour Toujours“: Justiz wertet rassistischen Partygesang als durch Grundgesetz gedeckt

Knapp ein Jahr nach dem viral gegangenen Video aus dem „Pony“-Klub auf Sylt steht fest: Für den rassistisch umgetexteten Gesang zur Melodie von „L’Amour Toujours“ drohen den Beteiligten keine strafrechtlichen Konsequenzen – zumindest in den meisten Fällen. Die Staatsanwaltschaft erkennt darin eine durch das Grundgesetz geschützte Meinungsäußerung.

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Das Sylter Video war zu Pfingsten 2024 im Lokal „Pony“ in Kampen entstanden.

Foto: Georg Wendt/dpa

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Lesedauer: 5 Min.

Knapp ein Jahr nach dem Eklat im „Pony“-Klub auf Sylt zeichnet sich ab, dass es für das Absingen einer rassistisch umgetexteten Fassung des Dance-Hits „L’Amour Toujours“ keine juristischen Konsequenzen gibt. Am Pfingstsonntag, 19. Mai, hatten mehrere junge Leute aus München auf der Terrasse des Nobelklubs die in den 1990ern verbreitete Neonazi-Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ zur Melodie des Songs von Gigi D’Agostino aus dem Jahr 2001 gesungen.

„L’Amour Toujours“-Verballhornung als „geschützte Meinungsäußerung“

Wie die „Welt“ berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Flensburg jüngst das Verfahren gegen drei beteiligte Personen wegen Volksverhetzung eingestellt. Die Sichtung des Videomaterials, so will das Blatt erfahren haben, habe keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine weitere Verfolgung der Angelegenheit ergeben.
Im gegebenen Kontext bewertete die Anklagebehörde den Gesang als durch Artikel 5 Grundgesetz geschützte „Meinungsäußerung“. In den 1990er-Jahren wurde die Verwendung der Parole „Ausländer raus“ regelmäßig als tatbildmäßig im Sinne des Paragrafen 130 StGB (Volksverhetzung) betrachtet und führte zu Verurteilungen. Allerdings kam und kommt es dabei weiterhin sowohl auf den Kontext als auch auf den subjektiven Vorsatz an.
Im Fall der singenden und lachenden Partybesucher mit Weingläsern in den Händen reichten die Gesamtumstände nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht für die Annahme einer Volksverhetzung aus. Der Gesang habe demnach zwar offenbar „Vorbehalte und Ablehnung“ gegenüber Ausländern zum Ausdruck gebracht.

Strafbefehl für Hitlergruß – aber keine Vorstrafe

Es sei jedoch nicht davon auszugehen gewesen, dass dadurch „aggressive Missachtung und Feindschaft in der Bevölkerung erzeugt oder gesteigert werden sollten“. Das ist auch ein wesentlicher Unterschied zu Fällen aus den 1990er-Jahren, wo die Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ von aggressiven und aufgeputschten Skinheads bei neonazistischen Aufmärschen skandiert worden war. Der Verantwortliche für den Upload der Aufnahmen von der „Pony“-Bar geht ebenfalls straffrei aus.
Allerdings gab es gegen einen der Teilnehmer einen Strafbefehl in Höhe von 2.500 Euro. Der Mann imitierte im Takt der Musik eine Art Hitlergruß und simulierte mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand ein Hitlerbärtchen. Die Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) als verwirklicht an. Die Geldbuße fiel allerdings gering aus. Wird diese rechtskräftig, ist der Mann nicht vorbestraft.
Auch in mehreren anderen Fällen hatte das Absingen des Gigi-D’Agostino-Songs mit rassistisch verfremdetem Text keine strafrechtlichen Konsequenzen. Bei einem Schützenfest in Löningen bei Cloppenburg fielen 2024 zwei Jugendliche im Alter von 16 und 17 auf, wie sie diesen ursprünglich über das chinesische Videoportal TikTok popularisierten Trend auf diese Weise aufgriffen. Das Amtsgericht Cloppenburg hatte die Eröffnung eines Verfahrens abgelehnt.

Landgericht sieht Paragraf 130 StGB durch „L’Amour Toujours“-Verballhornung nicht verwirklicht

Im Dezember 2024 wies das Landgericht Oldenburg die dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Beschwerde als „in der Sache unbegründet“ ab. In seiner Grundsatzentscheidung geht das Gericht nicht davon aus, dass die rassistische „L’Amour Toujours“-Verballhornung ein strafbares Aufstacheln zum Hass oder eine strafbare Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen darstelle.
Die Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ sei als wertende Stellungnahme und damit als Meinung zu qualifizieren. Als solche genießt sie den Schutz des Grundgesetzes, wie dies grundsätzlich auch bei rechtsextremistischen Meinungen der Fall sei. Schranken finde dieser Schutz jedoch unter anderem in den Vorschriften allgemeiner Gesetze wie des Paragrafen 130 StGB.
Im Fall der Mehrdeutigkeit einer Äußerung sei bei der Gesetzesanwendung die dem sich Äußernden günstigere Deutung zugrunde zu legen. Eine ehrverletzende oder herabwürdigende Äußerung sei nicht ohne Weiteres mit einem Angriff auf die Menschenwürde verbunden. Selbst bei einer Parole wie „Ausländer raus“ sei bezüglich der Unterordnung unter den Volksverhetzungstatbestand nach gefestigter Rechtsprechung eine restriktive Auslegung vorzunehmen.

„Ausländer raus“ als Meinung? Kontext entscheidet

Von einem Angriff auf die Menschenwürde durch die Parole sei nur dann auszugehen, wenn zu dieser noch weitere Begleitumstände hinzutreten, die diese Annahme rechtfertigen. Solche Begleitumstände seien „bedrohliches Auftreten, eine Bezugnahme auf den Nationalsozialismus oder sonstiges rassistisches Gedankengut oder Verächtlichmachen der betroffenen Bevölkerungsgruppe“.
Im Fall der „singenden Menschen auf Partys, Feiern und Volksfesten, die regelmäßig mit einer gelöst-fröhlichen Stimmung in Verbindung gebracht werden“, sei dies jedoch nicht anzunehmen. Die Staatsanwaltschaft selbst habe, so das Gericht im Anlassfall, in ihrer Verfügung darauf hingewiesen, dass diese „keinen offensichtlich aggressiven, nationalistischen und ausländerfeindlichen Eindruck erwecken“. In Anbetracht der Umstände sei nicht davon auszugehen, dass die Parole in der gegebenen Situation als „Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen verstanden“ hätte werden müssen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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