Ein Polizist vor einem „Bandidos”-Logo.Foto: Sean Gallup/Getty Images

Landeskriminalamt NRW: Brutale Revierkämpfe zwischen Rocker-Banden

Epoch Times16. Oktober 2019
Die Zunahme der gewalttätigen Aktivitäten krimineller Rocker bereiten vor allem dem Landeskriminalamt NRW Kopfschmerzen. Die Revierkämpfe zwischen den Rocker-Banden reichen von schweren Gewalttaten bis hin zu versuchten Tötungsdelikten.

Das Landeskriminalamt NRW zeigt sich alarmiert wegen der zunehmenden Gewalt im Rockermilieu. Im neuen „Lagebild Organisierte Kriminalität“ berichtet das Landeskriminalamt (LKA) von einer „deutlich zunehmenden Dynamik“ in der Rockerszene seit dem Sommer 2018.

Es heißt: Die Hells Angels und die Bandidos kämpfen im Großraum Köln gewaltsam um die Vormacht. Auch im Großraum Hagen gebe es Revierkämpfe. Dort hätten sich die Freeway Riders inzwischen gegen die Bandidos durchgesetzt. Zudem würden sich in Dortmund die Bandidos und der kurdisch-libanesische Miri-Clan blutige Auseinandersetzungen liefern. Die Revierkämpfe zwischen den Rocker-Banden reichen von schweren Gewalttaten bis hin zu versuchten Tötungsdelikten.

Bandidos-Mitglieder vor Gericht

Ein Fall von Rocker-Kriminalität wird ab heute am Essener Schwurgericht verhandelt. In dem Prozess geht es um eine tödliche Auseinandersetzung zwischen Rockern. Angeklagt sind vier mutmaßliche Mitglieder der Bandidos, die in der Nacht auf den 13. Oktober 2018 in Gelsenkirchen ein Mitglied der Freeway Riders erstochen haben sollen.

Das 63-jährige Opfer hatte zuvor ein Rockertreffen besucht und befand sich auf dem Heimweg. Die vier deutschen und türkischen Angeklagten aus Dortmund, Bochum, Essen und Herne sollen mit einem Auto unterwegs gewesen sein.

Warum es zu dem tödlichen Streit kam, blieb bislang unklar. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf Totschlag.

Hells Angels-Mitglied vor Gericht

Vor dem Landgericht Köln begann bereits ein Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der Hells Angels wegen Mordes an einem Mann in einer Gaststätte. Die beiden Hauptangeklagten in dem Kölner Verfahren sollen im November 2015 mit weiteren Mittätern gewaltsam in die Gaststätte eingedrungen sein, weil sie sich für einen vorherigen Einbruch in einen Hells-Angels-Treffpunkt rächen wollten.

Bei dem Angriff in der Gaststätte wurde einem Mann aus kurzer Distanz in den Oberkörper geschossen. Er starb noch am Tatort. Zwei weitere Männer wurden angeschossen, überlebten die Schüsse aber mit mehrwöchigen Krankenhausaufenthalten. Für den Prozess setzte das Kölner Landgericht zunächst insgesamt 25 Verhandlungstage bis zum 20. Dezember an.

Täter ballerten in Köln herum „wie im Wilden Westen“

Vor wenigen Monaten verschärfte die Kölner Polizei – nach einer ganzen Serie skrupelloser Revierkämpfe unter Rockerbanden – ihre Taktik gegen die Schwerkriminellen. Diese gefährdeten bei mehreren Schießereien auf offener Straße auch das Leben Unbeteiligter. Die Täter hätten herumgeballert „wie im Wilden Westen“, sagte Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob. Die damit verbundene Gefahr für Passanten sei ihnen „völlig egal“.

Bei einer Polizeiaktion gegen rivalisierende Hells Angels- und Bandido-Banden durchsuchten die Beamten die Wohnung des Chefs der Kölner Bandidos. Der Behördenleiter ließ keine Zweifel an seiner Entschlossenheit, den Tätern das Handwerk zu legen. Denn die Berufskriminellen hätten völlig unkontrolliert Schüsse abgegeben – „und das in der Innenstadt einer Großstadt“.

Die Situation in Köln, die der örtliche Kripochef Klaus-Stephan Becker als „ausgesprochen brisant“ bezeichnete, hatte sich massiv zugespitzt: An einem einzigen Tag wurden zweimal Schüsse auf offener Straße abgegeben. Nach den Schüssen in der Kölner City nahm die Polizei einen 29-jährigen bewaffneten Rocker fest.

Insgesamt zählte die Kölner Polizei Ende 2018 – Anfang 2019 acht Fälle, in denen bei Auseinandersetzungen im Rockermilieu Schüsse abgegeben wurden. Dabei gab es mehrere Verletzte. Becker zufolge war es nur ein „glücklicher Zufall“, dass bisher keine Todesopfer zu beklagen waren.

Ausdrücklich betonten die Ermittler, dass die Rockerschießereien von Köln nicht etwa auf eine bundesweite Zunahme der Gewaltbereitschaft in der Szene hindeuten. Es handele sich vielmehr um einen „regionalen Kölner Konflikt“, sagte Jacob. Der Hintergrund: Offenbar wollen die Kölner Bandidos die Hells Angels beerben. Letztere hatten bei der organisierten Kriminalität in Köln lange das Sagen, sind aber nach zahlreichen Polizeischlägen geschwächt.

Allerdings stellen die Kölner Ermittler auch grundsätzliche Veränderungen in der Rockerszene fest. Rocker entsprechen demnach längst nicht mehr dem Klischee gewaltbereiter Bartträger auf schweren Motorrädern. Die Täter von Köln seien in diesem Sinn keine klassischen Rocker, sagte Jacob. Sie nutzten vielmehr für ihre schwerkriminellen Geschäfte den „Nimbus dieser Gruppen“. Viele der sogenannten Hells Angels oder Bandidos hätten „nicht mal einen Führerschein“.

In NRW agieren 104 Clans

Unterdessen stellte das Landeskriminalamt (LKA) NRW Mitte Mai das erste Lagebild zur Clan-Kriminalität in dem Bundesland vor. Demnach sieht die Polizei in NRW 104 Clans mit kriminellen Mitgliedern am Werk. Alleine von 2016 bis 2018 sollen hier rund 6500 Verdächtige aus der Szene für mehr als 14.000 Straftaten verantwortlich gewesen sein.

Die Intensivierung von Durchsuchungen wie die Razzia mit rund 1300 Polizisten im Januar im Ruhrgebiet, Beschlagnahmungen von Immobilien wie 2018 in großem Stil in Berlin und Brandenburg sowie Ausweisungen von Clanchefs etwa aus Bremen bezeichnete Fiedler als die richtige Linie. Ausweisungen würden allerdings erschwert, weil viele kriminelle Clan-Mitglieder einen deutschen Pass hätten – oder ihre Ehefrauen. „Das ist rechtlich dann schwierig, Familien auseinanderzureißen“, erklärte der Verbandschef.

Sorge bereite dem BDK, dass kriminelle Clans begonnen hätten, auch syrische und irakische Flüchtlinge als sogenannte Ameisen für den Verkauf von Drogen an die Endkunden zu rekrutieren.

Die Besorgnis besteht, dass auch hier kriminelle Gefüge entstehen“, sagte Fiedler.

Schon rein zahlenmäßig könne das problematisch werden. Kriminelle Mitglieder der Großfamilien leben meist abgeschottet in Parallelwelten. Die Kriminologie-Professorin Dienstbühl erklärte:

Familie und Familienwerte funktionieren noch immer nach Stammesprinzipien, zum Teil aus vorislamischer Zeit.“

Zum Islam gebe es Bezüge. Diese seien aber immer im Zusammenhang mit den Interessen der Clans zu sehen. „Die nutzen religiöse Regeln beispielsweise für ihre Geschäfte oder um Streitigkeiten innerhalb der Strukturen zu regeln“, erklärte Dienstbühl.

All dies führe dazu, „dass die Familienangehörigen schweigen und sich gegenseitig decken, wenn sie können. Zudem empfinden sie sich selbst als eine Elite, die sich bewusst abschottet“, erläuterte die Expertin. V-Männer zum Beispiel ließen sich kaum in Clans einschleusen, höchstens in die Nähe etwa als Geschäftspartner.

Kriminelle Großfamilien sollen laut dem LKA NRW inzwischen über ganz Deutschland und auch ins Ausland vernetzt sein. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel gibt es laut dem Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD) zwar noch keine Erkenntnisse der Polizei zu organisierter Clan-Kriminalität. Er ergänzte aber: „Um möglichst früh zu erkennen, ob sich solche Strukturen aufbauen, wird derzeit ein aktuelles landesweites Lagebild erstellt. Damit wird sichergestellt, dass rechtzeitig und konsequent von der Polizei gehandelt werden kann, sollte es notwendig werden.“

Berlin: Acht lebenslange Haftstrafen in Großprozess um Mord in Rockermilieu

Derweil ging – am 1. Oktober nach fast fünf Jahre Prozess mit 300 Verhandlungstagen und 346 Zeugen – in Berlin ein Mordprozess gegen zehn Hells-Angels-Rocker mit acht lebenslangen Haftstrafen zu Ende. Die Strafkammer am Berliner Landgericht zeigte sich davon überzeugt, dass sieben der Männer den 26-jährigen Tahir Ö. am 10. Januar 2014 in einem Berliner Wettlokal gemeinschaftlich und aus niederen Beweggründen ermordeten.

Der Angeklagte Kadir P., Chef der Berliner Hells-Angels-Gruppe, stiftete sie demnach dazu an. Auch er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein weiterer Angeklagter wurde ebenfalls wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt. Sein Strafmaß wurde wegen umfassender Aufklärungshilfe jedoch auf zwölf Jahre gemindert. Dem zehnten Angeklagten konnte keine Beteiligung an dem Mord nachgewiesen werden. Er wurde lediglich wegen illegalen Waffenbesitzes zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt. Die Kammer folgte mit den Urteilen weitgehend den Plädoyers der Staatsanwaltschaft.

Hintergrund der Tat war eine tiefe Fehde zwischen P. und dem Opfer Ö., wie es in der rund dreistündigen Urteilsbegründung hieß. Beide seien „dissoziale Alpha-Tiere“ und vorher schon häufig miteinander in Streit geraten. Konkret kam es im Oktober 2013 zu einer Auseinandersetzung zwischen Türstehern einer Disko und Hells-Angels-Mitgliedern. Dabei fügte das spätere Mordopfer Ö. einem Hells-Angels-Rocker eine Stichverletzung zu. Daraufhin gab Rocker-Chef P. aus Rache den Mord an Ö. in Auftrag, wie sich das Gericht überzeugt zeigte.

Am 10. Januar 2014 stürmten dann insgesamt 13 teilweise maskierte Männer das Wettbüro in Berlin-Reinickendorf. Zielgerichtet liefen sie in den Schankraum, wo sich Ö. aufhielt. Der voranlaufende Recep O. feuerte acht Schüsse auf den 26-Jährigen ab, direkt danach verließen sämtliche Hells Angels geschlossen das Lokal. „Im Stile eines Überfallkommandos“ sei dies geschehen, hieß es in der Urteilsbegründung. Die gesamte Tat dauerte 25 Sekunden und wurde von einer Überwachungskamera aufgezeichnet.

Alle Haftstrafen wegen Mordes beziehungsweise Anstiftung zum Mord wurden um etwa zwei Jahre verkürzt. Denn die Richter konnten „staatliches Fehlverhalten“ im Vorfeld der Tat nicht ausschließen: Im Laufe des Verfahrens wurden Vorwürfe gegen Ermittler erhoben, die die Tat offenbar hätten verhindern können. Sie hatten demnach bereits Monate vor der Tat, aber spätestens fünf Tage zuvor, von dem konkreten Tötungsauftrag gegen Ö. erfahren. Dennoch wurde er nicht geschützt.

„Angesichts der Kaltblütigkeit der Tat halte ich dieses Urteil für absolut angemessen“, erklärte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). Er zeigte sich „froh und erleichtert“, dass nach so langer Zeit ein Urteil gesprochen wurde. Der Prozess begann bereits Ende 2014. (so/afp/dpa)



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