Maaßen über Musterpolizeigesetz: „Mehr Zentralismus in der inneren Sicherheit nötig“

Der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen und FDP-MdB Konstantin Kuhle diskutierten am Dienstagabend über Pläne für ein mögliches bundesweites Musterpolizeigesetz. Eine ipsos-Umfrage zeigte, dass 57 Prozent der Deutschen sich um ihre Sicherheit sorgen.
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Die Sozialdemokraten pochten 2018 auf einen Abgang Maaßens.Foto:  Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 16. Januar 2020

Am Dienstagabend (14.1.) haben in Räumlichkeiten der Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin unter anderem Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle zum Thema „Musterpolizeigesetz – ist das bayerische Polizeiaufgabengesetz ein gutes Vorbild?“ diskutiert. Ausrichter der Veranstaltung war das Informationsradio „InfoFM“.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte das Meinungsforschungsinstitut ipsos eine Umfrage zum Sicherheitsempfinden der Bürger und zur Akzeptanz eines möglichen Musterpolizeigesetzes durchgeführt. Ein solches bezeichnet eine bundesweite Regelung über Mindeststandards hinsichtlich der Befugnisse von Exekutivbeamten.

Wie bereits ähnlich geartete frühere Umfragen erkennen ließen, ist das Vertrauen der Bürger in die Polizei grundsätzlich intakt, wobei Anhänger der AfD und der Linken diesbezüglich aus höchst unterschiedlichen Gründen unterdurchschnittliche Werte erkennen lassen.

82 Prozent der AfD-Anhänger haben große Angst vor Kriminalität

Insgesamt fühlen sich, so Ipsos, 57 Prozent der Deutschen ungeachtet der Zahlen der Polizeistatistik von der Kriminalität bedroht, wobei Ostdeutsche (68 Prozent) und AfD-Anhänger (82 Prozent) deutlich über dem Schnitt liegen. Auch ältere Menschen fühlen sich im Land unsicherer. Sie sind es auch, die hauptsächlich zu jenen 42 Prozent der Befragten beigetragen hatten, die auf die Frage, ob ihnen Freiheit oder Sicherheit wichtiger sei, für Zweiteres optiert hatten. Demgegenüber erklärten jüngere Befragte und Anhänger der Linkspartei nur zu 39 bzw. 37 Prozent, Sicherheit gehe ihnen vor.

In Summe hätte die Idee eines Musterpolizeigesetzes den Rückhalt von 84 Prozent der Befragten. Allerdings warnen 25 Prozent – und dabei überdurchschnittlich häufig Junge (34 Prozent) und Linkspartei-Anhänger (43 Prozent) – vor möglichen Einschränkungen der Bürgerrechte durch eine solche Norm.

In der Debatte selbst erklärte Hans-Georg Maaßen, eine „Nachrüstung“ im Bereich der Gefahrenabwehr sei erforderlich, um der Polizei, deren Befugnisse im Wesentlichen immer noch auf die Zeit der Deutschen Bundespost und der Kommunikationskanäle der 1990er Jahre ausgerichtet seien, die Handlungsfreiheit auch mit Blick auf die neuen Technologien zu bewahren.

Kuhle: Bayern will sehen, wie weit man gehen kann

Konstantin Kuhle hingegen mahnte, die objektive Sicherheitslage müsse Maßstab für die Reichweite der Polizeibefugnisse sein, auch wenn subjektive Einschätzungen beachtenswert seien. Mit Maaßen stimmte er darin überein, dass es auch dann eine Freiheitsbeschränkung bedeute, wenn Menschen es nicht mehr wagten, in bestimmten Gegenden und zu bestimmten Zeiten auf die Straße zu gehen.

Der FDP-Parlamentarier sprach sich dafür aus, die Polizei personell zu verstärken. Auch gehe er mit einer rechtlichen Absicherung von Maßnahmen wie Bodycams, elektronischen Fußfesseln oder „intelligenter Videoüberwachung“ konform. Dennoch meinte er, dass die Reichweite der Befugnisse nicht das Entscheidende wäre. Der Freistaat Bayern wolle mit seinem weitreichenden Polizeibefugnisgesetz offenbar ausloten, wie weit sich die Möglichkeiten der Exekutive ausweiten ließen, bis man vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen würde. 

Maaßen wirft der Politik vor, auch im Bereich der Polizei nach dem Gießkannenprinzip agiert und in undifferenzierter Weise gekürzt zu haben. Es fehle an Personal, es fehle an Struktur, und auch wenn er ein überzeugter Föderalist sei, bedürfe es, so Maaßen, „mehr Zentralismus in der inneren Sicherheit“.

„Schöner, wenn man vieles nicht braucht“

Dass es in diesem Bereich kein stärkeres Zusammenwirken gäbe, lasse auch erwarten, dass auch ein möglicher neuer Anlauf zu einem Musterpolizeigesetz, wie es sie schon 1967 oder in der Ära Wolfgang Schäuble gegeben habe, wieder zur Totgeburt würde.

„Erfahrene Juristen denken sich etwas aus, die Politiker der Länder wollen dieses oder jenes nicht oder etwas anderes“, schildert Maaßen. Deshalb sei eine Veränderung im Föderalismus hier nötig.

Sicherheit habe keinen Selbstzweck, so der langjährige Verfassungsschutz-Chef, es sei „schöner, wenn man vieles nicht braucht“. Er wolle so wenig Einschränkung der Freiheit wie möglich, aber eine auf der Höhe der Zeit befindliche Exekutive, wenn sich die Verhältnisse ändern. Der Zweck der Sicherheit sei die Freiheit, so Maaßen.

Auch was umstrittene Punkte wie den Begriff der „drohenden Gefahr“ oder die Präventivhaft betreffe, warnt Maaßen vor Dramatisierungen. Es sei die Interessenlage zu betrachten, die Sicherheitssituation solle sich „verbessern, nicht verschlechtern“. Da aber der zuvor im Bereich der Gefahrenabwehr in bayerischen Gesetzen verwendete Begriff der „konkreten Gefahr“ durch BVerfG eingeschränkt worden sei, habe man sich an eine Neuformulierung gemacht. Ob die Maßnahme zielführend sei, habe Maaßen Zweifel. Zudem mahnte er, das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten sollte strikt eingehalten werden.

Kuhle: Präventivhaft in Bayern „theoretisch ohne Beschränkung“

Die viel kritisierte Möglichkeit der Präventivhaft im bayerischen Polizeibefugnisgesetz sei ebenfalls im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr zu sehen. Es gehe um konkrete Anhaltspunkte, dass eine bestimmte Person im Begriff sei, eine staatsgefährdende Straftat zu begehen. Die Maßnahme stehe unter richterlichem Genehmigungsvorbehalt, die Polizeihaft sei auf 24 Stunden beschränkt.

Kuhle entgegnet, ein absoluter Ausnahmezustand dürfe nicht zum Normalfall deklariert werden – und die Präventivhaft, die in Bayern „theoretisch ohne Beschränkung“ aufrechterhalten werden könnte, sei ein solcher. Häufig würden Politiker 100-prozentige Sicherheit versprechen, in Koalitionen leichte Verschärfungen durchsetzen, mit denen alle Partner leben könnten, es würden Befristungen, Kontrollmaßnahmen und Berichtspflichten normiert – und die späteren Berichte offenbarten regelmäßig, dass sich die Instrumente als unnötig erwiesen hätten.



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